Hamburg. Nicht immer ist juristisch eindeutig, wann die Aufsichtspflicht verletzt wurde. Warum es auch für die Kinder teuer werden kann.
„Süßes oder Saures“ zu Halloween: Zieht am Abend des 31. Oktobers die Dunkelheit auf, schlägt die Stunde der Geister, Hexen und Vampire. Gruselig geschminkt klingeln sie in der Nachbarschaft, schmettern einen Vierzeiler und fordern Süßigkeiten. Sonst gibt es Saures, und dem geizigen Nachbarn wird ein Streich gespielt.
Während kleine Kinder meist nur singend von Haus zu Haus ziehen, kommen manche Jugendlichen zu Halloween tatsächlich auf gruselige Ideen. Dann ärgern sich Hausbesitzer am nächsten Morgen über Graffiti-Schmierereien mit Ketchup oder echter Farbe an ihren Hauswänden, über demolierte Briefkästen oder umgeworfene Gartentische. Werden die kleinen Täter erwischt, müssen oftmals die Eltern für angerichtete Schäden haften. Das gilt immer dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.
Streiche zu Halloween: Was Eltern wissen sollten
„Welchen Umfang aber elterliche Aufsichtspflicht im Einzelfall hat, darüber wird vor Gericht tagtäglich gestritten“, sagt Rechtsanwalt Markus Illmer von der Bergedorfer Kanzlei Klemm & Partner. Es hänge stets vom Alter, von der Reife, vom Erfahrungsstand und der Einsichtsfähigkeit des Kindes ab. Klar ist für den Juristen: „Am Abend von Halloween sind die Anforderungen an die elterliche Aufsichtspflicht deutlich höher als an anderen Tagen. Wer also auf Nummer Sicher gehen will, läuft selbst mit, wenn seine Kinder auf Tour von Haustür zu Haustür ziehen.“
In aller Regel, so Illmer weiter, sei der elterlichen Aufsichtspflicht bei älteren Kindern aber auch Genüge getan, wenn Vater oder Mutter sie bereits in den vergangenen Jahren zu Halloween begleitet und sie keinerlei Tendenz zu vandalistischem Verhalten gezeigt haben. „Wenn man dann ein erwiesenermaßen vernünftiges Kind vor dem Halloween-Beutezug noch einmal ermahnt, nichts zu beschädigten, dürfte die Aufsichtspflicht erfüllt sein.“
Mit erstem Lohn für Jugendsünde im Kindesalter haften
Richtet das Kind dann dennoch Schaden an, haben die Opfer keinen Anspruch auf Entschädigung an die Eltern – wohl aber an das Kind selbst, sofern es älter als sieben Jahre ist. Ab 14 Jahren sei das Kind zudem strafmündig und könne wegen Sachbeschädigung bestraft werden.
„Auch wenn das Kind derzeit noch mittellos ist, kann der Geschädigte vor Gericht einen Titel auf seinen Anspruch erwirken, der dann 30 Jahre lang Bestand hat“, sagt Illmer. Irgendwann in diesem langen Zeitraum wird das Kind ja ein eigenes Einkommen haben und kann dann für seine Jugendsünde haftbar gemacht werden.
Kinder unter sieben Jahren sind dagegen nicht haftbar für ihr Tun – um so mehr aber deren Eltern. „Wer sein sechsjähriges Kind am Halloween-Abend allein auf die Straße lässt, muss in jedem Fall für die Schäden aufkommen, die es anrichtet“, erklärt Illmer. „Es sei denn“, wirft Kollege Markus Westphalen vom Bergedorfer Anwaltsbüro Stankusch Westphalen ein, „das Kind schleicht sich heimlich aus dem Haus oder klettert unbemerkt aus dem Fenster, um die Nachbarschaft zu ärgern. Dann bleiben die Opfer tatsächlich auf ihrem Schaden sitzen.“
Experte empfiehlt Abschluss einer Familienhaftpflichtversicherung
Besonders knifflig sind laut Anwalt Illmer die Fälle von Tätern zwischen sieben und 14 Jahren. „Da hängt es sehr vom Einzelfall ab, ob Eltern ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind oder nicht.“ Der Experte empfiehlt daher den Abschluss einer Familienhaftpflichtversicherung. Diese trete auch bei fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht für den Schaden ein.
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Doch für welche Halloween-Streiche lässt sich überhaupt Schadenersatz geltend machen? Eva Becker von der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) hat für die Zeitung „Tagesspiegel“ drei typische Beispiele benannt.
Halloween: Bei diesen Streichen haften Eltern oder Kinder
1. Zahnpasta auf der Türklinke: „Das ist ärgerlich, aber nicht strafrechtlich verfolgbar“, sagt Becker. Der Streich sei unproblematisch, die schmierige Paste lasse sich mit einem Lappen leicht entfernen. Bei glibberigen Substanzen auf dem Boden drohe dagegen durchaus Ärger. Rechtliche Folgen könnte es zum Beispiel haben, wenn jemand ausrutscht und sich verletzt. „Hier sollten Eltern ihren Kindern klarmachen: Das ist Unfug.“
2. Auto in Toilettenpapier: Die Grenze ist hier fließend. Entstehen Kratzer im Lack, wenn die Kinder den Wagen in die langen Papierstreifen einwickeln, fällt die Tat unter Sachbeschädigung. Die Folge: Eltern oder Kinder haften dafür.
3. Eier an der Hauswand: Dieser Fall ist für Becker schon problematischer. Entweder Eltern oder Kinder müssen für die Reinigung aufkommen, oder der Fall zieht zusätzlich noch strafrechtliche Konsequenzen nach sich. Grundsätzlich gilt: Lässt sich die Schmiere an der Wand vollständig entfernen, droht keine Strafe. Eltern oder Kinder müssen die Reinigung bezahlen oder selbst wegwischen.