Hamburg. Der Krankenpfleger Frank T. wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Was der Richter dem Betrüger sagte, ließ aufhorchen.
Frank T. ist jetzt 67. Obwohl er mehrfach verurteilt worden ist, Verfahren eingestellt wurden, neue aufgenommen, andere über Jahre liefen, hatte er bis zuletzt offenbar immer einen Bogen um ein Gefängnis machen können. Zumindest war eine Haft in Deutschland nicht amtlich dokumentiert.
Erst als er mal wieder einer behördlichen Ladung nicht Folge leistete, wie es so schön heißt, griff der Bergedorfer Amtsrichter Sebastian Gößling durch. Er ließ Frank T. im Gerichtssaal verhaften, wo er sich dann doch eingefunden hatte, weil er sich wegen erneuten Betrugsverdachts verantworten musste. Ob gut ein Monat Untersuchungshaft ihn von seiner „respektlosen“ und „rücksichtslosen“ Art (Richter Gößling) bekehrt hat, wird sich zeigen.
Frank T. musste sich in Handschellen vorführen lassen, bevor er am Freitag wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall zu einem Jahr und neun Monaten mit einer dreijährigen Bewährungsfrist verurteilt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wieder keine Haft. Und das, obwohl T. Wiederholungstäter und „Bewährungsversager“ (Gößling) ist. Der Richter hatte seine Gründe für die Milde: T.s Alter, der jahrelange zeitliche Abstand zur Tat und eine allerletzte Hoffnung auf Reue.
Prozess: Hamburgs schillerndster Betrüger? Frank T. erneut verurteilt
Nur ein paar Monate – es war ein vergleichsweise kurzer Prozess für Frank T. Er stellte die üblichen Befangenheitsanträge, ging gegen den Haftbefehl bis zum Oberlandesgericht vor, forderte grafologische Gutachten über eine Unterschrift noch am letzten Verhandlungstag, wollte Zeit schinden. Was ihm über Jahrzehnte gelang, flog am Freitag in Saal 115 auf: Frank T. ist vermutlich einer der schillerndsten und dreistesten Betrüger, die Hamburg in den vergangenen Jahren gesehen oder eben mit der Anonymität der Millionen-Metropole gedeckt hat.
Das Urteil kassierte er – grob gesprochen – wegen Betrugs an einem Unfallopfer. Der junge Mann hatte vor rund acht Jahren zunächst 180.000 Euro Schmerzensgeld erhalten. Sein Anwalt sah sogar die Aussicht auf einen Schadenersatz in Millionenhöhe. Frank T. schwatzte dem Opfer 100.000 Euro als „Darlehen“ ab, um vorgeblich Steuern zu sparen.
Zinsen zahlte T. nicht. Das Geld war später weg. T. arbeitete mit dem Anwalt zusammen. Sie bekamen von Krankenversicherungen Fälle, bei denen es um mögliche Behandlungsfehler im Krankenhaus ging. T. wühlte in den Akten nach ärztlichem Fehlverhalten und unterfütterte die Prozesse, die der Anwalt führte.
Frank T. – ein Angeklagter mit abenteuerlicher Lebensgeschichte
Und hier fängt es an, abenteuerlich zu werden, wie Richter Gößling einmal sagte. Denn die Lebensgeschichte, die Frank T. im Amtsgericht auftischte, hat möglicherweise wahre Episoden. Nachzuprüfen ist das nicht. Eine Krankenpflegerausbildung soll er gemacht haben, als Offiziersassistent über Jahre auf den Weltmeeren unterwegs gewesen sein, „christliche Seefahrt“, wie es in einem Lebenslauf von ihm heißt, der dem Abendblatt vorliegt wie viele Dokumente zu Frank T. und seinem Wirken.
Am Freitag behauptete er außerdem, in Großbritannien Medizin studiert und als Arzt gearbeitet zu haben. In der Schweiz (Salem-Spital Bern) will er Anästhesiepfleger gewesen sein, dann in Deutschland Firmen gegründet und außerdem in Schweden gelebt haben.
Sieben Einträge soll sein Strafregister zeigen, hieß es am Freitag, darunter Verletzungen der Unterhaltspflicht, eine vorsätzliche Körperverletzung, die Vorenthaltung von Arbeitsentgelt und eine Bewährungsstrafe für das Fälschen von CE-Prüfsiegeln für medizinische Geräte. „Ich habe chirurgisches Instrumentarium produzieren lassen und verkauft“, sagte T. vor Gericht.
Frank T. arbeitete mit „speziellen“ Anwälten
In seinem wortreichen, von Selbstzweifeln nicht getrübten Auftreten suchte sich T. über die Jahre mehrfach Anwälte als Partner, die selbst, nun ja, vor Herausforderungen standen. Der, der jetzt mit ihm in Bergedorf auf der Anklagebank saß und das Unfallopfer betreut hatte, wurde freigesprochen.
Mit ihm hatte T. erst eng kooperiert, sich dann zerstritten und dessen Kanzlei an der Elbe gekapert. Das war nicht schwer. Der Anwalt trank. Er konnte sich „an einiges nicht erinnern“, wie der Prozess ergab und der Richter einsah.
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Frank T. holte sich einen mehrfach vorbestraften Anwalt nach Hamburg, mit dem das Geschäftsfeld Schmerzensgeld und Schadenersatz fortgeführt werden sollte. Auch hier gab’s schnell Krach. T.s Verteidiger in Bergedorf war nicht etwa der weißhaarige Mann in der ersten Zuschauerreihe, dem schon vor Jahren die Anwaltszulassung entzogen wurde und der vom eigentlichen Anwalt Akten überreicht bekam.
T. ließ sich von einem früheren Hochschullehrer vertreten. Der hatte wenig Fortune mit seinen letzten Anträgen: „Sie genügen den formalen Anforderungen nicht“, sagte Richter Gößling am Freitag.
Vorwurf: TV-Autor um hohe Summe betrogen
T. habe das Unfall- und spätere Betrugsopfer, so Gößling, auf rücksichtslose Art ausgenutzt. Der junge Mann sei im Heim aufgewachsen, sei schutzlos gewesen, auch wegen Medikamenten- und Drogenkonsums. „Er wusste nicht, welcher Wochentag ist.“
Da wirken die Zehn- und Hunderttausende Euro fast banal, um die sich mutmaßliche T.-Opfer geprellt sahen, denen er ein Boot verkaufte, das ihm nicht gehörte, oder eine Reparatur versprach, für die er kassierte, aber nichts machte. Diese Verfahren verliefen alle im Sande. Einer der Geschädigten ist Autor. Er schrieb für prominente TV-Serien, deren Teile zum Beispiel „Halunken“ heißen.
Richter Gößling warnte T. davor, sich ins Ausland abzusetzen: „Sie waren offenbar der Meinung, dass das hier nach Ihren Regeln läuft. Aber wir hätten Sie auch in der Schweiz oder in Schweden bekommen. Die Justiz wird den längeren Arm haben.“