Bergedorf. Er sei von dem Radfahrer geschlagen und zu Boden gestoßen worden, berichtet der Bergedorfer – und fahndet nun auf eigene Faust.

Was ist mit dem Mann auf dem Foto? Ist er ein Einbrecher, Dieb oder wird er vielleicht von seiner Familie vermisst? Diese Fragen stellen sich derzeit viele Spaziergänger und Radfahrer, die vor den Aushängen in Bergedorf und Wentorf rätseln. Die DIN-A4-Zettel in Klarsichtfolie sind wie Steckbriefe an Bäumen rund ums Bergedorfer Gehölz angebracht und hinterlassen beim Betrachter viele Fragen.

Auf dem Schwarz-Weiß-Foto ist ein Mann mittleren Alters in Radfahrkleidung samt Helm und Rucksack zu sehen, der sein Fahrrad über die Straße schiebt. „Gesucht“ steht in Großbuchstaben über dem Bild mit der Bitte um sachdienstliche Hinweise zur abgebildeten Person. Als Ansprechpartner wird die Kriminalpolizei in Bergedorf genannt samt einem dazugehörigen Aktenzeichen. Wer die angegebene Telefonnummer wählt, landet tatsächlich in der Bergedorfer Polizeiwache. Auch das Aktenzeichen stimmt. „Die Polizei hat die Aushänge aber nicht angebracht“, stellt Sören Zimbal, Sprecher der Polizei Hamburg, klar.

Verkehr Hamburg: Streit zwischen Autofahrer und Radler eskaliert

„Das wird das vermeintliche Opfer wohl selbst gewesen sein“, mutmaßt Zimbal. Das ist in diesem Fall ein 56 Jahre alte Bergedorfer, der den Radler auf dem Foto wegen Körperverletzung angezeigt hat. Der Vorfall, von dem der 56-Jährige der Polizei berichtete, liegt schon etwas zurück. Am 23. Januar gegen Mittag ist es demnach auf der Daniel-Hinsche-Straße zwischen dem Bergedorfer und dem Radfahrer zu einem handgreiflichen Streit gekommen.

Der Bergedorfer saß am Steuer eines Autos, als ihm laut eigenen Angaben zwei Radfahrer von vorn entgegenkamen. Ein Mann und eine Frau seien nebeneinander geradelt. Als alle drei Verkehrsteilnehmer auf gleicher Höhe waren, habe der Radfahrer den Seitenspiegel des Autos umgeklappt und sei weitergefahren.

Autofahrer sucht mit Steckbrief nach angeblich rabiatem Radfahrer

Der Spiegel wurde dabei zwar nicht beschädigt, dennoch wendete der 56-jährige Bergedorfer sein Auto, fuhr den beiden Radfahrern hinterher und brachte sie zum Stoppen. Es habe sich ein Wortgefecht mit Beleidigungen zwischen den beiden Männern entwickelt. Als der Autofahrer daraufhin sein Handy aus der Tasche zog, um den Radfahrer zu fotografieren, habe dieser es ihm das aus der Hand gerissen, ihn ins Gesicht geschlagen und zu Boden gestoßen. Anschließend sei er weggefahren.

Der 56-Jährige ging daraufhin zur Polizei, erstattete Anzeige gegen unbekannt und sucht nun auf eigene Faust nach dem Radfahrer.

Polizei Hamburg: Konflikte wie diese sind nicht selten

Die Methode ist allerdings laut Polizeisprecher Zimbal rechtswidrig. Der Fall liegt aktuell bei der Staatsanwaltschaft, die ermittelt. Und „für die Veröffentlichung eines Fotos von einer Person, auf der diese eindeutig zu erkennen ist, braucht es eine Einwilligung“. Es sei davon auszugehen, dass der Radfahrer mit den Aushängen nicht einverstanden sei. Die Steckbriefe müssten abgenommen werden.

Konflikte wie diese sind laut Zimbal auf der Straße nicht selten. Laut dem aktuellsten Fahrrad-Monitor des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) aus dem Jahr 2021 fühlen sich 37 Prozent der Radfahrer im Straßenverkehr nicht sicher – knapp zwei Drittel (62 Prozent) von ihnen machen rücksichtslose Autofahrer dafür verantwortlich. Umgekehrt sagen 40 Prozent dieser Gruppe, dass viele Radfahrer durch ihre Fahrweise den Straßenverkehr unsicher machen. Kein Wunder, dass es zwischen Rad- und Autofahrern immer wieder zu Streit kommt.