Bergedorf. GIZ beklagt Willkür und Korruption in dem Land. Umbenannter Deutsch-Eurasischer Wirtschaftsbund sagt: „Damit können wir umgehen.“
Dass der Deutsch-Russische Wirtschaftsbund vom Weidenbaumsweg an die Adresse Hinterm Graben 33 in Bergedorf gezogen ist, war bloß eine Standortfrage. Weit schwieriger war mit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine plötzlich der Name des 2014 gegründeten Vereins geworden, der die Interessen des Mittelstandes vertritt: „Wir müssen einen neuen Fokus finden, solange es in Russland keine Marktchancen gibt“, hatte Präsident Thomas Overbeck schon im März 2022 angekündigt. Und so kam es schnell und einhellig zur Umbenennung: Als Deutsch-Eurasischer Wirtschaftsbund gilt es nun, Aufträge in Zentralasien an Land zu ziehen.
Das aktuelle gesellschaftliche Klima und die wirtschaftlichen Sanktionen ließen die gut 100 bestens vernetzten Mitglieder ins Grübeln kommen. Hatten sie zuvor jahrelang beste Preise in Russland erzielen können, wenn es um Agrartechnik, IT-Ausrüstung, Kunststoffe oder Maschinenbau ging, sind nun vielfach die Umsätze eingebrochen. Etwa die Hälfte des vormaligen Handelsvolumens ist sanktioniert – wobei humanitäre Hilfen auch weiterhin eine Rolle spielen, zudem Pharmaprodukte und Medizintechnik.
Deutsch-Eurasische Wirtschaftsbund lädt in die usbekische Botschaft in Berlin ein
Die „Förderung des Völkerverständigungsgedankens, der Bildung und mildtätiger Zwecke“ sei nun der Vereinszweck, heißt es in der Satzung vom 14. November 2022. Die Entwicklung der wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse sowie natürlich die Handelsförderung stehen im Vordergrund.
Zwar hoffen die Mittelständler, sich nach Kriegsende an den internationalen Fördertöpfen zum Wiederaufbau der Ukraine laben zu können. Aber bis dahin braucht es neue Verträge – zum Beispiel mit Usbekistan, das 2021 ein Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent verzeichnete. Da trifft es sich gut, dass ein Vertreter der usbekischen Botschaft noch im September zum „Mittelstandstag“ des Wirtschaftsbundes nach Hamburg kam, wo 120 Gäste zur Werksführung bei Airbus eingeladen waren. Und so ist es jetzt auch die usbekische Botschaft in Berlin, wo der Deutsch-Eurasische Wirtschaftsbund am 26. Januar zu seinem Neujahrsempfang einlädt.
Handelsbeziehungen: Außenministerin will „Zwangsjacke“ vermeiden
Dabei fahren die Geschäftsleute auch politisch in günstigem Fahrwasser, hatte doch gerade erst im Herbst Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Kasachstan und Usbekistan um neue Verträge geworben – in Sachen Energiewirtschaft. „Mir ist wichtig, dass die Zukunft für sie nicht nur die Wahl zwischen der engen Zwangsjacke im Vorhof von Russland und der Abhängigkeit von China bereithält“, sagte die Ministerin. Deutschland und Europa würden ehrliche und faire Angebote machen, die gerade nicht neue Abhängigkeiten schaffen oder auf finanzielle Knebel setzen.
Schließlich meldet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev wolle ein ambitioniertes Reformprogramm umsetzen, um das Pro-Kopf-Einkommen bis zum Jahr 2030 zu verdreifachen. Problematisch bleibe jedoch, dass die Politik autokratisch vom Staatspräsidenten bestimmt werde: „Eine politische Opposition ist nicht zugelassen“, konstatiert das BMZ und fügt hinzu, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Presse- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt seien, zudem der Zugriff auf Internet und soziale Medien von staatlicher Seite kontrolliert werde.
„Die Bevölkerung ist an politischen Entscheidungsprozessen nicht beteiligt. Sämtliche Parlaments- und Präsidentenwahlen in nachsowjetischer Zeit wurden international als nicht frei und nicht fair bewertet“, so das Bundesministerium, das nicht zuletzt „die fehlende Unabhängigkeit der Justiz“ bemängelt: „Gerichtsurteile folgen häufig politischen Vorgaben, geltende Rechtsvorschriften werden oft nicht durchgesetzt.“
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Willkür und Korruption in Usbekistan sind ein Problem
Dabei spielt Usbekistan, mit mehr als 32 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Zentralasiens, eine große Rolle in der Region. Trotz Armut, Arbeitslosigkeit und einer unzureichenden medizinischer Versorgung glänzt das Land international mit Exportprodukten wie Gold, Baumwolle und Erdgas.
Zugleich stehe der seit 1991 unabhängige Staat seit seinem Abschied von der zentralistisch gesteuerten Planwirtschaft vor zahlreichen sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen, meldet die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Und weiter: „Für ein besseres Wirtschafts- und Investitionsklima verabschiedete das Land im Jahr 2019 ein Verwaltungsverfahrensgesetz. Willkür und Korruption sowie fehlende Rechtsfachkräfte in staatlichen Behörden führen jedoch zu erheblichen Problemen in der Umsetzung.“
„Gute Chancen wie in Georgien, Armenien und Kasachstan“
Will und kann man da denn wirklich moralisch einwandfreie Geschäfte machen? „Ach, deutsche Unternehmer können mit Korruption umgehen, auch durch ihre Erfahrungen aus Russland“, meint der Präsident des Deutsch-Eurasischen Wirtschaftsbundes und gibt zu bedenken, das sei ein globales Problem. Man könne ja auch mit Brasilien, Ägypten oder der Türkei gute Geschäfte machen. Zudem habe Usbekistan ein interessantes Potenzial und biete ebenso gute Chancen wie etwa Georgien, Armenien und Kasachstan – zumal „viele russische Firmen, zum Beispiel in der Software-Branche, jetzt ihren Mittelpunkt dorthin verlagert haben. In Russland blutet jetzt die geistige Elite aus, viele sind geflohen“, weiß Thomas Overbeck.
Wichtig sei vor allem zunächst, die Kulturen kennenzulernen, meint Overbeck: „Wenn man das Volk nicht versteht, wird man nicht erfolgreich sein“, so der Unternehmer aus Reinbek. Er ist überzeugt: „Jetzt ist die Zeit, jetzt passiert da viel im eurasischen Raum. Deshalb planen wir auch für den Sommer eine Unternehmerreise nach Usbekistan.“