Hamburg. „Markendetektiv“ Duphorn weiß: Markenprodukte stammen oft aus derselben Fabrik wie No-Name-Produkte. Das sollten Kunden wissen.

Heimelig, warm und lecker soll es werden – auch schon vor dem Fest. Doch auch in größter Einkaufslaune sollte niemand auf die Tricks der Hersteller und Händler im Weihnachtsgeschäft hereinfallen, meint Stefan Duphorn, der sich gern mal „Markendetektiv“ nennt. Seit 2014 betreibt der Diplom-Kaufmann an der Bergedorfer Schlossstraße sein Unternehmen „Wer-zu-wem“ – und recherchiert findig im „oft verklausulierten“ Netzwerk des Marktes.

Mütze, Schal und ein heißer Becher zwischen den Handschuhen: Natürlich gibt es Unterschiede im Geschmack, aber „der größte Glühwein-Lieferant ist Gerstacker aus Nürnberg. Die beliefern sowohl fast alle Weihnachtsmärkte als auch die Discounter mit Marken und No-Name-Produkten“, weiß Stefan Duphorn. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit hat er ein besonderes Auge auf die Produkte und deren Preise, denn da wird Schokolade gern mal 30 Prozent teurer verkauft, wenn Stern und Tanne auf der Verpackung sind. Und manchmal ist einfach genau das Gleiche drin – egal, ob es ein No-Name-Lebkuchen bei Aldi ist oder die „Honigprinten“ bei Lidl: „Die kommen alle von den Firma Lambertz“, sagt der Bergedorfer, der sein Abitur am Bornbrook-Gymnasium ablegte, bevor er jahrelang als Controller bei den Gebrüdern Heinemann arbeitete.

Eigenmarken stammen oft vom selben Hersteller wie Markenware

Laut Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie wurden in diesem Jahr für die Weihnachtszeit rund 169 Millionen Schokoladen-Nikoläuse und -Weihnachtsmänner hergestellt. Auch Plätzchen und Kekse sind reichlich gefragt. Die Firma Lambertz verfügt nach eigenen Angaben über mehr geschützte Herkunftsbezeichnungen als jedes andere deutsche Unternehmen – etwa Nürnberger Lebkuchen, Aachener Printen und Dresdner Stollen.

Diplom-Kaufmann Stefan Duphorn (60) kann nicht verstehen, warum die Preise für Spinat so unterschiedlich sind: „Ist doch fast überall dasselbe drin.“
Diplom-Kaufmann Stefan Duphorn (60) kann nicht verstehen, warum die Preise für Spinat so unterschiedlich sind: „Ist doch fast überall dasselbe drin.“ © BGZ | strickstrock

Das Unternehmen zählt zu den drei größten deutschen Gebäckherstellern und ist Weltmarktführer bei Weihnachtsgebäck. Das polnische Werk, das nach Eigenangaben im Geschäftsjahr 2017/2018 satte 44,8 Millionen Euro einfuhr, beliefert auch Länder wie Tschechien, Rumänien, Lettland, Russland, Bulgarien, Ungarn und die Ukraine.

Der Süßwarenproduzent, aber auch andere Markenhersteller wie Müller Milch, Zott, Hochland und Leibniz beliefern nicht nur Supermärkte mit ihren bekannten Produkten, sondern produzieren ebenso für No-Name-Marken der Discounter: Oft steckt also in der günstigeren Alternative der gleiche Inhalt wie im Markenprodukt, „nur die Verpackung unterscheidet sich“, sagt Stefan Duphorn und erklärt, dass vergleichsweise günstige Eigenmarken der Vollsortimenter wie „K-Classic“ (Kaufland) und „Ja!“ (Rewe) oft aus derselben Fabrik stammen oder vom selben Hersteller bloß unter einem anderen Namen verkauft werden.

Der Vergleich zeigt: Am teueresten ist der Spinat „mit Blubb“

Gerade hat es dem 60-Jährigen der gefrorene Rahmspinat angetan: „Bei Aldi am Reinbeker Täbyplatz kostet die 450-Gramm-Packung 69 Cent und kommt von der Frozen Food Trading Company, die in Barmbek die gleiche Adresse hat wie Iglo. Wenn ich den Spinat zum selben Preis beim Bergedorfer Aldi am Neuen Weg kaufe, steht Copack drauf, das ist eine Tochterfirma von Frosta.“ Bei Edeka an der Bergedorfer Straße kostet der Spinat ebenfalls 69 Cent und ist „gut & günstig“. Gleich daneben im Regal finden sich 540 Gramm Iglo-Spinat „mit Blubb“ für 3,19 Euro – allerdings eine „deutsche Ernte aus regionalem Familienbetrieb“.

„Die Qualität ist quasi gleich. Das bisschen mehr Sahne oder Salz schmeckt man wirklich nicht heraus“, meint Markendetektiv Stefan Duphorn und betont: „Die ganz großen Markenhersteller wie Lindt oder Ferrero stellen keine No-Name-Produkte her und haben wenig Konkurrenz im Handel, denn an Nutella zum Beispiel kommt keiner vorbei“, sagt Duphorn.

Kekse von Bahlsen gibt es bei Aldi als Kekse von Biscotti

Aber Findige können Schnäppchen machen: Wer die Leibniz-Kekse mag, sollte bei Aldi (Nord) nach der Marke Biscotti suchen — dahinter verbirgt sich nämlich derselbe Hersteller wie bei Leibniz: Bahlsen. Und hinter den Schokoküsse Scholetta bei Aldi versteckt sich der Schokohersteller Storck. Duphorn nennt weitere Beispiele: Den Sahnejoghurt von Zott gibt’s in der Günstig-Variante bei Aldi unter dem Namen Söntner Sahne Joghurt. Und Markenlieferant Homann bietet auch die Lidl-Marke Vitakrone an. Die Milbona-Buttermilch (Lidl) kommt vom Müller Milch Hersteller, ebenso wie der Desira-Milchreis (Aldi).

Mindestens schon 30-mal sei er im Fernsehen gewesen, meint Stefan Duphorn. Zuletzt im November war ein NDR-Team in seinem Büro und anschließend im Bergedorfer Sachsentor unterwegs. Er war auch bei „Hart, aber fair“ in Berlin. Und mit dem ORF drehte er mit versteckter Kamera in Wien, wo manche Marken-Milchtüten im Regal 30 Cent teurer sind als No-Name-Milch derselben Molkerei. Aber kein Mitleid, denn auch die No-Name-Hersteller würden sehr gutes Geld verdienen – zum Beispiel mit Blick auf die Jacobi Scherbening GmbH & Co. KG in Paderborn, einem führenden Hersteller von Handelsmarken für alkoholfreie Getränke, süße Brotaufstriche und Konserven – als Vertriebsgesellschaft der STUTE Nahrungsmittelwerke GmbH & Co. KG.

Was bei Lebensmitteln gemacht wird, gilt auch für andere Bereiche

Das Ganze lässt sich natürlich auch beliebig wiederholen, wenn es nicht um Lebensmittel geht, sondern um teure Schuhe, Kleidung und Luxustaschen – und deren günstige Varianten etwa bei TK-Maxx im Bergedorfer CCB: „Da gibt es die Klamotte dann eben mit einfacher Naht oder das Emblem ist gebügelt statt gestickt. Das wird extra für junge Schnäppchenjäger hergestellt, die sich Marken nicht leisten können“, sagt Duphorn, der von 2014 bis 2021 Vorstandsmitglied im Bundesverband für freie Kammern war.

Für Parfüm könne man sich das Geschäft ähnlich vorstellen: Was im Laden für 100 Euro angeboten wird, koste in der Herstellung bloß 10 Euro („das teuerste ist noch der Flakon“): „Bei Rossmann und Budni zum Beispiel ist das oft sogenannte Graumarktware. Deren Produktion wollen die Hersteller nicht bestätigen, um inoffizielle Vertriebswege zu verschleiern. Es sind aber Originalprodukte in gleicher Qualität.“

So etwas weiß der Kunde natürlich nicht: Der Handel sage schlichtweg nichts, „und die Hersteller dürfen nichts sagen“, fasst der „Markendetektiv“ zusammen. Er betont: „Ärger hab ich eigentlich nie bekommen. Aldi zum Beispiel findet das relativ gut, weil ich deren Produkte ja nicht schlechtmache. Und die Hersteller beliefern sowieso lieber Aldi, weil die verlässlich sind und die Preise nicht so extrem drücken wie Edeka.“

Womit der Markendetektiv sein Geld verdient

Mit seinen Recherchen als „Markendetektiv“ könnte Stefan Duphorn indes nicht allein überleben. Sein Hauptgeschäft ist der Adresshandel, den er im nächsten Jahr bei einer neu zu gründenden Firma in Österreich auslagern will. Wer aber bestellt die zeitlich aufwendig recherchierten Adressen? Da will etwa ein Reifenhersteller alle Autohändler in der Umgebung wissen. Oder ein Software-Entwickler für die Wohnungsverwaltung sucht nach Wohnungsbauunternehmen.

„Ich habe auch schon der Bundesregierung Supermarktadressen geliefert. Es gibt übrigens 15.000 Supermärkte und 16.000 Discounter in Deutschland“, sagt Stefan Duphorn – und denkt etwa an das Thünen-Institut, das zu ländlichen Räumen forscht: Wie weit ist es dort zum nächsten Supermarkt? Der Daten-Fan sammelt übrigens auch die Fabrikverkäufe in Deutschland und führt eine „Friedhofsliste“ für verschwundene Marken wie Plus, Minimal, Pro, Spar und Coop.

Nicht die Marken, wohl aber manche Geschäfte werden wohl künftig in der Bergedorfer Innenstadt verschwinden, fürchtet der Diplom-Kaufmann: „Die Lüneburger Konkurrenz ist groß. Auch das neue Einkaufszentrum, das mit 90 Läden in der Hafencity gebaut wird, wird ein starker Konkurrent in der Nähe. Denn die werden da genügend Parkplätze haben, und die Hafencity ist über die A25 von Allermöhe aus in nur zwölf Minuten zu erreichen.“