Hamburg. Gericht stellt nach Bluttat in Bergedorf fest: Angeklagter handelte im Affekt. Warum das Urteil vergleichsweise milde ausfiel.

Urteil im tödlichen Familienstreit im Bergedorfer Villengebiet: Weil Wolfgang P. seine Schwester Astrid P. mit Dutzenden Messerstichen getötet hatte, ist der 54-Jährige zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt worden.

„Das, was hier passiert ist, ist etwas Furchtbares“, sagte die Vorsitzende Richterin Birgit Woitas Mittwoch während der Urteilsverkündung. Nach Überzeugung des Hamburger Landgerichts hat der Angeklagte am Morgen des 17. Februar mit einem Küchenmesser wuchtig und in schneller Folge insgesamt 66-mal auf die Bergedorferin eingestochen.

Wolfgang P. warf sich nach der Tat vor ein fahrendes Auto

Das 55-jährige Opfer war noch am Tatort verblutet, dem früheren Elternhaus der beiden Geschwister. Wegen dieser Immobilie, die sowohl Wolfgang P. als auch Astrid P. und ihr Vater geerbt hatten, war es in der Vergangenheit immer wieder zu Streitigkeiten gekommen. Kurz vor der Tat hatten sie das Haus verkauft.

Nach den Messerstichen war der Bruder geflüchtet und hatte sich vor ein fahrendes Auto geworfen. „Ich wollte nicht mehr leben“, sagte er im Verlauf des Prozesses. Er wurde verletzt ins Unfallkrankenhaus Boberg gebracht. Der 79-jährige Vater Werner P. fand die Leiche seiner Tochter im Wohnzimmer. Sein Sohn wurde noch im Krankenhaus von der Polizei festgenommen.

Polizei, Staatsanwaltschaft und Experten der Spurensicherung am Morgen des 17. Februar 2022 vor dem Haus in Bergedorf.
Polizei, Staatsanwaltschaft und Experten der Spurensicherung am Morgen des 17. Februar 2022 vor dem Haus in Bergedorf. © Michael Arning | Michael Arning

Nebenkläger waren im Prozess vor dem Landgericht Sohn und Tochter der getöteten Frau. Ihr Onkel hatte die Tat bereits im Verlauf des Prozesses eingeräumt und Reue gezeigt. Die tödlichen Messerstiche will er im Affekt abgegeben haben. Er sei nie mit dem Hausverkauf klargekommen, stand es doch voller Erinnerungsstücke an die verstorbene Mutter.

Angeklagter lebte sehr zurückgezogen und hat kaum gearbeitet

Der Angeklagte habe kaum gearbeitet und vor allem von Zuwendungen der Mutter gelebt. Im Alter von 35 Jahren zog er mit ihr zurück in das frühere Elternhaus. Nach ihrem Tod lebte der Angeklagte stark zurückgezogen und mit Unterbrechungen weiter in dem Haus, an dem er sehr hing.

Er habe dort viele persönliche Gegenstände aufbewahrt. Allerdings sei das Haus in einem schlechten Zustand gewesen. Die Schwester wollte es zum Kauf anbieten. "Damit nahm das Unheil seinen Lauf", sagte Richterin Woitas. Kurz vor der Tat hatten sie das Haus verkauft.

Die 55-Jährige habe das Haus entrümpelt und dabei auch Gegenstände ihres Bruders entsorgt. Der sei damit überfordert gewesen – er habe dies als "Einbruch" in seine Privatsphäre empfunden. Ein letzter Streit mündete laut Gericht in der blutigen Gewalttat.

Staatsanwaltschaft forderte höhere Freiheitsstrafe

Mit einem Küchenmesser mit zwölf Zentimeter langer Klinge stach er wuchtig und in schneller Folge auf seine Schwester ein. Dabei traf er 26 Mal den Oberkörper und verletzte die Lunge, Rippenknochen und das Herz. Zudem hatte die Getötete zahlreiche Stichverletzungen an Armen und Händen. "Dabei, dessen sind wir uns sicher, beabsichtigte er, die Geschädigte zu töten", so Woitas. Er habe auch noch zugestochen, als sie bereits regungslos am Boden lag. Die Situation am Todestag schilderte Wolfgang P. mit den Worten: „Ich war so überfordert. Ich hatte das Messer in der Hand. Und dann ist es passiert. Ich war völlig außer Kontrolle.“

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe in Höhe von sieben Jahren und sechs Monaten gefordert, der Verteidiger des Angeklagten hatte für maximal vier Jahre plädiert. Es handele sich um einen einfachen Totschlag, weil keine Mordmerkmale vorlägen, sagte die Richterin. Laut Gericht ist der 54-Jährige vermindert schuldfähig. Er habe im Affekt gehandelt. Zudem stellte ein psychiatrischer Gutachter eine krankhafte Persönlichkeitsstörung fest.

Richterin Woitas fällte deshalb das eher milde Urteil: Es handelt sich nach ihren Worten um einen einfachen Totschlag, weil keine Mordmerkmale vorlägen. Das für Wolfgang P. wohl schlimmste Urteil sprach aber sein Vater: „Das ist nicht mehr mein Sohn“, hatte er im Prozess als Zeuge gesagt.