Bergedorf. In der Aktuellen Stunden der Bezirksversammlung hagelte es Schuldzuweisungen. Doch es gibt noch etwas Hoffnung auf einen Verbleib.
Sie waren mit einem Transparent gekommen, mit einer Unterschriftenliste – und mit Wut im Bauch. Die gut zwei Dutzend Hauni-Beschäftigten, die am Donnerstag vorm Bergedorfer Rathaus für einen Verbleib ihres Arbeitgebers im Bezirk demonstrierten, waren die allzu passende Ouvertüre der dann folgenden Bezirksversammlung.
Denn dort schlugen angesichts der Hauni-Pläne, den Bezirk Bergedorf gen Stapelfeld oder Harburg verlassen zu wollen, die Wogen hoch. Gegenseitige Vorwürfe der Fraktionen, Appelle und Wutreden mündeten aber auch in die kämpferische Feststellung der Politik: „Die Hauni gehört zu Bergedorf!“ Dafür gab es trampelnden Applaus von den Zuhörerrängen.
Bezirksversammlung: Die Entscheidung von Körber enttäuscht
Wer hat was versäumt, wo wurden Fehler gemacht – und was ist vielleicht noch zu retten? Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann gab unumwunden zu: „Diese Entscheidung von Körber enttäuscht uns im Bezirk, enttäuscht uns im Bezirksamt – und enttäuscht auch mich ganz persönlich.“ Hauni gehöre zur Bergedorfer DNA. Hier sei die Heimat des Unternehmens und vieler Beschäftigter. „Nun stellt sich die Frage: Warum ist Körber bereit, dieses Zuhause aufzugeben und an einen Ort zu ziehen, an dem das alles nicht zählt?“, fragte sie bitter.
Tatsächlich hat der Bezirk der Hauni sogar ein geeignetes Areal angeboten: den künftigen Innovationspark (B-Plan 99) am Curslacker Neuen Deich. Er wird jedoch nicht so schnell Baureife haben wie die Konkurrenzflächen. Die Hauni macht Druck, möchte schon 2025 in ihren Neubau ziehen.
Kostbare Zeit ging auch verloren, weil der B-Plan seit Oktober 2020 ruhte
Es sei aber nicht so gewesen, als habe das Bezirksamt nicht alle Anstrengungen für die Hauni unternommen, betonte Cornelia Schmidt-Hoffmann. Auch durch „ein bisschen schnelleres Arbeiten“ sei diese Entwicklung kaum zu verhindern gewesen, erklärte sie mit einem Blick auf die Geschichte des Bebauungsplans 99. Dieser hieß nicht immer „Innovationspark“ und erfuhr seit 2009 immer wieder Änderungen.
Kostbare Zeit ging auch verloren, weil der B-Plan seit Oktober 2020 ruhte. Grund war die ausstehende Entscheidung der Boberger Unfallklinik: Sie interessierte sich ebenfalls für das Areal und sagte erst im Dezember 2021 ab. Da war die Hauni gerade mit ihrem Umzugswunsch im Bezirk vorstellig geworden. Und obwohl sofort entsprechende Planungen begannen, ging es der Hauni mit dem Innovationspark nicht schnell genug.
Innovationspark biete „ideale Voraussetzungen für eine Fabrik der Zukunft“
Dass es so kommen musste, frustriert auch die Bezirkspolitik: In der Aktuellen Stunde hagelte es gegenseitige Vorwürfe. SPD-Fraktionschefin Katja Kramer gestand, dass sie die Nachricht vom geplanten Wegzug „geschockt“ habe. Sie wunderte sich aber auch über das Unternehmen: Der Innovationspark biete „ideale Voraussetzungen für eine Fabrik der Zukunft“, meinte sie. Insofern ergebe „die Entscheidung des Hauni-Managements aus unserer Sicht wenig Sinn“. Die Körber AG habe die Eignung der Fläche selbst bestätigt, nur der Faktor Zeit passe nicht.
Die CDU sah hingegen die Bergedorfer Koalition aus SPD, Grünen und FDP als Schuldigen in dem Drama. Dass die Hauni ihre Heimat verlassen wolle, sei eine „Zäsur“ und eine „Bankrotterklärung für die Koalition“, befand CDU-Fraktionschef Julian Emrich. Die Koalition habe sich viel zu sehr auf den Wohnungsbau fokussiert, sodass Planungskapazitäten an anderer Stelle fehlten. In einer Pressemitteilung warf die CDU tags darauf auch der Verwaltung Versagen vor, vor allem weil das B-Plan-Verfahren zeitweise gegen einen Beschluss der Bezirksversammlung ausgesetzt worden war, als die Unfallklinik am Standort Interesse gezeigt hatte.
Die CDU habe das B-Planverfahren seinerzeit selbst nicht vorangetrieben
Sven Noetzel, Fachsprecher für Stadtentwicklung: „Mit solchen Protagonisten steht es schlecht um die Zukunft der Bergedorfer Wirtschaft.“ In der Aktuellen Stunde hatte die Koalition Kritik allerdings deutlich zurückgewiesen: Die CDU habe das B-Planverfahren seinerzeit selbst nicht vorangetrieben oder gar mit ihrem Einsatz für Looki oder die Grabeländer verzögert.
Doch Schuldzuweisungen würden nicht weiterhelfen, befanden sowohl Frauke Rüssau (Grüne) als auch Stephan Meyns (FDP) und Ernst Heilmann (Die Linke). Denn es könnte noch Hoffnung geben: Die Konkurrenzflächen werden bevorzugt, weil sie – anders als der Innovationspark – baureif sind.
Ernst Heilmann forderte umgehend eine Sonderkommission Hauni
Angesichts der gesamtpolitischen Lage und der Situation im Bausektor sei das aber ohnehin „so nicht zu realisieren“, meinte Ernst Heilmann. Er forderte umgehend eine Sonderkommission Hauni: „Die Fabrik der Zukunft von Hauni gehört nach Bergedorf!“ Auch Stephan Meyns betonte: „Wichtig ist, dass wir die verbleibenden Möglichkeiten und Chancen nutzen, um die Hauni in Bergedorf zu halten.“