Lohbrügge. Abrissbagger rückten dem alten Stadtkern zu Leibe. Doch beim Rundgang am 11. September geht es nicht nur um Bausünden der Stadtplanung.
Es ist ein Rundgang durch den größten Sündenfall der Bergedorfer Stadtplanung: Am Sonntag, 11. September, führt Michael Schütze für das Kultur- & Geschichtskontor durch Lohbrügges geschäftiges Zentrum. Im Mittelpunkt steht dabei die Alte Holstenstraße in ihrem Lohbrügger Teil.
Vor 60 Jahren ist sie zum Spekulationsobjekt geworden. Im damaligen Selbstverständnis einer modernen Entwicklung wurde ihre gesamte historische Bebauung zum Abriss vorgesehen. Investoren bekamen freie Hand, hier ein Einkaufs- und Geschäftszentrum zu schaffen, das den erhofften Kundenandrang vom Großbauprojekt Lohbrügge-Nord auffangen sollte. Es entstanden gigantische Kaufhaus-Pläne – und weil Anfang der 1970er-Jahre auch noch das östlich der Alten Holstenstraße ansässige Bergedorfer Eisenwerk als Alfa Laval nach Glinde abwanderte, wurden gleich auch noch neue Straßen geplant.
Stadtplanung: Marktkauf-Center erst mit 15 Jahren Verspätung realisiert
Am Ende stoppten die Kaufhaus-Konzerne C&A und Kaufhof ihre Lohbrügger Ambitionen. Doch da hatten Abrissbagger besonders an der Westseite der Alten Holstenstraße schon ganze Arbeit geleistet und fast alle Gebäude entfernt. Diese riesigen „Zahnlücken“ blieben den Lohbrüggern über Jahre erhalten. Von den hochtrabenden Großprojekten der Bergedorfer Stadtplaner wurden lediglich das Haspa-Hochhaus am Lohbrügger Markt und – mit über fünfzehn Jahren Verspätung – 1987 schließlich das heutige Marktkauf-Center realisiert.
Michael Schütze startet mit seinen Gästen um 14 Uhr vom Lohbrügger Ausgang des Bergedorfer Bahnhofs. Die Teilnahme kostet 9 Euro pro Person, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Beide Stadtteilewaren nur durch eine Eisenbahnbrücke getrennt
Natürlich blickt der Historiker bei seinem zweistündigen Rundgang nicht nur auf Bausünden. Vielmehr schaut er zurück in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Lohbrügges Ortskern noch das ebenso verruchte wie aufregende Kneipenviertel war. Zum Leidwesen vieler Älterer zog es auch die Jugend aus Bergedorf magisch an, waren beide Stadtteile doch nur durch die Eisenbahnbrücke getrennt.
Mit historischen Fotos lässt Schütze Tanzlokale wie den „Schwarzen Walfisch“ oder den „Holsteinischen Hof“ wieder aufleben. Und er blickt zurück auf erfolgreiche Lohbrügger Geschäfte, die bei vielen ihrer einstigen Kunden bis heute einen guten Klang haben. Darunter sind die Buchhandlung Nordmann, Eisenwaren Zieske, die Schlachterei Gödecke und das Bettenhaus Demmin.
Weitere Stationen werden die Bismarck-Eiche auf dem Lohbrügger Markt und die benachbarte Schule Leuschnerstraße sein, die die gesamte Schulgeschichte des einst eigenständigen Ortes repräsentiert.