Lohbrügge. Hezbullah A. (23) starb vor einem Jahr bei einem Horrorunfall auf der Lohbrügger Landstraße. Die Aufarbeitung der Tragödie stockt.
An diesem Dienstag jährt sich der Horrorunfall auf der Lohbrügger Landstraße zu ersten Mal: Am Abend des 9. August 2021 wurde der 23 Jahre alte Pizzabote Hezbullah A. von Aldo’s Pizzeria beim Einsteigen in seinen kleinen Seat von einem Mercedes SUV erfasst. Dessen Fahrer, ein 29-jähriger Aumühler, fuhr Richtung Bergedorf und hatte wenige Meter vor dem dunkelblauen Seat des gebürtigen Afghanen die Kontrolle über seinen tonnenschweren Wagen verloren.
Tod eines Pizzaboten: Hezbullah A. flog meterweit durch die Luft
Wie ein Geschoss flog der Mercedes auf den 23-Jährigen zu, rammte insgesamt drei am Straßenrand geparkte Pkw, darunter auch den des Pizzaboten, der an der offenen Fahrertür am Rand der Fahrbahn stand. Er konnte nicht mehr fliehen, wurde samt der Tür mitgerissen und viele Meter weit durch die Luft geschleudert. Den SUV warf der Aufprall wieder zurück auf die Fahrbahn, wo er einen entgegenkommenden Skoda frontal rammte und schließlich auf der Beifahrerseite über den Asphalt schrammte und so liegen blieb.
Der Mercedes-Fahrer war in seinem Ungetüm so gut geschützt, dass er nur leichte Verletzungen davontrug, während die beiden Insassen des Skoda schwer und Hezbullah A. lebensgefährlich verletzt wurden. Wenige Stunden später verlor der junge Mann im Unfallkrankenhaus Boberg den Kampf gegen den Tod.
Pziiabote „stand mitten im Leben, hatte große Pläne“
„Er stand mitten im Leben, hatte große Pläne, war ein total bescheidener und freundlicher Mensch“, sagt Sanje Kumar Waura (49), Inhaber von Aldo’s Pizzeria und selbst gebürtiger Afghane. „Er war damals zwar erst wenige Monate bei uns, aber längst fester Bestandteil des Teams.“ Beeindruckt habe ihn das große Herz für die Familie. „Er schickte fast seinen ganzen Verdienst zu seinen Eltern, die er wie seine ganze Großfamilie in Afghanistan zurückgelassen hatte. Er träumte davon, alle nach Deutschland zu holen.“
Entsetzt ist das Team der Pizzeria über die schleppenden Ermittlungen. „Es kann doch nicht sein, dass auch ein Jahr nach seinem Tod noch nicht mal Anklage gegen den Unfallfahrer erhoben wurde“, sagt Kollege Rohan Kapoor (18), der sehr gut mit dem Verstorbenen befreundet war. „Schon kurz nach dem Unfall gab es doch den Verdacht, dass der Mann am Steuer unter Drogen stand.“
Vom Mercedes-Fahrer hätte Kapoor erwartet, dass er nach dem Unfall „sich wenigstens mal erkundigt, wie es um die Hinterbliebenen von Hezbullah steht und sich entschuldigt“.
Kollegen, Kunden und Nachbarn spendeten für die Hinterbliebenen
Ganz anders haben sich das fast 20 Mitarbeiter große Aldo’s-Team, die Stammkunden und Nachbarn an der Lohbrügger Landstraße ins Zeug geworfen: Der Chef bezahlte das Begräbnis, alle anderen sammelten für die Familie im fernen Afghanistan. „Dann kamen dort leider die Taliban an die Macht, und alle Ausreisepläne scheiterten“, berichtet Rohan Kapoor. „Vor zwei Monaten ist dann seine Mutter gestorben, und auch der Vater ist schwer krank. Das Grab auf dem Öjendorfer Friedhof wird wohl keiner seiner geliebten Familie jemals besuchen.“
Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigte Oberstaatsanwältin Mia Sperling-Carstens am Montag, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Mercedes-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung noch immer nicht abgeschlossen ist. Zu den Hintergründen konnte sie nichts sagen.
Polizei Bergedorf stuft Lohbrügger Landstraße nicht als Raserstrecke ein
Die Polizei hat die nach dem Unfall angekündigten Geschwindigkeitsmessungen auf der vermeintlichen Raserstrecken Lohbrügger Landstraße abgeschlossen. Ergebnis laut Sprecher Florian Abbenseth: „Handlungsbedarf zur Steigerung der Verkehrssicherheit ließ sich daraus nicht ableiten. Nur acht von 858 gemessenen Fahrzeugen waren zu schnell. Das sind gerade mal 0,93 Prozent.“
Für das Team und die Stammkunden von Aldo’s Pizzeria sind das alles keine guten Nachrichten. „Wir wollen Gerechtigkeit für Hezbullah“, sagt Rohan Kapoor, der heute die kleine Gedenkstätte am Zaun schräg gegenüber dem Restaurant mit frischen Blumen und Kerzen schmückt. „Mehr können wir für diesen wunderbaren Menschen leider nicht mehr tun.“