Hamburg. “Hamburg werbefrei“ fordert die Stadt auf, Reklame zu verbieten und so auf Werbeeinnahmen von rund 30 Millionen Euro zu verzichten.
Es blinkt, rollt und leuchtet – vor allem aber schreit es: „Kauf mich!“ Man muss nicht besonders aufmerksam durch die Stadt laufen, um ständig von Werbetafeln daran erinnert zu werden, dass wir in einer Konsumgesellschaft leben.
„Wir haben allein in den ersten zehn Minuten sechs Unterschriften bekommen“, freuen sich Jonas Mirbach und Martin Weise auf dem Bergedorfer Bahnhofsvorplatz. Sie sammeln für die Initiative „Hamburg werbefrei“ und wollen bis zum 22. Oktober 10.000 gültige Unterschrift haben.
Initiative will digitale Werbung aus Bergedorf verbannen
„Es nervt dermaßen, ist hell und frisst Energie.“ Diese Worte hören die beiden besonders häufig. Das gilt etwa für die digitalen Werbungen, die zwei Quadratmeter groß an Bushaltestellen hängen. „Die brauchen 15.000 Kilowattstunden im Jahr, also so viel wie zehn Einpersonenhaushalte“, errechnete Martin Weise. Der Pflegeassistent aus Wilhelmsburg tourt mit knapp zehn Aktiven durch die Bezirke und erläutert die Zahlen. „Aktuell gibt es mehr als 4000 Monitore, Drehsäulen und Plakatanlagen in der Stadt, vor zehn Jahren waren es erst 1000“, sagt der 37-Jährige.
Dass es auch in Bergedorf immer mehr werden, bestätigt Sozialarbeiter Jonas Mirbach, der hier groß wurde, die Bergedorfer Gesamtschule besuchte: „Gerade rund um Kaufland und den Busbahnhof fällt das extrem auf“, meint der 36-Jährige, der die „Durchkommerzialisierung des öffentlichen Raums“ kritisiert. Die Argumente der Initiative sind deutlich: Werbung produziert Müll, verbraucht Strom, gefährdet den Verkehr und transportiert nicht selten problematische Inhalte. So wird in Bergedorf etwa gerade für Wodka geworben, was für Süchtige schwierig sein kann. Auch viel zu schlanke Frauen, Billigflieger und SUV-Autos sind bei der Initiative nicht gern gesehen.
Hamburg soll auf Werbeeinnahmen in Millionenhöhe verzichten
„Niemand hat uns gefragt, ob wir das wollen“, mahnt die Initiative, die darauf setzt, dass die Hansestadt künftig auf die Werbeeinnahmen von zuletzt etwa 27 Millionen Euro verzichtet. „Das sind gerade mal 0,15 Prozent des Haushaltes“, errechnete Martin Weise.
Unterdessen hatte Die Linke eine Kleine Anfrage an den Senat gestellt und erfuhr, dass in diesem Jahr sogar mit Werbeeinnahmen von 32 Millionen Euro gerechnet werde. Es handele sich um ein „für den Gesamthaushalt unverzichtbares Einnahmevolumen“. Zusätzlich, so die Senatsantwort, „werden die Kosten für Investition und Betrieb der Fahrgastunterstände in Hamburg von einem der Außenwerbeunternehmen finanziert“.
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Problem: Werbung auf Privatgrund kann man nicht verbieten
Diese Antwort mag die Initiative so nicht akzeptieren: Nach Berliner Vorbild wurde nun auch Hamburgs Landeswahlleiter ein Entwurf für ein Werberegulierungsgesetz vorgelegt. Demnach sollen digitale Werbetafeln komplett abgeschafft werden. Zudem alle Werbung mit Hintergrundbeleuchtung, die die ganze Nacht durch leuchtet und rotiert.
Wobei klar bleibt: „Auf Privatgrund, also in S-Bahnen und in Einkaufszentren, wird man diese Werbung nicht verbieten können“, weiß Jonas Mirbach. Auch Plakate im Format bis DIN A0 sollen weiterhin an Litfaßsäulen und Bushaltestellen erlaubt sein – wenn sie zur Hälfte nichtkommerzielle Informationen enthalten, also etwa auf kulturelle Veranstaltungen hinweisen.
Um das Ziel zu erreichen, ist ein Volksbegehren geplant
Die Initiative hofft, zunächst von den Linken, von Greenpeace und dem Nabu unterstützt zu werden. Aber auch private Mitstreiter aus Bergedorf und anderen Bezirken können sich unter www.hamburg-werbefrei.de melden, denn großes Engagement ist gefragt: „Der Senat könnte gern unseren Gesetzesentwurf annehmen.
Ansonsten wollen wir die zweite Stufe angehen und innerhalb von drei Wochen 70.000 Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln“, sagt Martin Weise, der anschließend einen Volksentscheid im Blick hat – zur Europawahl 2024.