Bergedorf. Stadtteilmütter helfen Menschen mit geringen Sprachkenntnissen, sich zurechtzufinden. Auch Männer können sich ausbilden lassen.
Diese 13 Frauen können sich gut in diejenigen hineinversetzen, die plötzlich nach Deutschland kommen, sei es aufgrund von Kriegen oder der totalen Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat. Und dann stehen diese Menschen ohne jedwede Sprachkenntnisse vor den Türen von Behörden, Zulassungsstellen und dergleichen und fragen sich beispielsweise: Wie und wo melde ich mein Kind bei der Schule an? Wie finde ich schnellstens einen Zahnarzt? Und wie werde ich meine Fragen beim Elternabend los?
Doch gibt es Hilfe vor einer möglichen Verzweiflung. Sie kommt von 13 Frauen mit Migrationshintergrund, die 13 verschiedene „Herzenssprachen“ – von Portugiesisch über Polnisch bis hin zu Farsi und Kula – sprechen und sich jetzt zertifizierte Stadtteileltern nennen dürfen. Die jüngste Stadtteilmutter ist 25, die älteste 55 Jahre alt. Diese Frauen sind nun stolze, offiziell zertifizierte Stadtteilmütter.
Stadtteilmütter können sprachlich vermitteln, ihre Erfahrungen weitergeben
So wie zum Beispiel Souad Rezek: Die 39-jährige Ägypterin (Muttersprache: Arabisch) lebt seit drei Jahren in Bergedorf-West, kam bereits 2012 nach Deutschland. Jetzt kann die Nordafrikanerin in bestem Deutsch sagen: „Kontakt mit anderen Migranten-Frauen zu haben, ihnen helfen zu können und meine Erfahrungen weiterzugeben, bedeutet mir unheimlich viel.“ Sie will künftig vor allem bei Anmeldungen von Kindern in der Kita oder Schule, aber auch beim Übersetzen von behördlichen Schreiben helfen und unterstützen. Souad Rezek ist aber ehrgeizig, möchte ihre „Umgebungssprache“ Deutsch im kommenden Jahr weiter verbessern.
Solche Frauen und auch Männer sind bei dieser Nachbarschaftshilfe gern gesehen. In 90 Unterrichtsstunden von Januar bis Ende April haben Rezek und ihre Mitstreiterinnen „richtig viel gelernt“, findet Claudia Brillinger, Projektkoordinatorin Stadtteileltern Bergedorf-West im Auftrag der Elbkinder Kita Friedrich-Frank-Bogen. Dabei ging es nicht nur um rechtliche, gesundheitliche, soziale Fragen, sondern auch darum, was ehrenamtliche Arbeit eigentlich heißt. Spezielles Augenmerk wurde auch auf Ernährung und Bewegung gelegt. Nicht nur in Kleingruppen, Souad und ihre Kolleginnen stellten auch Situationen in Rollenspielen nach. Claudia Brillingers Fazit fällt positiv aus: „Ich bin froh, dass alle Frauen dabeigeblieben sind.“
68 aktive Stadtteilmütter in Bergedorf-West, Neuallermöhe und Lohbrügge
Eines sind die Stadtteileltern aber generell nicht: allwissend. Doch ebenso klar ist, dass es gibt immer die Chance auf eine Hilfe gibt: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, vermittele ich einfach an jemanden weiter, der es besser weiß“, wird sich nicht nur Souad Rezek zukünftig behelfen.
Damit steigt die Anzahl der aktiven Stadtteilmütter, einer Initiative von Sprungbrett e.V. in den Stadtteilen Bergedorf-West, Neuallermöhe und Lohbrügge auf 68. „Das Projekt reduziert sich nicht nur auf Mütter“, sagt Koordinatorin Brillinger, „wir öffnen auch für Männer.“ Derzeit lassen sich zwei Männer in Neuallermöhe und Lohbrügge als Stadtteilväter ausbilden. Auf sprungbrett-bergedorf.de finden sich weitere Infos zum Thema unter dem Button „Aufgaben+Projekte“.