Bergedorf. Die Bürgerausstellung von Andrea Cziesso „Schneidermeister Kaehne, die Oma, Mutti und ich“ bietet Besonderes – so wie ein Gebiss.

Schon erstaunlich, was bei der Auflösung des Elternhauses in Kirchwerder herauskam: „Als wir aufräumten, fand ich heraus, dass es in jeder der letzten vier Generationen meiner Familie jemanden gab, der das Schneiderhandwerk ausübte“, staunte Andrea Cziesso nicht schlecht. Als da wären: Urgroßvater Gustav Kaehne war Schneidermeister, Oma Anna Rabens Herrenschneiderin, Mutter Marga Cziesso Damenschneiderin und Andrea Cziesso höchstselbst nun studierte Kostümbildnerin.

„Schneidermeister Kaehne, die Oma, Mutti und ich“: Die neue Bürgerausstellung im Bergedorfer Schloss, die am Freitag, 29. April, um 17 Uhr eröffnet wird und bis zum 7. August zu sehen ist, wird in mehrfacher Hinsicht besonders. Nicht nur, weil sie eine Familiengeschichte mitten aus den Vier- und Marschlanden erzählt, sondern auch, weil sie die künstlerische Spannweite einer in der Region bekannten Frau präsentiert. Darüber hinaus wird auch eine kleine Handwerksgeschichte angerissen aus einem im Jahr 1900 erbauten Einfamilienhaus am Kirchwerder Elbdeich 153, wo vor nunmehr 122 Jahren Gustav Kaehne seinen Schneiderbetrieb gründete.

Die Ausstellung wird am Freitag, 29. April, um 17 Uhr eröffnet

„Ich wollte es im Schloss ganz anders als sonst machen, weil dieses Wahrzeichen ein besonders geschichtsträchtiger Ort der Bergedorfer Kultur ist“, sagt Andrea Cziesso. Deshalb zeigt sie ihr ganzes Repertoire: auch mit Malerei, Fotografie und ausgesuchten Gegenständen, die zu den Kaehnes, Rabens und Cziessos passen. Das kann eine Uralt-Nähmaschine sein. Oder auch das Muster-Stoffstück von ihrer Mama Marga, „wo alle Techniken draufgenäht wurden“, weiß die Tochter.

Die 61-Jährige hat rund 60 Ausstellungsstücke ausgesucht, die dieses eine Mal der Öffentlichkeit gezeigt werden und dann in einer Holztruhe verschwinden sollen – eine Art des endgültigen Abschiednehmens vom Elternhaus. Initiiert wurde diese Auswahl im Schloss durch das Leerräumen des Elternhauses im Jahr 2017, nachdem der Vater ein Jahr zuvor – sechs Jahre nach der Mutter – verstorben war. Zunächst stellte Andrea Cziesso aus den Erinnerungsstücken ein Buch für ihre Schwester Inga Bendschneider zusammen, Tischlereiunternehmerin vom Süderquerweg. „Mit dem Tod des Vaters ging für meine Schwester und mich ein Lebensabschnitt zu Ende“, verrät Cziesso, „wieder ist eine Generation verschwunden. Wir sind nun die Ältesten in unserer Familie.“

Sogar einen Zopf von Mutter Marga gibt es zu sehen

Doch der alte Hausstand enthielt noch vieles mehr: Feldpostbriefe, Heiratsurkunden, Sterbeanzeigen, Einschulungsfotos, einen Briefwechsel zwischen den Eltern. Und sogar einen Zopf von Mutter Marga. Damit ließe sich doch mehr erzählen – doch wie es darstellen? Zum Beispiel mit Objektkästen und Erklärungen: Andrea Cziesso hat solch einen Kasten aus den Sachen aus dem Krankenzimmer ihres Vaters zusammengestellt. Mit Hörgerät, Gebiss, einer letzten Zigarette der Marke Ernte 23.

Sie kreierte nach und nach Stillleben zu jedem Familienmitglied, fotografierte es für den Kasten und hängte einen persönlichen Text dazu sowie ein Foto des Verwandten. So funktionierte bereits das Buch. Das Konzept hat Andrea Cziesso nun erneut an einer Wand im Schloss angewandt.

Fünf Jahre lang als Kostümbildnerin gearbeitet

Was es sonst noch so gibt? Einen Stammbaum aus alten Taschentüchern mit Konterfei und eingestickten Lebensdaten zum Beispiel. Oder einen ganzen Raum an Schwarz-Weiß-Bildern für „Schneider-Urvater“ Kaehne. Selbstverständlich erfährt der Besucher auch etwas über die ausstellende Künstlerin, die nach ihrer Lehrzeit an einer Hamburger Fachhochschule fünf Jahre in ihrem Beruf als Kostümbildnerin arbeitete, später dann übrigens auch in der Druckerei Zollenspieker. Witzig und sehenswert ist beispielsweise eine Aufnahme aus ihrer Zeit als Freiberuflerin, die Andrea Cziesso mit Kolleginnen in Kitschmoden-Outfits zeigt. „Nach dem Studium war es nicht so leicht, Jobs zu finden“, erinnert sie sich an den Schnappschuss.

„Schneidermeister Kaehne, die Oma, Mutti und ich“ ist zu den üblichen Museums-Öffnungszeiten, dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, zu sehen. Zudem sind drei Rundgänge mit der Künstlerin geplant: am 20. Mai, 18. Juni sowie 22. Juli.