Hamburg. Thunderbird, Corvette, Bel Air – die Chrome Hunters beschaffen und restaurieren Klassiker. Ein Blick in ihre Werkstatt.
Fein geordnet hängen die riesigen Schraubenschlüssel unter den US-Flaggen, daneben die Schubfächer mit Aufschriften für Typenschilder, Rostlöser, Militärlack, Humvee-Rückfahrschalter und Zigarettenanzünderdosen. „Guck bloß nicht auf die Pappen, die das Öl abfangen“, sagt Philipp Brozovic grinsend. Der Mann ist kein Schrauber, der 30-Jährige hat Veranstaltungstechnik gelernt und kam aus dem bayerischen Rosenheim nach Hamburg-Bergedorf, um amerikanische Oldtimer zu verkaufen. Bis zu 20 Wagen, alle mindestens 30 Jahre alt, stehen in der gut 1000 Quadratmeter großen Halle mit Adresse Curslacker Neuer Deich 32 a, Sitz der Chrome Hunters GmbH.
„Wir sind erst seit letztem Sommer hier, vorher haben wir drei Jahre lang bei mir in der Kirchwerder Garage gewerkelt“, sagt Geschäftsfreund und Werkstattleiter Volker Schmidt, der aus einer Rockerfamilie stammt. Seither kommt der Kfz-Mechaniker nicht mehr dazu, an seinem eigenen PontiacStarChief (Baujahr 1957) zu schrauben, der es künftig auf 400 PS bringen soll, um die German RaceWars in Eisenach zu bestehen: „Die Nachfrage ist riesig, wir haben viel zu tun“, sagt der 39-Jährige und freut sich.
Chrome Hunters: Scouts suchen die Wunschautos in den ganzen USA
Wer etwas Besonderes haben will, gibt seinen Wunsch in Auftrag, damit befreundete Scouts in ganz Amerika nach dem Schätzchen suchen und es am liebsten von einem betagten Ehepaar abkaufen können. Da gab es etwa den silberfarbenen Chrysler aus Ohio. „Der stammt aus den 70ern und hat noch den total abgewitterten Originallack“, schwärmt Volker: „Den Blattfederspriegel müssen wir aber selbst bauen, den gibt es nicht mehr“, sagt der Fachmann, der zuvor zehn Jahre den Tuning Point am Dusiplatz betrieben hat.
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Eine hübsche Seltenheit sei das Oldsmobile vom 1953, dessen Fahrwerk und Motor gerade auf die Reparatur warten. „Mindestens das Doppelte“ werde auch der schwarze Chevrolet Impala (Baujahr 1967) nach seiner Restaurierung wert sein. Eine Kundin aus München möchte, dass er genauso wie das Filmauto aus der Mysteryserie „Supernatural“ (erste Staffel 2005) aussehen wird, sogar mit Waffenfächern hinten am Kofferraum. Fraglich, ob sie damit auch Dämonen und Werwölfe jagen will, auf jeden Fall aber will sie sich einen Kindheitstraum erfüllen, wissen die beiden Chrome Hunters mit den stylischen Backenbärten.
Zwei Fahrzeuge an das Bud-Spencer-Museum geliefert
Amerikanische Filme taugen gut als Vorbild, das weiß man auch in einem Berliner Museum, das liebevoll an Bud Spencer und Terrance Hill erinnert: In dem Streifen „Zwei wie Pech und Schwefel“ fahren sie einen Ford Escort MK 1. „Den haben wir für das Museum nachgebaut in rot-weißer Sonderlackierung“, erzählt Volker. Und auch den VW Buggy der beiden Kinohelden baute er nach (extra aufgesägt und verbreitert) und stellt ihn jetzt in Berlin aus.
Übrigens sei die Hälfte ihrer Kunden weiblich – was sie selbst ein bisschen wundert. „Aber Frauen stehen auch auf 50er-Jahre-Cabrio-Cruiser, etwa einen Bel Air oder einen Cadillac von 1957, auch auf den Ford Thunderbird und Hot Rods“, sagt Geschäftsführer Philip und betont: „Nur bis 1960 hatten die Wagen diese geilen Heckflossen, danach wurde es eckiger.“ In den 60ern kamen dann die schnellen und bunten Muscle-Cars wie die Corvette oder der Buick Riviera auf den Markt – gern im Coke-Bottle-Design, also mit einer Wespentaille, wie sie Marilyn Monroe hatte.
Humvee – der Mini-Hummer vom US-Militär
Da trifft es sich übrigens gut, dass mitten in der Autowerkstatt noch ein Nostalgie-Shop ist, in dem Möbel, Kleider und Nähmaschinen aus den 40er- bis 60er-Jahren verkauft werden. Auch Haartrockner, Kühlschränke und Toaster aus dieser Zeit lassen sich hier finden, sogar eine komplette Bar mit Hockern.
Im Mittelpunkt aber stehen alte Autos, und wer die liebt, hat Geduld: Etwa drei Monate dauert die Verschiffung bis nach Bremerhaven. Derzeit sind vier Humvees auf dem Seeweg unterwegs, das ist eine rustikale Version des Geländewagens Hummer, „bloß komplett ohne Ausstattung, die haben nicht mal ein Radio“, feixen die beiden Jungs.
Lackierer in Kroatien erfüllt Sonderwünsche
„Humvees High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle“ ist der richtige Name, kurz: HMMWV – aber meist eben Humvee genannt. Sie stammen aus amerikanischem Militärbestand und wurden meist von Privatleuten auf Auktionen gekauft. „Manche haben noch Granatsplitter im Lack. Die ersten 700 Exemplare wurden 1984 gebaut und bringen es auf bis zu 180 PS“, weiß Philipp, der die fast unkaputtbaren und geländegängigen Fahrzeuge (etwa 90 Zentimeter hohe Reifen sorgen für 40 Zentimeter Bodenfreiheit) für 25.000 bis 60.000 Euro verkauft: „Sie sind sehr beliebt für Privatgelände bei Bauern oder im Tierpark. Vielleicht weil sie laut sind und klappern wie ein Trecker.“
Philip selbst indes hat es lieber galanter: Er fährt einen 32er-Ford Window Coupé und ist damit gern in Kroatien unterwegs. Nicht nur, weil er dort familiäre Wurzeln hat, sondern auch, weil dort ein Sandstrahlbetrieb sitzt und ein Lackierer, der Sonderaufträge annimmt.
Der US-Markt ist inzwischen so gut wie leer gefegt
Der aktuelle Boom jedenfalls sei gigantisch. Auch alte Vans und Pick-ups (der grüne 67er-Ford F 100 in der Halle hat sogar einen Mustang-Motor) sind stark nachgefragt – allerdings sei der US-Markt inzwischen fast leer gefegt: „Deshalb haben wir uns aufs Restaurieren und Umrüsten verlegt. Das ist auch viel nachhaltiger, wenn 70 Jahre alte Autos noch einmal 70 Jahre lang leben dürfen“, meint Philip, der sich indes zu gern über die scharfen TÜV-Vorgaben aufregt: Der Auspuff darf nicht zu laut sein, nur Felgen mit Prüfzeichen sind erlaubt, dazu kommen tausend andere Vorgaben, um den deutschen Normen zu entsprechen. „Da sind die amerikanischen Jungs mit ihren 100.000-PS-Monstern viel entspannter. Die haben Spaß und cruisen damit sogar durch die Wüste – komplett ohne Kat und Filter.“
Dabei seien ihre deutschen Kunden wesentlich kultivierter: „Das sind nicht nur tätowierte Typen, die Scheiße bauen. Da ist genauso der Politiker dabei oder der bodenständige Zahnarzt, die maximal 500 Kilometer im Jahr fahren, zu einem oder zwei Oldtimer-Treffen.“ Schließlich ist Deutschland nicht gerade das Land der unendlichen Freiheit und Highways.