Hamburg. Uwe Wehling hat 40 Jahre lang die Geschicke der Gewässer in Bergedorf betreut. Nun geht er in den Ruhestand. Warum er sich sorgt.

Alles fließt – selbst die Zeit bei der Wasserwirtschaft: Genau 40 Jahre und fünf Monate lang hat Uwe Wehling die Geschicke der Gewässer in Bergedorf betreut. Zum Jahreswechsel geht der 66-Jährige in den Ruhestand – und hat noch viel vor.

Wer hat schon einen ganzen ­Ordner voller „Uferrandstreifen“? Auch „Schöpfwerk Schleusenhörn“ und „Gewässerunterhaltungsprogramm“ steht auf den Akten in seinem Büro am Kampweg.

Jedenfalls war er immer schon ein Fan von Aktenordnern, wollte unbedingt Beamter werden: „In meiner Familie waren Schuhfabri­kateure in dritter Generation, und ich musste zusehen, wie von den einst 300 Angestellten nicht mehr viele übrig blieben“, erklärt er seine Abneigung zum Unternehmer-Risiko. Damals, im 4000-Seelen-Dorf Nortorf, freute er sich eher auf die Ausflüge mit seinem Vater zum Nord-Ostesee-Kanal: Vielleicht wurde beim Angeln seine Liebe zum Wasser erweckt.

Uwe Wehling ging nach dem Examen gleich nach Bergedorf

Nach dem Rendsburger Gymnasium ging es nach Eckernförde, wo Bauingenieurswesen an der Fachhochschule gelehrt wurde. „Für meine Examensarbeit konstruierte ich ein Wasserwerk für 20.000 Einwohner, musste Bedarfe berechnen, die Grundwasserentnahme und die Pumpen für die Kanalanlagen“, erinnert er sich.

Mit seiner Ehefrau ging es dann nach Hamburg, direkt zur Wasserwirtschaft am Kurfürstendeich. Zunächst teilte ihn Ortsamtsleiter Helmut Gutsch für die Deichunterhaltung und die Hochwasserschutzanlagen ein, drei Jahre später durfte Uwe Wehling neue Stauwehre und Uferwände entwerfen.

Auch beim Bau der Fleete in Neuallermöhe machte er mit – allerdings nach den Vorgaben der Baubehörde: „Die sind überdimensioniert und mit 1,50 Metern viel zu tief, sodass sich Grundwasser mitmischt, das Wasser stark eisenhaltig wird“, kritisiert er.

Man müsse viel mehr Pumpwerke bauen, erklärt der Fachmann

Zu den großen Projekten der 80-er und 90er-Jahre zählte auch das Gewerbegebiet Allermöhe mit seinen Treppenanlagen, Stegen und Staubauwerken. „Eigentlich lebt ganz Bergedorf weitgehend in Poldern. Es liegt so tief, dass es nur über Pumpwerke geht“, weiß der Mann, der in Nettelnburg lebt: „Meine Haustür liegt bei Plus-Minus-Null. Ohne den Deich hätten wir bei einem mittleren Tidehochwasser der Elbe von 2,50 Metern täglich die Bude nass.“

Überhaupt müsse man viel mehr Pumpwerke bauen, um bei Stark­regen und Sturmfluten eine ausreichende Entwässerung zu haben, erklärt der Fachmann: „Sonst steigt der Schleusengraben, steigt die Obere Bille, kann das Wasser über den Schlossteich auch die City überfluten. Das wäre der Super-GAU, und eigentlich haben wir bislang bloß Glück gehabt.“

„Die Umweltbehörde braucht einfach zu lange“

Hoffen, dass aus Bundesmitteln das Schöpfwerk erneuert wird: Ex-Bezirksamtsleiter Arne Dornquast (v.l.), Uwe Wehling sowie die SPD-Politiker Metin Hakverdi Laura Wohnrath und Katja Kramer.
Hoffen, dass aus Bundesmitteln das Schöpfwerk erneuert wird: Ex-Bezirksamtsleiter Arne Dornquast (v.l.), Uwe Wehling sowie die SPD-Politiker Metin Hakverdi Laura Wohnrath und Katja Kramer. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

Das Thema mache ihm ein bisschen Angst, weil alles so lange dauert, bereits 2007 Konzepte erdacht wurden.

„Aber weil am Neuengammer Hausdeich keiner sein Grundstück verkaufen will, braucht es Alternativen: Wir müssen am Nadelöhr der Tatenberger Schleuse und an der Dove-Elbe je ein Schöpfwerk bauen. Dafür hat der Bund bereits vor einem Jahr 10,6 Millionen Euro gegeben. Das Geld ist bis 2025 verfügbar, aber die Umweltbehörde will bis 2027 planen, das sind bitteschön noch sechs Jahre.“

Und so schaut Uwe Wehling doch ein bisschen ärgerlich zurück, da „ich den Binnenhochwasserschutz nicht erfolgreich vorangebracht habe. Das tut mir sehr leid, das ist bedauerlich. Das war am Schluss mein wichtigster und dickster Brocken.“

Umweltbehörde sieht nicht die Wasser-Situation in Bergedorf

Denn die Politik erkenne wohl die Notwendigkeit, nicht aber Hamburgs Umweltbehörde: „Die sehen nicht die echte Betroffenheit in Bergedorf.“ Wenigstens ist Hoffnung in Sicht, denn im Verwaltungsausschuss für den Hochwasserschutz will die Behörde künftig auch der Vorsitzenden des Regionalausschusses, Stephanie Pelch (CDU), Gehör verschaffen.

Doch Uwe Wehling ist nicht milde zu stimmen, es könnte alles noch schlimmer kommen – mit dem Bau des neuen Stadtteils Oberbillwerder: „Da werden noch mehr Menschen im Polder wohnen. Aber wer bauen will, muss auch für Sicherheit sorgen.

Um Oberbillwerder trocken zu halten, müssten das Schöpfwerk ertüchtigt werden

Neuallermöher Fleete werden mit einem neuartigen Amphibienboot gemäht, die Uferböschung und der Grund von Pflanzen befreit.
Neuallermöher Fleete werden mit einem neuartigen Amphibienboot gemäht, die Uferböschung und der Grund von Pflanzen befreit. © NEWS & ART | Carsten Neff

Wenn die offene Oberflächenentwässerung an die bestehenden Fleete angeschlossen wird, muss das Schöpfwerk Allermöhe ertüchtigt werden“, warnt der Bauingenieur.

Der Kampf um Freiflächen sei längst entbrannt, denn allein sein Rückblick auf 40 Jahre zeige, dass „inzwischen ein Drittel von Fünfhausen bebaut ist, Kirchwerder massiv verdichtet wurde und in Alten- und Neuengamme die Häuser schon in zweiter und dritter Reihe stehen“.

Immerhin habe man die Schalttechnik in 19 Schöpfwerken modernisieren können – samt zentraler Steuerung und einem 24-Stunden-Bereitschaftsdienst. Dafür sorgt sein 20-köpfiges Team inklusive Handwerkern, vier Pumpenmeistern, zwei Gewässerwarten und einem Deichwart.

Am östlichen Schleusengraben soll eine verbreiterte Wasserwechselzone entstehen

Zuletzt freuten sie sich über die 670.000 Euro teure Grundinstandsetzung der rissigen Uferwände am Schiffswasser – und immer wieder über die „naturnahe Gewässerunterhaltung“: Das heißt, dass ein Uferstreifen stehenbleibt, in dem sich Insekten und Vögel wohlfühlen – und die Gräben trotzdem nicht verkrauten.

So soll es auch am östlichen Schleusengraben sein, der 2022 in Höhe des Schilfparks eine verbreiterte Wasserwechselzone bekommt: Auf gut 300 Metern wird die Kante abgeflacht, zum Schutz für Kleinfische.

„Wir haben ökologisch viel erreicht, das hat Spaß gemacht“, zieht Uwe Wehling Bilanz. Denn in der Wasserwirtschaft gehe es nicht nur um Konsum und Verbrauch: „Das hat was mit Natur zu tun und ist zu jedem Zeitpunkt sinnvoll.“

Nachfolger von Uwe Wehling wird Knut Larsen

Die schöne Arbeit auch mit den geliebten Aktenordnern überlässt er nun seinem Nachfolger Knut Larsen, während es Uwe Wehling auch weiterhin raus in die Natur zieht – ob im Familien-Camper oder auf dem Rad, mit dem er Lang­strecken bis Süddeutschland plant.

Nicht zuletzt liebt er das Mittelmeer und büffelt gerade eifrig Spanisch-Vokabeln. Als zweifacher Vater und fünffacher Opa wird sich der Ruheständler bestimmt nicht langweilen. Zudem spielt er noch Gitarre in seiner Band „Pumpwerk“, die anfangs im Schöpfwerk Reitbrook probte. „Zuletzt gaben wir ein Benefizkonzert für die Kinderkrebshilfe.“