Hamburg/Schwarzenbek. Die Gerüchteküche um die Standorte in Bergedorf und Schwarzenbek brodelt. Wird einer geschlossen? Mitarbeiter sind verunsichert.
Die Gerüchteküche brodelt. Schließt die Hauni die Universelle in Schwarzenbek? Umgekehrt heißt es in Bergedorf, der nach dem Unfallkrankenhaus Boberg mit deutlich über 1000 Mitarbeitern zweitgrößte Arbeitgeber plane, dem Bezirk den Rücken zu kehren, um eine Fabrik auf der grünen Wiese zu bauen. Es ist manches im Gespräch, aber entschieden ist nichts: Bis April 2022 könnten grundsätzliche Entscheidungen fallen, sagt der Hauni-Betriebsrat.
„Unsere Kollegen werden die ersten sein, die Neuigkeiten erfahren, wenn wir etwas zu einer Standortentscheidung wissen“, versichert Uwe Zebrowski. Der Vorsitzende des Hauni-Betriebsrates steht zugleich auch dem jüngst neu gegründeten Gesamtbetriebsrat vor. Unter dem Dach der Hauni GmbH sind vormalige Töchter der Körber-Tabaksparte zu einem Unternehmen zusammengefasst worden, darunter die Universelle in Schwarzenbek wie auch die Anlagenbauer der Primary und Baltic in Bergedorf. Dies, wie auch der deutlich offenere Umgang der Hauni-Leitung mit eigenen Überlegungen, befeuert ungewollt die Gerüchteküche.
Hauni will erst organisatorische Fragen klären
„Über Jahrzehnte haben die nur hinter verschlossenen Türen geplant, da wird man misstrauisch, wenn plötzlich alles Mögliche im firmeneigenen Intranet steht“, sagt ein Haunist. Eine Kollegin pflichtet bei: „Das hat es früher nicht gegeben, dass wir über Pläne der Firmenchefs informiert werden.“
Die Ankündigung, mit politisch Verantwortlichen reden zu wollen, hat in Bergedorf und Schwarzenbek die Furcht genährt, die Entscheidung über den Standort für die „Fabrik der Zukunft“ sei längst gefallen. „Der Begriff meint ein neues Konzept, das Ergebnis der notwendigen Transformation“, stellt Uwe Zebrowski klar. Erst im zweiten Schritt gehe es um die Frage, welche baulichen Voraussetzungen geschaffen werden müssten, bestätigt sein Vertreter Bernd Arend. „Bevor darüber und über Standorte entschieden werden kann, muss eine Vielzahl organisatorischer Fragen geklärt werden.“
600 Hauni-Mitarbeiter scheiden bis Ende 2024 aus
„Die Konzentration an einem Standort ist ebenso denkbar wie die Fortführung an den bestehenden“, sagt Zebrowski. Immer wieder aufflammenden Gerüchten, dass sich die Unternehmensleitung längst für einen Neubau auf der grünen Wiese entschieden habe, widerspricht er.
Auch er weiß von Vorbehalten in Bergedorf gegen Ideen, neue Produktionsstätten südlich der Kurt-A.-Körber-Chaussee auf dem firmeneigenen Parkplatz zu planen. „Bergedorf ist die Keimzelle der Hauni und damit des gesamten Körberkonzerns.“ Für den Betriebsrat kaum vorstellbar, dass politisch Verantwortliche den Zorn der Belegschaft und vieler Bergedorfer riskieren, sollte das Unternehmen aus dem Bezirk gedrängt werden.
Ausreichend Platz für eine „Fabrik der Zukunft“ bestehe auch auf dem Hauni-Werksgelände: „Wo früher 4000 Menschen gearbeitet haben, ist locker Platz für 1610“, ist Zebrowski überzeugt. Diese Mitarbeiterzahl ist in einem Zukunftstarifvertrag festgeschrieben, ebenso der Umbau des Unternehmens – unter aktiver Beteiligung der Arbeitnehmervertreter. Entlassungen wurden abgewendet, gut 600 Mitarbeiter scheiden bis Ende 2024 mit Abfindungen, über Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeit aus.
Hauni will in Hamburgs Osten „Fabrik der Zukunft bauen“
Wie die Fabrik der Zukunft aussehen soll, ist derzeit noch in Arbeit. Wo sie entstehen soll, treibt derzeit viele Mitarbeiter der Hauni-Gruppe um, in Bergedorf und Schwarzenbek. Drei Dinge sind bereits klar: Das Management hat, wie angekündigt, Gespräche mit den politisch Verantwortlichen vor Ort aufgenommen. Zweitens: Als Standort kommt nach Vereinbarung zwischen Hauni-Führung und Arbeitnehmervertretern nur der Hamburger Osten infrage. Drittens: Die neue, enge Zusammenarbeit beider Seiten ist jüngst gewürdigt worden: Der Betriebsrat wurde vor wenigen Tagen mit dem Betriebsratspreis in Gold ausgezeichnet. Das Projekt „Wir bauen die Fabrik der Zukunft – Der Hauni-Weg“ hat überzeugt.
In Schwarzenbek halten sich politisch Verantwortliche mit Äußerungen zurück. Niemand will die Gespräche mit einem der größten Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler der Region gefährden. Über viele Jahre hat die hier ansässige Universelle großen Anteil daran gehabt, die wirtschaftliche Lage des Zigarettenmaschinen-Herstellers Hauni auch in schwierigen Zeiten zu stabilisieren. Die Instandsetzung und Modernisierung der überaus hochwertigen Maschinen hat das Auf und Ab im Neubausektor lange Zeit ausgeglichen.
Abwanderung aus Schwarzenbek würde Loch in Stadtkasse reißen
Als jedoch auch das Rebuild-Geschäft schwächelte, traf dies Schwarzenbek hart, fehlten doch von einem auf das nächste Jahr Gewerbesteuereinnahmen in siebenstelliger Höhe. Zu aktuellen Zahlen wird Zurückhaltung geübt. Hartmut Hintze (FDP), Vorsitzender des Schwarzenbeker Finanzausschusses, verweist auf den Datenschutz. „Im Grundsatz lässt sich jedoch konstatieren, dass jeglicher Abzug von Wirtschaftskraft aus Schwarzenbek sehr zu bedauern ist.“ Ein Abwandern der Universelle aus Schwarzenbek würde große Löcher in die Stadtkasse reißen.
Konstruktive und vertrauensvolle Gespräche bestätigt Schwarzenbeks Bürgermeister Norbert Lütjens. „Ich weiß dies sehr zu schätzen, wir haben alle großes Interesse, das Unternehmen in der Region zu halten.“ Die Hauni zähle zu den drei größten Arbeitgebern in Schwarzenbek. „Das bedeutet nicht nur Gewerbesteuereinnahmen“, es wirke sich auch positiv auf die örtliche Wirtschaft und den Einzelhandel aus, so der Bürgermeister.
Hauni-Mangement würdigt Auszeichnung des Betriebsrates
Die Hauni gehe verantwortungsvoll mit der Situation um, lobt Lütjens. „Das Unternehmen hat sowohl seine Mitarbeiter im Blick wie auch seine Bedeutung für die Region.“ Zur Wahrheit gehöre aber auch: „Das muss sich für das Unternehmen rechnen.“
Der Abbau von rund 600 Stellen über Abfindungen, Vorruhestand und Altersteilzeit in der Hauni-Gruppe soll Ende 2024 abgeschlossen sein. „Spätestens dann sollte auch klar sein, wo die Fabrik der Zukunft entsteht“, sagt Bernd Arend, Vize-Vorsitzender des Hauni-Betriebsrates. Für ihr erfolgreiches Eintreten gegen Outsourcing, Schließung und Verlagerung der Produktion ins Ausland wurde die Arbeitnehmervertretung gerade mit dem Deutschen Betriebsräte-Preis in Gold ausgezeichnet.
Für die Arbeitnehmervertreter eine Bestätigung, sagt Betriebsratschef Uwe Zebrowski: „Den alten Trampelpfad des Arbeitgebers haben wir hinter uns gelassen. Es gilt nun, die Zukunft gemeinsam zu gestalten und langfristig die Stammbelegschaft zu sichern.“ Zu den geänderten Umgangsformen gehört auch, dass das Hauni-Management die Auszeichnung des Betriebsrates im firmeneigenen Intranet ausführlich würdigt.