Hamburg. Mit einer Handkreissäge hatte sich der Handwerker einige Finger abgetrennt. Im BG Klinikum Boberg fand er eine neue Perspektive.

Manchmal sind es Winzigkeiten, die ein Leben nachhaltig verändern können. Eine Milli­sekunde, in der etwas zu früh oder zu spät geschieht. Ein kleiner Fehler zur falschen Zeit. In Dominik Webers Fall ist ein winziges Astloch der Grund dafür, dass der 29-Jährige sein Leben komplett umkrempeln musste.

Es war der 20. Februar 2018. Der Hamburger, der nach einer Umschulung als Monteur für Schwedenhäuser arbeitete, werkelte auf einer Baustelle in Lauenburg. „Ich wollte eine Dachlatte sägen – so wie ich schon hunderttausend Mal eine Dachlatte gesägt habe.“ Nur, dass diesmal nicht alles glatt ging. Als der Monteur mit der Handkreissäge das Brett zuschnitt, stieß das Werkzeug auf ein winziges Astloch.

Die Säge versprang - und das Schicksal nahm seinen Lauf

Die Säge versprang minimal – und erfasste Dominik Webers linke Hand. Teile des Zeige-, des Mittel- und des Ringfingers wurden abgetrennt; auch der kleine Finger wurde angesägt. Er hat schwere Verletzungen an Knochen, Sehnen, Bändern, Nerven und Gefäßen. Schmerzen spürte Dominik Weber zunächst aber kaum: „Man steht unter Schock.“ Binnen Minuten war der Rettungswagen da – und brachte Dominik Weber ins BG Klinikum Boberg. Mitsamt der abgetrennten Finger.

Ein Glücksfall. Denn die Hand­chirurgie der Boberger Klinik gilt als bundesweit führend. Bereits 1963 wurde hier unter Professor Dr. Dieter Buck-Gramcko eine Fachabteilung für Handchirurgie eingerichtet. Bis heute genießt sie einen hervorragenden Ruf: Hier wird mit Mikrochirurgie gearbeitet, bei der kleinste Gefäße verbunden werden können. Chefarzt Klaus-Dieter Rudolf steht regelmäßig auf der Focus-Bestenliste deutscher Ärzte.

Als Monteur konnte er nach dem Unfall nicht mehr arbeiten

Auch Dominik Weber konnte geholfen werden. Das bedeutete jedoch einen langen Krankenhausaufenthalt. Da die Schnitte sehr tief waren, musste abgestorbenes Gewebe entfernt werden. Um neues Gewebe aufzubauen, wurde Dominik Weber die Hand an den Bauch genäht.

„Ein bisschen Science-Fiction“, sagt der 29-Jährige mit Galgenhumor. Regelmäßig wurde auch die Temperatur an den angenähten Fingern gemessen, um zu sehen, ob die Hand sie wieder „annimmt“.

Schnell wurde klar: Die Finger können zwar gerettet werden. Jedoch wird an den Mittel- und Endgelenken eine Bewegungseinschränkung bleiben. Zu viel, um wieder als Monteur zu arbeiten. Dominik Weber: „Das war am Anfang Herzschmerz: Ich habe das gerne gemacht.“

Als Monteur für Schwedenhäuser kam er in Deutschland und auch in Österreich herum, „und es war toll, wenn man dann mal in einer schönen Ecke arbeiten durfte“. Aus und vorbei.

Den Berufswunsch Ergotherapeut hatte er schon früher

Doch noch in der BG Klinik fand Dominik Weber heraus, welcher Beruf ihm auch gut gefallen würde: Ergotherapeut. Er selbst nahm dort an der Ergotherapie teil, lobt diese „in Qualität und Quantität“. Und er ­erinnerte sich, dass das Wissen, warum wann welche Übung gemacht wird, ihn schon früher interessiert hatte: „Ich wollte mal Ergotherapeut werden – aber damals waren die Ausbildungsgebühren zu hoch.“

Heute absolviert Dominik Weber eine Ausbildung zum Ergotherapeuten an der Döpfer Schule Hamburg gGmbH – und hat sogar im BG Klinikum elf Wochen mitgearbeitet. Chefarzt Dr. Klaus-Dieter Rudolf freut sich für ihn: „Komplexe Handverletzungen sind immer eine Herausforderung für das gesamte Team.

Weber: „Eine Verletzung kann auch eine Chance sein“

Umso schöner ist es zu sehen, dass nach einer solchen Verletzung und 17 Operationen ein funktioneller Zustand hergestellt ist, der eine berufliche Reintegration zulässt.“

Der 29-Jährige spürt bereits, dass er nun einen beruflichen Vorteil hat. „Ich weiß genau, wie sich die Patienten fühlen.“ Mal fällt ihnen im Krankenhaus die Decke auf den Kopf oder sie sind über mangelnde Fortschritte frustriert: All das kennt er. Und kann Mut machen und „zeigen, dass eine Verletzung auch eine Chance sein kann, die einem eine neue Perspektive ermöglicht“.