Hamburg/Lauenburg. Anrufer dirigieren ihre Opfer zur Geldübergabe vor öffentliche Gebäude. Mehrere Fälle in Hamburg und Umgebung bekannt.
Der Fall einer 60-Jährigen aus Altengamme, die um 5000 Euro betrogen wurde, und der Trickdiebstahl in der Wohnung einer 92-jährigen Lauenburgerin zeigen es: Die Täter nehmen gezielt ältere Menschen ins Visier. Die Ideen gehen ihnen dabei nicht aus.
Trends: Angebliche Mitarbeiter von Microsoft und Co. kontakten ihre Opfer mit der Mitteilung, ihr Computer weise Probleme auf, die kostenpflichtig behoben werden müssten. Andere werden mit „Schockanrufen“ traktiert. Sie sollen Kautionen oder Geldstrafen für Verwandte begleichen, um ihnen Haft zu ersparen. Vier- bis fünfstellige Summen werden gefordert. Lassen sich die Senioren darauf ein, rufen manche Täter weiter an, um noch mehr Geld zu ergaunern.
Polizei Hamburg: Frau aus Altengamme fällt auf Trickbetrug rein
In Hamburg werden Betroffene immer häufiger vor öffentliche Gebäude zitiert. Dort übergeben sie Geld oder Wertsachen an angebliche Beamte, die gerade das jeweilige Gericht oder Amt verlassen. Damit, so vermuten die Ermittler, soll in der Übergabesituation der seriöse Anschein verstärkt werden.
Ende September erhielt eine Altengammerin den Anruf einer angeblichen Polizistin. Die behauptete gegenüber der 60-Jährigen, deren Tochter habe bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet. Die Verursacherin sei daraufhin verhaftet worden. Im Verlauf des Telefonats übernahm eine „Staatsanwältin“. Sie erklärte, die Tochter komme nur bei Zahlung von 69.000 Euro Kaution aus der Haft frei.
Die Summe konnte die Vierländerin nicht bezahlen. Sie handelte die Anrufer auf 5000 Euro herunter und lieh sich die Summe. Die Frau übergab das Geld in Hamburg an einen ihr unbekannten Mann.
Frau aus Winterhude wurde vor das Amtsgericht gelockt
Kein Einzelfall: „Für die Übergabe versuchen die Täter, Opfer zu öffentlichen Gebäuden zu dirigieren“, so Polizeisprecher Florian Abbenseth: Zuletzt wurde eine Frau aus Winterhude (74) vor das Amtsgericht Altona gelockt. Sie übergab mehrere Zehntausend Euro und ihren Schmuck an einen angeblichen Kassierer. Auch wenn von vielen „Schockanrufen“ nur wenige glücken, spricht die Statistik für sich: Im Vorjahr verzeichnete Hamburgs Polizei 181 Anzeigen in derartigen Fällen, in acht erbeuteten die Täter knapp 120.000 Euro. Im laufenden Jahr wurden 113 Schockanrufe angezeigt, achtmal waren diese erfolgreich: Bislang wurden bereits 250.000 Euro ergaunert.
Weitaus häufiger wenden Telefonbetrüger die „Einbrechermasche“ an. Hier vermitteln zumeist „Polizeikommissare“, dass bei angeblich festgenommenen Einbrechern sensible Daten gefunden wurden: Die Angerufenen müssten nun ihre Wertsachen in Sicherheit bringen. Für das Jahr 2020 bestätigt die Polizei Hamburg einen angezeigten Schaden von 2,7 Millionen Euro allein durch diesen Trick.
Viele Opfer schämen sich und melden sich nicht bei der Polizei
Von einer sehr hohen Dunkelziffer geht die für die Kreise Herzogtum Lauenburg und Stormarn zuständige Polizeidirektion Ratzeburg aus. Aus Scham zeigten viele Geschädigte Betrügereien nicht an. Andere sind misstrauisch, wenn plötzlich ein „Ober-Hauptkommissar“ mit ihnen spricht. Doch den Gaunern gehen die Ideen weiter nicht aus.
Vergangene Woche fällt Lauenburgerin auf Trickbetrug rein
Erst vergangene Woche haben eine junge Frau und ein Komplize eine 92-jährige Frau in einer Seniorenwohnanlage im Lauenburgischen bestohlen. Während die angebliche Medizinstudentin die Seniorin in ein Gespräch verwickelte, durchsuchte ein Mittäter die Wohnung und erbeutete, wie berichtet, Bargeld und Schmuck. Täter suchten sich gezielt Wohnanlagen für Senioren aus, in denen die Menschen sich selbst versorgten, es keine Eingangskontrollen gebe, so Polizeisprecherin Sandra Kilian.
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Jüngst scheiterte ein sogenannter Schockanrufer an einem Lauenburger Senior, berichtet Jacqueline Fischer. „Dem Mann sollte eine Notlage seiner Tochter vorgetäuscht werden, er so zur Zahlung einer größeren Summe gebracht werden.“ Doch der Mann erkannte den Betrugsversuch. Fischer: „Aus solchen Ereignissen lässt sich auch erkennen, dass unsere Präventionsbemühungen Erfolg haben.“
"Kein einzelner Beamter ist unter dem Notruf erreichbar"
Häufig sind es Details, die aufhorchen lassen. Wenn etwa von angeblichen Polizisten mitgeteilt wird, ein Familienmitglied sitze in Haft und benötige jemanden, der Kaution stellt. „Dann werden schon mal Dienstgrade genannt, die nicht existieren, etwa ein Ober-Hauptkommissar“, so Fischer. „Und Hauptwachtmeister gibt es in der Polizei schon Jahrzehnte nicht mehr.“
Bei Zweifeln bietet der Anrufer dann gern an, er lege jetzt auf, man könne ihn unter 110 zurückrufen. „Den Senioren wird gesagt, sie müssten nicht auflegen, könnten sofort wählen.“ Über ein angebliches Vorzimmer landen sie dann wieder beim Telefonbetrüger. Fischer mahnt: „Kein einzelner Beamter ist unter dem Notruf erreichbar, kein Polizist ruft von der 110 aus an.“