Bergedorf/Augsburg. Rüdiger Weissenhorner hat Sehnsucht nach seiner Frau. Der 63-Jährige bringt wichtige Unterlagen mit nach Augsburg.

Fünf Wochen – so lange war Rüdiger Weissenhorner (63) von seiner Frau Julia noch nie getrennt. Ginge es nach ihm, könnte die Pilgerin, die gerade mit ihrer Freundin Janka Davids von Stade nach Rom wandert, jetzt wieder nach Hause nach Bergedorf kommen. Die Sehnsucht treibt den Ehemann um. Deshalb wird er sich am Wochenende zu ihr auf den Weg machen und einmal durch die Republik bis nach Augsburg fahren, der alten Heimat von Rüdiger Weissenhorner.

Die beiden Pilgerinnen sind nach ihrer bisher längsten Tagesetappe von 35 Kilometern am Freitag in der bayerischen Großstadt am Lech angekommen. Hier erwarten sie Rüdiger Weissenhorner voller Vorfreude. Im Gepäck hat er unter anderem den Ersatz für ihr kaputt gegangenes Zeltgestänge und die Briefwahlunterlagen für die anstehende Bundestagswahl. Auch wenn sie sich momentan aus dem Alltag rausgezogen haben und kaum die Nachrichten verfolgen, „die Abgabe unserer Stimme sehen wir als unsere wichtige Pflicht”, sagt Julia Weissenhorner.

Schon vor 30 Jahren saßen sie zusammen in der alten Studentenkneipe

Zwei Nächte wollen sie in Augsburg, dem einstigen Studienort von Rüdiger Weissenhorner, bleiben. Die alte Studentenkneipe, in der er schon vor 30 Jahren mit seiner Frau saß, gibt es immer noch. Hier wollen sie Freunde treffen und ein wenig das Wiedersehen feiern. „Das wird ein emotionales Wochenende“, sagt Julia Weissenhorner.

Ordensschwester Lieselotte im Kloster in Fremdingen. Hier übernachteten die beiden Wanderinnen.
Ordensschwester Lieselotte im Kloster in Fremdingen. Hier übernachteten die beiden Wanderinnen. © Privat | Privat

Während ihr Ehemann ein bequemes Hotelzimmer bezieht, schlafen die beiden Frauen in der Pilgerherberge St. Jakob mitten in Augsburg für zehn Euro die Nacht. Die Adresse findet sich, wie viele andere auf ihrem Weg, in dem Herbergsverzeichnis des Vereins Via Romea. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Pilgerweg und die einstige Handelsroute von Stade nach Rom bekannter zu machen. Üblicherweise dürfen die Pilger in der Augsburger Herberge nur eine Nacht bleiben, dann müssen sie weiterziehen. Weil die beiden Frauen aber eine besonders weite Anreise hatten, macht der Herbergsvater und Pfarrer der katholischen Gemeinde eine Ausnahme.

In Fremdingen ein ganzes Kloster für sich alleine

Mit vielen anderen Gästen müssen sie die Herbergen aber nicht teilen. In Fremdingen im schwäbischen Landkreis Donau-Ries beispielsweise hatten sie fast ein ganzes Kloster für sich. In dem Dominikanerinnen-Kloster von 1737 leben heute nur noch zwei betagte Nonnen. „Das Kloster ist bekannt für seine Heiltees. In das Rezeptbuch von 1740 durften wir einen Blick werfen“, sagt Julia Weissenhorner.

750 der insgesamt rund 2000 Kilometer Wegstrecke sind sie bereits gegangen, standen vor zwei Tagen am Rand des Kraters Nördlinger Ries. „Vor 15 Millionen Jahren ist hier ein Asteroid eingeschlagen, und man sieht es immer noch. Das ist sehr beeindruckend“, sagt Janka Davids. Die 49-Jährige ist dankbar, dass sie Deutschland nun besser kennenlernen darf. „Das war schon lange ein Wunsch von mir.“ Pflaster gegen Blasen brauchen sie keine mehr. „Wir passen aber auch sehr auf unsere Füße auf und massieren sie jeden Abend“, sagt Janka Davids.

Bis zur Grenze nach Österreich sind es noch 120 Kilometer

Spätestens bis Ende kommender Woche wollen sie die deutsch-österreichische Grenze erreicht haben. 120 Kilometer liegen noch vor ihnen. Dann ist auch Halbzeit. Wenn alles nach Plan läuft, werden sie in sechs weiteren Wochen die restliche Wegstrecke durch Österreich und Norditalien bis nach Rom absolvieren. Dann können beide Ehemänner auch endlich ihre Frauen wieder in ihre Arme schließen.