Hamburg. Das Bergedorfer Familienunternehmen Fahrrad Marcks XXL feiert 75-jähriges Bestehen und eine eigene Erfolgshistorie.

Wer würde eine derartige Fachkraft heutzutage inmitten einer weltweiten Pandemie nicht gut gebrauchen können: Elsbeth Marcks ließ sich es sich Ende der 1940er-Jahre nicht nehmen, für das Geschäft ihres Mannes in die Bahn von Bergedorf nach Hamburg zu steigen. Ziel war ein Großhändler für Fahrradteile. Was sie dort einkaufte: fünf Speichen, zwei Schrauben, ein paar Reifen – so betulich sahen sie aus, die Anfänge des heutigen Fahrrad Marcks XXL vor 75 Jahren.

Fahrrad Marcks XXL in Bergedorf feiert 75. Jubiläum

Tina Hansmann, heutige Geschäftsführern des fast schon galaktisch-großen Geschäfts am Curslacker Neuer Deich 38, staunt über die ersten Schritte ihres Fahrradunternehmens: „Mal eben mit der S-Bahn Ersatzteile holen, das wäre gut. Denn durch Corona herrscht Warenknappheit, explodieren Kosten, gibt es nur mit langen Wartezeiten Ersatzteile oder Neuräder“, sagt die 55-Jährige, die nun in dritter Generation das Geschäft führt. Mittlerweile mit etwa 80 Mitarbeitern in Verkauf, Buchhaltung, Werkstatt, Logistik und mehr auf 1800 Quadratmeter Fläche. Und nachgefragter denn je trotz Corona.

Fahrrad Marcks begann im Jahr 1946 mit gebrauchten Rädern

An der Holtenklinker Straße firmierte der Fahrradexperte 1954 zu „Fahrzeug Marcks“.
An der Holtenklinker Straße firmierte der Fahrradexperte 1954 zu „Fahrzeug Marcks“. © BGDZ | Jan Schubert

Das war damals im Hinterhof der Brunnenstraße, einer unauffälligen Querstraße zur Holtenklinker Straße, wesentlich überschaubarer: Hansmanns Opa Heinrich Marcks eröffnete am 25. März 1946 als Solist sein „Fahrrad Marcks“ auf 50 Quadratmetern – inklusive Mini-Werkstatt. Service war bei Marcks immer gesetzt. Im Sortiment: gebrauchte Räder. „Damals“, hat Tina Hansmann recherchiert, „war das Rad das günstige Transportmittel, um von A nach B zu kommen.“ Zu spüren war aber auch damals schon wie heute die große Leidenschaft für Fahrräder.

Der eigentliche Schmiedemeister Marcks musste im Jahr 1954 expandieren. In der ehemaligen Schlachterei an der Holtenklinker Straße 26 (heutiges Belami) wuchs die Verkauf- und Werkstattfläche auf 250 Quadratmeter an. Auch das Angebot wurde erweitert – nicht nur auf Neuräder, sondern auch Motorroller, Rasenmäher, sogar Nähmaschinen und Babyausstattung. Wegen der motorisierten Artikel prangte dann auch der Schriftzug „Fahrzeug Marcks“ über dem Eingang.

Vor Corona kamen rund 500 Fahrradfans zur Kult-Börse auf dem Parkplatz

Drei Chef-Generationen eng zusammen: Tina Hansmann (v. l.), Heinrich Marcks, Anette und Wilfried Gehrke.
Drei Chef-Generationen eng zusammen: Tina Hansmann (v. l.), Heinrich Marcks, Anette und Wilfried Gehrke. © BGDZ | Jan Schubert

Im Jahr 1978 stieg dann die zweite Generation mit Tochter Anette Gehrke, damals gerade 30 Jahre alt, ins rollende Unternehmen ein. Und mit ihr ging es dann am 5. November 1981 an die aktuelle Adresse, zunächst auf 1000 Quadratmeter, was sich aber kontinuierlich wandelte. Ein Vermächtnis von Gehrke, die Jahr 2004 verstarb, ist die im März 1988 ins Leben gerufene Fahrradbörse. „Die Nachfrage nach gebrauchten Rädern war zu jener Zeit sehr stark“, erinnert sich Tina Hansmann an die Motivation ihrer Mutter, die für die Premiere alles vorbereitete – sogar mit Würstchen- und Crêpes-Stand.

An Letzterem half damals Tochter Tina mit – es kam gerade mal ein Kunde. „Meine Mutter hat es trotzdem durchgezogen“, sagt Tina Hansmann. Vor Corona kamen stets um die 500 Fahrradfans zur Kult-Börse auf dem Parkplatz: „Auf das Comeback warten aktuell Hunderte Kunde, sogar aus Polen, Lettland und Dänemark.“

In der Firmenhistorie von Fahrrad Marcks XXL gibt es nur wenige Rückschläge

Tina Hansmann ist übrigens schon seit dem Jahr 1999 mit in die Geschäftsführung involviert. Nach dem Tod ihrer Mutter veranlasste sie ab 2005 eine namenstechnische Änderung: aus „Fahrrad Marcks“ wurde im Jahr darauf „Fahrrad Marcks XXL“. Warum: Der Bergedorfer Betrieb kooperiert seit 40 Jahren mit überregionalen Händlern der „XXL-Gruppe“: „Man unterstützt sich gegenseitig. Wir können unsere Ware aus dem gemeinsamen Online-Shop verkaufen, das könnten wir als Einzelne nicht stemmen“, sagt Hansmann zu den Vorteilen im Verbund – gerade auch in der Pandemie.

Corona ist einer der wenigen Rückschläge in der Firmenhistorie gewesen. Oder 1982 die große Rezession. All das verhindert nicht, dass Tina Hansmann über weitere (noch nicht spruchreife) Vergrößerungen des Ladens nachdenkt. Dafür ist die Nachfrage nach Rädern, speziell nach E-Bikes und Lastenrädern, zu gewaltig. Aus dem engen Hinterhof-Geschäft ist ein breit aufgestellter Markt erwachsen. Ob Elsbeth Marcks das damals bei ihren Bahnfahrten je gedacht hätte?