Bergedorf. Ina Damaske leidet unter den Spätfolgen einer anfangs milde verlaufenden Covid-19-Infektion. Sie ist zur Untätigkeit verurteilt.

„Ich gehe nicht mehr gern unter Menschen“, sagt Ina Damaske. Wer die Friseurin aus dem Geschäft „Das starke Doppel“ an der Holtenklinker Straße und ihren fröhlich-extrovertierten Umgang mit den Kunden kennt, mag seinen Ohren kaum trauen. „Der Optimismus ist weg“, sagt sie, und das hat einen Grund. Die 56-Jährige leidet an Long Covid. „Früher konnte ich zwölf Stunden durcharbeiten. Heute bin ich eine Stunde unterwegs und stehe im Schweiß.“ Heilungschancen? Ungewiss.

Es beginnt am 5. November 2020. Eine Kundin betritt verschwitzt das Friseurgeschäft, das Ina Damaske zusammen mit Regina Kahl führt. Auf kritische Nachfrage erklärt die Frau, schnell gelaufen zu sein. Wenige Tage später kommt durch einen Anruf des Gesundheitsamtes die Wahrheit zutage. Die Kundin ist mit Covid-19 infiziert und hat Ina Damaske angesteckt, wie ein späterer Test beweist.

Ängste vor dem Verlauf einer schweren Erkrankung, Intensivstation, dem Tod

Die Friseurin hegt keinen Groll gegenüber der Kundin, die sie seitdem nicht mehr gesehen hat. „Vielleicht hat es sie ja schlimmer erwischt als mich“, sagt sie.

Anfangs plagen die 56-Jährige Ängste vor einer schweren Erkrankung, Intensivstation, dem Tod. Doch die Corona-Infektion nimmt einen milden Verlauf, „ein bisschen wie Erkältung“. Das Virus ist dann weg, doch im Weihnachtsgeschäft merkt Ina Damaske, dass da etwas geblieben ist. „Höchstens 50 Prozent Leistung“ kann sie bringen.

Migräneattacken kommen alle zwei Tage und heftig wie nie zuvor

Umsatzeinbruch, ausstehende staatliche Unterstützung und die Unsicherheit, wann Ina Damaske wieder voll einsteigen kann, bringen „Das starke Doppel“ – Motto „Der etwas andere Friseur“ – dazu, ihr Geschäft zu schließen. Doch es wird nicht besser, sondern schlimmer. An Migräne litt Ina Damaske bereits vorher von Zeit zu Zeit. Doch jetzt kommen die Attacken alle zwei Tage und sind so heftig wie nie zuvor. Ärzte untersuchen sie sehr gründlich, doch ohne Befund.

Die Migräneanfälle sind mittlerweile weniger geworden. Doch der Geruchssinn ist nicht zurückgekommen. Früher hat sie gern gelesen. Heute muss sie immer wieder von vorn anfangen, weil sie Teile der Handlung vergisst. Und Inga Damaske googelt, mittlerweile ist sie praktisch über alle Aspekte von Long Covid informiert. Früher hatte sie geschimpft, wenn Menschen ihre Krankheiten gegoogelt haben, erzählt sie.

Die Wissenschaft weiß zu wenig über Long Covid

Als Privatversicherte ist sie durch das Krankentagegeld abgesichert („Habe ich viel für bezahlt“). Für die Berufgenossenschaft muss sie immer neue Formulare ausfüllen. Diese Bürokratie zermürbt sie. Anfangs wurde ihr Krankengymnastik verschrieben. Doch jetzt: nichts mehr. Was sie durchaus verstehen kann. Die Wissenschaft weiß zu wenig über Long Covid, und wie es behandelt werden kann. Ein Versuch der Hausärztin scheiterte, sie in einer Studie unterzubringen, um mehr über die Krankheit zu erfahren.

Die früher so agile Frau sitzt zu Hause und wartet auf Besserung. Die soll eine Reha bringen, die hoffentlich bald genehmigt wird. Neben der Nachsorge ist ihr die psychosomatische Betreuung wichtig. Denn der Umgang mit der Krankheit fällt ihr schwer. „Eine tolle Ansprache“ bekommt sie von ihrer Hausärztin. Sie rät ihr, die Situation zu akzeptieren. Ihr Mann Olaf (60) ist ihr eine wichtige Stütze, spricht ihr Mut zu, richtet sie auf.

„Ich schaue, wo es mich hinführt“, sagt Ina Damaske. Nur eins ist ziemlich sicher: In ein Friseurgeschäft, wo sie sich einst infizierte, führt dieser Weg nicht.