Hamburg. Das Kultur- & Geschichtskontor präsentiert einen echten Schatz: 150 alte Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder von Friedrich Stoffert.

Wer zu Ostern auf eine neue Ausgabe des Lichtwark-Heftes mit seinen zahlreichen Aufsätzen zu Bergedorfs Geschichte hofft, wird in diesem Jahr enttäuscht. Das Kultur- & Geschichtskontor verschiebt die 2021er-Ausgabe des beliebten Heftes auf die Adventszeit – aus gutem Grund: Die Historiker präsentieren zu Ostern jetzt einen echten Schatz – die 150 Jahre alten Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder des Bergedorfers Friedrich Stoffert.

Zeichnungen und Aquarelle des Bergedorfers Friedrich Stoffert

Spätestens am Freitag ist das 208 Seiten starke Buch „Ein Bergedorfer mit dem Skizzenbuch unterwegs“ in den Buchhandlungen sowie im Kontor am Reetwerder 17 zu haben. Für 14,90 Euro (ISBN 978-3-942998-19-2) umfasst es Hunderte Werke, die Friedrich Stoffert (1817-1910) bei seinen ausgedehnten Spaziergängen, Wanderungen und Reisen, ausgerüstet mit Skizzenblock oder Staffelei, festgehalten hat. Das Ergebnis ist ein Blick ins Bergedorf der Jahre 1840 bis 1900, als die Waren auf der Elbe noch mit Ewern unter Segeln transportiert und mitten durch das Sachentor täglich Kühe, Schafe und Schweine getrieben wurden.

Der Bergedorfer Friedrich Stoffert hatte acht Kinder, wurde 93 Jahre alt und starb 1910.
Der Bergedorfer Friedrich Stoffert hatte acht Kinder, wurde 93 Jahre alt und starb 1910. © bz | unbek.

Stoffert war ein Phänomen: Der begnadete Zeichner und Maler hielt den Alltag, die Menschen und die Stimmung im alten Bergedorf messerscharf fest. Und das in unzähligen Bildern über eine Zeitspanne von 60 Jahren hinweg. Sein Werk zeigt Bergedorf in einer Zeit, die rasanten Wandel bedeutete. War es 1840 noch ein winziges Ackerbürgerstädtchen mit kaum mehr als 2000 Bewohnern, wuchs es bis 1900 auf mehr als die zehnfache Bevölkerungszahl.

Komfort in der damals eigenständigen Stadt Bergedorf holte schnell auf

Die geradezu mittelalterliche Beschaulichkeit, die das Städtchen bis in die 1860er-Jahre unter der lähmenden Doppelherrschaft von Hamburg und Lübeck prägte, war am Ende des Jahrhunderts dem Trubel der Industrialisierung gewichen. Große Unternehmen wie die Sievert’sche Stuhlrohrfabrik, das Bergedorfer Eisenwerk oder die Glasfabrik Hein & Dietrichs beschäftigten jetzt Tausende Arbeiter.

Auch der Komfort in der damals eigenständigen Stadt Bergedorf holte schnell auf: Seit 1842 gab es eine Eisenbahnlinie nach Hamburg, ab 1846 auch nach Berlin, ab 1868 die Gewerbefreiheit und in den 1890er-Jahren sogar eine Kanalisation, die die Abwässer, die bis dahin im Rinnstein auf der Straße entlangliefen, unter die Erde verlegte. Kurz: Bergedorf begann, sich zu der Stadt zu wandeln, die wir heute kennen.

Friedrich Stoffert gehörte zu den Privilegierten

Friedrich Stoffert selbst gehörte hier zu den Privilegierten. Der von den Eltern übernommene Kolonialwarenladen im heutigen Sachsentor lief so gut, dass er einen Geschäftsführer einstellen und sich anderen Dingen widmen konnte. Er ließ sich in Malerei und Zeichnen unterrichten und kaufte ein Haus mit stattlichem Grundstück am Bergedorfer Gehölz.

Das sogenannte „Bellevue“ ließ er zur Kuranstalt für Lungenkranke mit Arzt, Pension und Restaurant ausbauen. Es wurde Treffpunkt der Hamburger Ausflügler, die an den Wochenenden mit der Eisenbahn in den „Luftkurort“ kamen. Für die Musik sorgte unter anderem der junge Johannes Brahms, bevor dessen große Karriere als Komponist begann. 1930 wurde das „Bellevue“ für den Bau des Luisen-Gymnasiums abgerissen.

Friedrich Stoffert war zweimal verheiratet und hatte acht Kinder. Er lebte in Bergedorf, bis er mit über 70 Jahren nach Berlin umzog, wo er 1910 mit 93 Jahren starb.