Hamburg. Im Corona-Nachverfolgungszentrum KNZ telefonieren seit Ende November 41 Mitarbeiter Infektionsketten ab. Die Bundeswehr hilft aus.

Sie weiß genau, worüber sie spricht. Denn Anfang Dezember hatte es Angie Moreno selbst erwischt, die Gesundheitswissenschaftlerin hatte sich mit dem Coronavirus infiziert. „Es war wie bei einer leichten Erkältung. Langsam kommen mein Geruchs- und Geschmackssinn zurück“, berichtet sie.

Nun muss Angie Moreno jedoch bei anderen genau zuhören, ob sie sich infiziert haben könnten, mal beruhigend einwirken, mal etwas bestimmter im Ton werden, damit Anweisungen befolgt werden. Moreno ist eine von 41 Mitarbeitern aus dem Ende November eröffneten Bergedorfer Kontaktnachverfolgungszentrum (KNZ) im ehemaligen Musikhaus von Merkl an der Stuhlrohrstraße. 

Worauf es bei der Kontaktnachverfolgung ankommt

Infizierte und ihre intensiven Kontaktpersonen finden, mögliche Infektionsketten sprengen – das sind die Aufgaben. Dabei suchen die Nachverfolger hauptsächlich telefonisch, aber auch per E-Mail Kontaktpersonen ersten Grades, wie Pascal Zimmer, Stellvertretender Leiter des Gesundheitsamt, erläutert: „Das sind Personen, die 15 bis 30 Minuten ohne Maske und ohne Mindestabstand im geschlossenen Raum ohne ausreichende Belüftung mit Infizierten Kontakt hatten.“ Für diese Personen werde im Regelfall, egal ob Symptome auftreten oder nicht, eine zweiwöchige häusliche Quarantäne angeordnet. 

Diese Art der Kontakte genau herauszufiltern, das ist die Aufgabe von Teamleiterin Angie Moreno und all den anderen. Genaues Zuhören ist enorm wichtig. Vor allem bei Nachfragen. Was zu Hause mit der eigenen Familie einfach beschrieben werden kann, ist bei der Arbeit vielleicht nicht ganz so eindeutig: Mit wem habe ich Pause gemacht? Und haben wir zwischendurch ausreichend gelüftet?

Zehn bis 15 Corona-Interviews am Tag

„Manche tun sich richtig schwer mit dem Einschätzen der Zeiten“, weiß Angie Moreno aus vielen Gesprächen. Manchmal müsse bei ihr und den Kollegen eben das Bauchgefühl entscheiden, ob eine häusliche Quarantäne angeordnet werden muss oder nicht. Und manchmal herrschen auch Informationsdefizite am anderen Ende der Leitung: „Es denken immer noch manche, sie könnten trotz Quarantäne-Anordnung einkaufen gehen.“

So dauert ein Telefonat mindestens eine Viertelstunde, Moreno und die Kollegen dürften etwa zehn bis 15 Corona-Interviews am Tag führen. Dazu müssen auch Quarantäne-Anordnungen oder- Aufhebungen geschrieben, Daten im Hamburger Pandemie-Manager gepflegt werden. Laut Pascal Zimmer werden etwa 20 bis 40 positiv Getestete und ihre Kontakte täglich bearbeitet – wenn im Schnitt davon ausgegangen wird, dass jeder Covid-19-Patient acht Kontakte ersten Grades hat. 

Telefonieren im Zwei-Schicht-Betrieb – auch an Feiertagen

Die Mitarbeiter im KNZ verfügen über einen medizinischen Hintergrund. Etabliert hat sich ein Zwei-Schichten-System mit je 20 Kontaktnachverfolgern. Auch über die Feiertage telefonierten je 14 Mitarbeiter über acht Stunden eifrig – das Virus kennt schließlich keine Weihnachts- oder Neujahrspause. 

Pascal Zimmer saß Heiligabend selbst an der Strippe. Seine oberste Devise am Telefon: „Wach sein. Und kleine Informationen über mögliche Vorerkrankungen nicht überhören.“ Bei all diesen Telefonaten sei es auch eine Kunst, „die Balance zwischen freundlich sein und klaren Ansagen“ beizubehalten.

Bundeswehrsoldaten helfen in Bergedorf aus

Unter allen Angerufenen erinnert sich Angie Moreno besonders an einen Mann, „der empfand die Quarantäne-Anordnung als diskriminierend und wollte diese partout nicht antreten“. In derartigen Fällen kann der Hinweis auf den Bußgeldkatalog der Stadt Hamburg helfen. Bis zu 5000 Euro Strafe drohen bei Missachtung der Quarantäne-Anordnung.    

Bei der Kontaktverfolgung in Bergedorf helfen ein Dutzend Bundeswehrsoldaten mit, darunter zwei Ärzte und ein Physiotherapeut. „Laut werden am Telefon? Kann mal vorkommen“, berichtet Stabsfeldwedel Siegert. Normalerweise ist er Physiotherapeut im Hamburger Bundeswehr-Krankenhaus, „doch jetzt helfen wir in der Corona-Bekämpfung eben dort, wo Personal fehlt“. Insgesamt sind die Kameraden angetan von der Kooperationsbereitschaft der Bergedorfer Bevölkerung – das sei aus anderen Bezirken auch anders zu hören. 

Räumlichkeiten sind bis Ende 2021 angemietet 

Das Bezirksamt hat die früheren Räume an der Stuhlrohstraße zunächst bis Ende 2021 gemietet. Wegen steigender Infektionszahlen hatte die Behörde im vergangenen Herbst öffentlich in unserer Zeitung Freiwillige gesucht, um bei der telefonischen Kontaktnachverfolgung mitzuhelfen. Daraufhin hatten sich 300 Bürger beworben.

Durch die Einrichtung des KNZ hat das Bergedorfer Gesundheitsamt sein Personalvolumen auf 57,49 Stellen in der Corona-Kontaktnachverfolgung heraufgesetzt. 8,8 Kontaktnachverfolger entfallen demnach auf 20.000 Bergedorfer, gibt das Bezirksamt an.