Bergedorf. Isabell und René haben sich beim Jugendamt als Bereitschaftspflegefamilie beworben. In ganz Hamburg werden Ersatzfamilien gesucht.

Das Babybettchen hatten sie zum Glück noch, dabei sind ihre beiden Mädchen schon zwei und fünf Jahre alt. Und dann kam „Nummer drei“ dazu, ein gerade mal drei Wochen altes Mädchen. Plötzlich also mussten Isabell und René wieder nachts aufstehen, Fläschchen geben und Windeln wechseln. Denn das Ehepaar hat sich beim Bergedorfer Jugendamt als Bereitschaftspflegefamilie beworben – für Kinder in Not.

Dass das Baby bloß zwei Monate lang bei der Bergedorfer Familie blieb, ist ein Segen: Die leibliche Mutter war nach der Geburt überfordert, wollte erst einmal umziehen. Inzwischen hat sie ein richtiges Zuhause geschaffen – und der liebevolle Kontakt ist geblieben.

Bergedorfer Ehepaar nimmt Kinder auf Zeit in Familie auf

Das war ein guter Einstieg, denn es könnte auch mal Eltern geben, die gewalttätig oder drogenabhängig sind, daher wollen Isabell und René auch ihren Nachnamen nicht veröffentlicht sehen. Aber sie sind felsenfest überzeugt davon, mit ihrer Liebe und Fürsorge viel Gutes zu tun: In ganz Hamburg werden händeringend Menschen gesucht, die spontan eine Ersatzfamilie sein mögen – und es schaffen, nach drei bis sechs Monaten wieder Abschied zu nehmen.

„Ich war zwar nicht schwanger, aber der Infoabend vorab, die Gespräche mit dem Amt und die Fortbildungen haben trotzdem neun Monate gedauert“, sagt Isabell lachend. Die 34-Jährige will den fremden Kindern ein Urvertrauen und Geborgenheit schenken. Ihre Motivation? „Ich muss einfach meinem Herzen folgen und bin unfassbar froh und dankbar für unser glückliches Leben. Da möchte ich einfach ein bisschen zurückgeben.“

„Bezahltes Ehrenamt, was man sich leisten können muss"

Das tut sie, wenn sie etwa mit dem Pflegekind vormittags zum Arzt geht, vielleicht auch zur Physiotherapie und mindestens einmal pro Woche die leiblichen Eltern trifft. „Es ist anstrengend, aber sehr bereichernd. Und wir sind froh, dass unsere eigenen Mädchen nicht eifersüchtig sind, sondern toll mitmachen“, sagt Isabell. Bei ihrem Engagement kann und muss sie sich auf ihren Mann verlassen, der als Vertriebsleiter genügend Geld nach Hause bringt: Zwar bezahlt das Amt 1457 Euro netto, wenn ein fremdes Kind umsorgt wird, aber ein anderes Arbeitsverhältnis ist zeitgleich kaum möglich. „Es ist ein bezahltes Ehrenamt, das man sich leisten können muss“, sagt der 36-Jährige – und ärgert sich in einem Punkt: „Als Rentenanwartschaft wird das leider nicht anerkannt.“

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Bei aller Herausforderung ist er froh, „helfen und ein kleines Würmchen ein Stück auf seiner Reise ins Leben begleiten zu können“. Schließlich habe jedes Kind es verdient, in einer liebevollen Familie anzukommen. Und ganz wichtig, so René: „Solange es noch Kinderschutzhäuser gibt, wird auch der Bedarf an akuter Bereitschaftspflege nicht sinken.“

Auch ein Rentnerpaar hat eine Bereitschaftspflegestelle

Deshalb hat sich das Ehepaar auch entschlossen, Werbung für das Hilfsangebot zu machen, und ein Video für die Pflegekinderhilfe gedreht: „Wir haben jetzt schon 419 Aufrufe“, freut sich Isabell, die zugleich einen Instagram-Account namens „mother.for.a.while“ betreibt. Ja, Respekt müsse man vor der Aufgabe haben, zudem sei viel Liebe, Zeit und Energie erforderlich, betonen die Bergedorfer: „Da fragt das Jugendamt schon genau nach, was man sich zutraut und wie alt das Kind ungefähr sein soll.“

Eine Altersbegrenzung für Bereitschaftspflege besteht übrigens nicht: Es gibt derzeit vier Bereitschaftspflegestellen in Bergedorf, darunter ist auch ein Rentnerpaar. Wer nähere Infos haben möchte, wendet sich an den Bergedorfer Pflegekinderdienst unter Telefon 040/428 91 23 39.