Bergedorf. 20. Bergedorfer Bürgerpreis würdigt Hospizdienst, Klimaretter und das Begegnungszentrum im Park. Eine Feier in Corona-Zeiten.
„Ich bin ein bisschen aufgeregt. Denn ich habe noch nie einen Preis bekommen“, verrät Johann Berz, als er das Waldhaus Reinbek betritt. Mit Dr. Maren Neumann und Johannes Heiderich stößt er im Jagdzimmer mit Sekt an. „Das passt doch gut hier, ich bin nämlich Tochter eines Forstmeisters“, sagt die Medizinerin und betrachtet die ungeraden Enden der Rothirsch-Geweihe an der Wand.
Gemütlich, aber reichlich ungewohnt verläuft die 20. Verleihung des „Bürgerpreis Bergedorf“, der von der Volksbank Bergedorf gemeinsam mit der Bergedorfer Zeitung gestiftet wird: „Erst wollten wir ganz groß im Sommer mit allen Preisträgern der vergangenen zehn Jahre auf einem Schiff feiern. Dann haben wir auf Herbst verschoben und nur die Kandidaten eingeladen“, beschreibt Volksbank-Vorstand Kay Schäding den Verlauf der Planung in Corona-Zeiten. „Jetzt sind es allein die drei Preisträger und drei Jury-Mitglieder.“
Bergedorfer setzen sich für das Wohl anderer Menschen ein
Festlich, lecker und großzügig ist es dennoch: Über dreimal 2000 Euro, Urkunden und einen bunten Blumenstrauß dürfen sich die Gewinner freuen. „Und ich richte Grüße und Glückwünsche von der gesamten Jury aus“, sagt Ulf Kowitz, Verlagsleiter der bz.
Von einer „verrückten Zeit“ spricht Propst Matthias Bohl. Und der Jury-Vorsitzende weiß von den aktuell vielen kranken und sterbenden Menschen rund um den Globus. So ist es ein gutes Zeichen, dass die Jury in diesem Jahr Dr. Maren Neumann auszeichnet – stellvertretend für den ambulanten Hospizdienst in Bergedorf mit seinen 50 ehrenamtlichen Mitarbeitern im Team. „Sie alle arbeiten in einem sehr verborgenen Bereich mit Menschen, die gern ihr Leid und ihre Kraftlosigkeit verstecken wollen“, schätzt Bohl diese „kostbare Arbeit der Nächstenliebe“.
Nicht nur alte, sondern alle Menschen betreffe das Thema Sterben – von Geburt an. Es sei ein wertvolle Signal, niemanden allein zu lassen: „Sie sind da, können aushalten und auch die Familien entlasten, ihre Erstarrung durchbrechen“, lobt der Geistliche und wünscht „Gottes Segen für Ihren Dienst“.
Ehemalige Hauni-Betriebsärztin fand Ehrenamt im Rentenalter
Dr. Maren Neumann war 20 Jahre lang Betriebsärztin bei der Hauni und fand ihr Ehrenamt im Rentenalter. Inzwischen hat die 82-Jährige fast 30 sterbende Menschen begleitet, ihnen zugehört, vorgelesen, die Hand gehalten und die Angst vor dem Tod mitempfunden. „Jeder, der geht, belehrt uns ein wenig über uns selbst“, zitiert sie gern die Schriftstellerin Hilde Domin (1909-2006). Denn, so Dr. Neumann dankbar: „Wir erleben ein Mysterium, von dem wir lernen können.“
Dass die Ehrenamtlichen im Hospizdienst „die Würde des Menschen bis zum letzten Atemzug wachhalten“, lobt Probst Bohl aus ganzem Herzen – und wünscht sich zugleich mehr Hilfe für die Angehörigen: „Wir brauchen in Bergedorf auch ein stationäres Hospiz. Dass die Angehörigen bis Volksdorf, Geesthacht oder Bardowick fahren müssen, ist eine riesige Belastung.“
Michael Kolle will ein Hospiz am Allermöher Deich gründen
Nun will Michael Kolle ein Hospiz mit 14 Betten am Allermöher Deich gründen. Auch die Infinitas-Kay-Stiftung fragt in Bergedorf an, ein Haus für bis zu 16 Sterbende bauen zu dürfen – und spricht mit dem Bezirksamt über das Grundstück am Gräpelweg, wo sich die Körber-Stiftung aus dem Haus im Park voraussichtlich 2022 verabschieden wird.
Hier ist seit mehreren Jahren bereits Preisträger Johann Berz tätig. Der 72-Jährige engagiert sich seit 2016 für das Begegnungszentrum im Park, inzwischen als ehrenamtlicher BiP-Geschäftsführer. Eine Bürgerinitiative um Silke Roddewig, Rüdiger-Horst Bambach und Berz hatte 7000 Unterschriften gesammelt für den Erhalt des Gebäudes. Ergebnis: Das beliebte Bewegungsbad konnte erhalten werden, inzwischen gibt es wieder verschiedene Therapie-Angebote, dazu eine neue Gastronomie für BiP-Nutzer und die Nachbarschaft.
Und das Trio will weitere Ideen verwirklichen: „Auf der 650 Quadratmeter großen Grundfläche des Theaters könnte ein 2,5-geschossiges Gebäude entstehen. Wir möchten gemeinsam mit der Muskelschwundhilfe eine Tagespflegestätte und 20 Wohnungen für behinderte Menschen bauen“, erläutert Berz.
Johannes Heiderich ist bisher der jüngste Preisträger
Er sei eine Triebfeder und habe „trotz anfänglichen Widerstands, Neid und Missgunst eine große Verantwortung übernommen für einen Treffpunkt, der Menschen aus ihrer Isolation und Einsamkeit holen will“, würdigt Propst Bohl das Projekt. Es erfahre viel Zuspruch, habe jedoch weiterhin mit Problemen zu kämpfen: „Es mangelt an Kommunikation, wir müssen uns mal alle an einen Tisch setzen“, betont Johann Berz. Er wünscht sich „mehr als ein Haus für Kranke und Sieche“, das BiP will wie das Haus im Park auch künftig ein lebendiges Begegnungszentrum sein. „Sein Tatendrang gilt dem Gemeinwesen“, lobt Bohl und staunt über das Energiebündel. Der pensionierte Programmierer, der schon mit dem Fahrrad durch Asien gereist ist, lächelt: „Solange ich kann, werde ich machen.“
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Noch viele Jahrzehnte Engagement wird von Johannes Heiderich erwartet. Der 19-Jährige ist „der jüngste Preisträger in der Geschichte des Bergedorfer Bürgerpreises“, so Kay Schäding. Seit bereits sechs Jahren engagiert sich Heiderich als Botschafter der Stiftung „Plant-for-the-Planet“. Sie hat weltweit schon 13,4 Milliarden Bäume gepflanzt.
19-Jähriger will ein freiwilliges, soziales Jahr in Kolumbien machen
„Das ist keine gärtnerische Spielerei, sondern ein politisches Projekt, um der himmelschreienden Ungerechtigkeit zu begegnen, die der Klimawandel auslöst“, sagt Bohl: „Die Schöpfung hat sich damit was gedacht, dass Bäume aus schlechter Luft gute machen können.“ Schon nächste Woche will Johannes Heiderich mit der Reinbeker Klimaschutzinitiative „Youth“ 15 Setzlinge in Büchsenschinken pflanzen: Eichen, Birken und Walnussbäume. „Wenn jeder Mensch 150 Bäume pflanzt, wäre der Klimawandel aufgehalten“, ist der 19-Jährige überzeugt.
Nach Abschluss der Waldorfschule wollte er ein freiwilliges, soziales Jahr in Kolumbien absolvieren. Die Corona-Zeit überbrückt er nun mit Praktika im Wentorfer Rathaus, in einer deutsch-spanischen Kita und auf einem Demeter-Bauernhof. Ob er später Land- oder Forstwirtschaft studieren will, ist noch unklar. „Ich wünsche dir einen Beruf mit viel Power, um bei der Bewusstseinsbildung zu helfen, damit wir alle unseren Lebensstil ändern, mehr Frieden in die Welt bringen“, sagt Bohl: „Der Preis möge dich pushen, dir bei deiner Mission helfen, viele zu überzeugen.“
2021 bringt für den Bürgerpreis einige Veränderungen
Die lang geplante Jubiläumsfeier für den 20 Jahre bestehenden Bürgerpreis wurde wegen Corona zunächst verschoben, dann ganz abgesagt. Jury und Veranstalter empfanden das Risiko einer gemeinsamen Schiffstour mit den aktuellen Bewerbern um den Bürgerpreis, den Preisträgern der vergangenen zehn Jahre, der Jury und Gästen als zu groß. „So schön das gewesen wäre, aber wir wollen niemanden gefährden“, erläuterte bz-Verlagsleiter Ulf Kowitz seinerzeit, warum die Veranstaltung für etwa 60 Teilnehmer abgesagt wurde.
So klein wie dieses Jahr wurde die Bürgerpreisverleihung in der 20-jährigen Geschichte noch nie gefeiert (s.o.). Das soll sich 2021 möglichst nicht wiederholen: Die Bürgerpreisfeier hat über die Jahre vielen engagierten Ehrenamtlichen die Möglichkeit geboten, miteinander ins Gespräch zu kommen, manche Idee wurde so entwickelt. 2021 stehen einige Änderungen an. So kann die Vorstellung neuer Kandidaten nicht terminiert werden ohne Klarheit, wie sich die Pandemie entwickelt.
In der bislang siebenköpfigen Jury unter Vorsitz von Propst Matthias Bohl stehen mehrere Wechsel an. Dagmar Hanke, lange Jahre Leiterin der Volkshochschule, ist in Rente gegangen, hat damit auch ihren Jury-Sitz aufgegeben. 2021 scheidet mit Volksbank-Vorstand Kay Schäding zudem das letzte Gründungsmitglied des Preises aus, auch er geht in Rente. In dem Fall ist die Nachfolge bereits geklärt. Volksbank-Vorstand Karsten Voß übernimmt die Aufgabe.