Bergedorf. Ein Baumgutachten belegt eine erhebliche Sicherheitsgefahr. Trotzdem zeigt Künstler Oliver Hertel Unverständnis. Andere auch.
Wenn das Institut für Baumpflege eine unverzügliche Baumfällung empfiehlt, dann geht Thorsten Ritter der Sache pflichtbewusst auf den Grund. Noch am vergangenen Donnerstag, als das Gutachten des Instituts vorlag, schaute sich Bergedorfs „Baumpapst“ persönlich die mächtige Blutbuche an der Einfahrt zum Aldi-Markt am Neuen Weg an: „Da musste ich feststellen, dass der Baum zu 80 Prozent abgestorben war, teilweise keine Blätter mehr trug, Äste abgestorben waren.“ Am vergangenen Freitag dann wurde die Buche gefällt – sehr zum Entsetzen von Anliegern und anderen Bergedorfern.
Alte Blutbuche in Bergedorf wurde gefällt
Oliver Hertel ist fassungslos. Der Holzbildhauer hat sein Atelier seit 25 Jahren im Südbahnhof Bergedorf, nur wenige Meter von dem übrig gebliebenen Baumstumpf entfernt. Zuletzt hatte der gebürtige Möllner Mitte September die Blutbuche mit in die Bewerbung seines Jubiläums eingebunden, auf den Tag des Offnen Denkmals hingewiesen, Lampenketten rund um den hölzernen Riesen installiert. Holz ist sein Instrument, die Grundlage seiner „Baumseelen“-Ausstellungen und Werkschauen.
„Dass am Ende der Baum gefällt wird, war nicht zu erwarten“, sagt Hertel. Der 70-Jährige hatte in der Vergangenheit aus herunterhängenden Ästen und geschädigtem Baumbestand verschiedene Kunstwerke in der alten Frachthalle des Südbahnhofs gebastelt, unter anderem 108 Mönche und eine weitere größere Figur.
Veraltete Ausbruchswunde im Stamm entdeckt
Doch genau so kam es, als am vergangenen Freitag eine Spezialfirma mit Kettensägen vorfuhr und den Baum fällte. Nun zeugt nur noch der Stumpf von der Blutbuche mit einem Stammdurchmesser von 1,01 Meter und einem Kronendurchmesser von 22 Meter. Oliver Hertel kniet davor und fragt: „Hätte es nicht genügt, ein paar tote Zweige herauszuschneiden?“
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Nein, eher nicht: Am Donnerstag bestätigte das an der Brookkehre ansässige Institut für Baumpflege, dass von der Blutbuche eine erhebliche „Sicherheitsgefahr“ ausgehe. „Die Gutachter haben an einer Stelle im Stamm auch eine veraltete Ausbruchswunde gefunden“, sagt Thorsten Ritter.
Wie konnte der Baum überhaupt krank werden?
Was keiner so recht zu erklären vermag: Warum der über 20 Meter hohe Holzriese, der auf einem Privatgrundstück der Firma Glunz stand, überhaupt krank werden konnte. Oliver Hertel beobachtete viele Bauarbeiten gerade in den abgelaufenen Monaten rund um den gefällten Baum. Teilweise sollen die Arbeiten bis zu 1,50 Meter an den Baumfuß herangereicht sein. Experte Ritter möchte keine Mutmaßungen anstellen, sagt aber zumindest dies: „Die Buche ist bekannt als die empfindlichste Baumart,
sie mag gar keine störenden Einflüsse.“