Gastronom Meyer bietet besonderes Hotel an. Skurrile Schlafstätten gibt es in Hamburg auch in Schaufenstern, auf Bäumen und Schiffen.
Die Premiere hat bei klirrender Kälte stattgefunden. Bei klarem Himmel und minus vier Grad Celsius packten Arne Meyer und sein Sohn Nick, 6, ihre Sachen und gingen ins neu gekaufte Holzfass – zum Schlafen. Einen Tag später zog der Papa mit Tochter Molly für eine Nacht aus. Die Zehnjährige sagt voller Begeisterung: „Es ist richtig schön warm, kuschelig und gemütlich.“ Und Strom, um ein Buch zu lesen, gibt es auch. Schlafen im Fass – was für die Kinder ein kleines Abenteuer ist, ist für ihren Vater ein Geschäftsmodell. Der 43-Jährige betreibt seit mehr als 20 Jahren die Wein- und Friesenstube in Ochsenwerder und hat dort jetzt Hamburgs erstes Fasshotel aufgemacht.
Vier Holzbuden gibt es in der Gartenanlage des Lokals. Drei von ihnen liegen, eins steht. In der Standvariante sind Dusche, Toilette und Waschbecken untergebracht – das Angebot „umfasst“ also auch die Hygiene. In den drei liegenden Fässern, die die Namen von Meyers Kindern Molly, Nick und der zwei Jahre alten Anna tragen, können entweder bis zu sechs Personen an einem Tisch sitzen und sich das Essen servieren lassen. Oder es können sich zwei Leute auf einem zwei Meter langen und 1,40 Meter breiten Bett gemütlich machen. „Innerhalb von acht Minuten habe ich die Fässer umgebaut“, sagt Meyer. Ermöglicht wird das durch ein Stecksystem. Vor Hitze schützt ein isoliertes Dach, vor Kälte eine Heizung, vor neugierigen Blicken von außen schützen weinrote Vorhänge. Denn der Gast will ja nicht im Schaufenster übernachten – oder?
Wer diesen Wunsch hegt, ist bei einer Wilhelmsburger Firma richtig aufgehoben. Die Inselpension vermittelt seit 2013 Übernachtungsgäste in skurrile Unterkünfte. So betreibt es beispielsweise Die Galerie. Gäste können sich zum einen Werke von Künstlern aus dem Stadtteil anschauen, zum anderen sich in quietschgelbe Betten legen und durch zwei Schaufenster dem Treiben auf der Veringstraße zusehen. Die Interaktion zwischen Gästen und Fußgängern solle gefördert werden, sagt Geschäftsführerin Kerstin Esser-Vitt. Das Konzept komme gut an. Von Donnerstag bis Sonntag sei das 36 Euro pro Person und Nacht teure Ladenlokal sehr häufig ausgebucht.
Auf dem Kinderbauernhof kann man im Baumhaus schlafen – mit Torftoilette
Im Programm sind noch weitere ungewöhnliche Schlaforte. So vermittelt die Inselpension Betten auf der Hafenfähre „Stadersand“ im Harburger Binnenhafen und in einer Wilhelmsburger Gartenlaube sowie Matratzen, Kopfkissen und Schlafsäcke für ein Baumhaus. Zwischen der Hochhaussiedlung Kirchdorf-Süd und Marschenwiesen kann eine Familie für 66 Euro pro Nacht auf dem Kinderbauernhof in der Nähe von 260 Tieren übernachten – Torftoilette inklusive. Als nächste Attraktion plant Esser-Vitt ein Ufo aus Hartplastik, das derzeit im Bau ist und an verschiedenen Orten bezogen werden soll. Zu Klassikern in Hamburg gehören Übernachtungen auf dem „Feuerschiff“ oder der „Cap San Diego“.
Bei der Marketingorganisation Hamburg Tourismus stoßen neue Angebote wie aktuell das der Meyers in Ochsenwerder auf eine positive Resonanz. „Dieses individuelle Konzept ist für Hamburg eine Bereicherung“, sagt Sascha Albertsen, Leiter der externen Unternehmenskommunikation. Generell gelte, dass die Ansprüche der Gäste vielfältiger werden. Erzählen neue Hotels eine Geschichte, könnten sie damit im Wettbewerb der 330 Hotels in der Elbmetropole mit 56.000 Betten punkten. Eine Massenbewegung zu diesen ganz speziellen Übernachtungsangeboten erwartet er aber nicht. Albertsen: „Übernachten auf Baumhäusern, in Schiffen oder in Bahnwaggons wird eine Nische bleiben.“
Auf der Zugspitze gibt es Iglu-Zimmer, in Kaiserslautern ein Gefängnishotel
Wer dennoch mal in einem Zug schlummern will, kann sich in Richtung Herzogtum Lauenburg bewegen. 1999 kaufte Oliver Victor einen 13 Kilometer langen Abschnitt einer Bahnstrecke, zunächst zur Vermietung von Draisinen. Seit 2003 können Besucher der Erlebnisbahn Ratzeburg dort in verschiedenen Zügen schlafen. Etwa jeder Zehnte der 30.000 Besucher in diesem Jahr nutzte die Möglichkeit, sagt Victor. 60 Waggons stehen zur Verfügung, für Klassenfahrten gibt es sogar einen ganzen Jugendzug mit Speise-, Schlaf- und Discowagen – allerdings erst ab nächstem Frühjahr wieder, denn seit wenigen Tagen wird das Gelände winterfest gemacht.
Auf der Zugspitze wartet man hingegen auf kalte Temperaturen. An Silvester will die Firma Iglu-Dorf die Saison eröffnen. Ab 119 Euro pro Person kann im Schneehaus der Eskimos geschlafen werden. Wer schon immer eine Nacht hinter Gittern verbringen wollte, checkt im Gefängnishotel Alcatraz in Kaiserslautern ein. In der ehemaligen Justizvollzugsanstalt kostet die romantische Nacht zu zweit im Zellenzimmer ab 69 Euro. Luftfahrtfans können sich am Stockholmer Flughafen in einen Jet legen, ohne einen Jetlag zu kriegen. Dort steht eine Boeing 747, die als Hotel umgebaut wurde.
Gastronom Meyer investierte rund 28.000 Euro in seine Fässer
Meyer reichte für seine Geschäftsidee eine kurze Autofahrt. Bei einem Besuch auf der Hamburger Gastromesse Internorga im Frühjahr 2013 verguckte er sich sofort in die Fässer zum Übernachten. „Er rief an und sagte: ,Ich habe hier etwas gesehen‘“, erinnert sich seine Frau Katja. Da war der 39-Jährigen schon klar, dass er die kleinen Hütten aus Holz, die ein Tischler aus Südniedersachsen anbot, unbedingt haben wollte. Einen Tag später fuhren beide zur Messe. Und er unterschrieb den Kaufvertrag für drei Hütten. 6000 Euro legte er pro Schlaffass auf den Tisch, rund 10.000 Euro kostete das in diesem Jahr erstandene Sanitärfass.
Weil er die Fässer zuerst an der Dove-Elbe aufstellen wollte, dafür aber keine Genehmigung bekam, dauerte es gut zwei Jahre, bis er das erste Mal für Gäste ein Fass aufmachte. Wer am Wasser im Fass übernachten möchte, hat dazu übrigens die Möglichkeit. Über das Übernachtungsportal Airbnb kann am Harburger Hauptdeich ein Fass von einem privaten Anbieter gemietet werden. Die Nacht kostet ab 55 Euro inklusive Servicepauschale.
Bei den Meyers zahlen Gäste 65 Euro. Ohne viel Werbung zu machen, hatten sie seit August bisher rund zehn Gäste. Mit einer Auslastung von 25 Prozent wäre er zufrieden. „Im nächsten Frühjahr soll es richtig losgehen“, sagt Meyer und setzt vor allem auf Radfahrer, die eine Tour entlang des Elbe-Radwanderwegs zur Einkehr nutzen. Aber auch Hamburger, die Lust auf etwas Neues und auf die Nähe zur Natur haben, sieht er als Zielgruppe. Für die Meyers ist jeder Gast eine gute Übung. Schließlich haben sie noch eine Vision. „Wir möchten noch einmal ein richtiges Hotel bauen“, sagen Katja und Arne Meyer unisono. „Das ist unser Traum.“
Die Wein- und Friesenstube liegt am Ochsenwerder Kirchendeich 10. Die Nacht im Fass kostet 65 Euro. Internet: www.wein-und-friesenstube.de