Hamburg . An dem Haus in der Merwedeplein erinnerte nichts an das Mädchen, dessen Tagebuch Millionen lasen. Das wollten die Jugendlichen ändern.

Angefangen hat alles mit einer Überraschung. „Warum“, wollten Schüler der Gretel-Bergmann-Schule in Neu-Allermöhe wissen, „hat Anne Frank keinen Stolperstein, da wo sie zum Schluss gewohnt hat.“ Eigentlich eine einfache Frage. Aber eine Antwort hatte auch Lehrerin Ines Rahn erstmal nicht, mit der die Siebtklässler das berühmte Tagebuch im Unterricht gelesen hatten. Gemeinsam fingen sie an zu recherchieren. „Das Interesse war unglaublich“, sagt die Pädagogin. Und so entstand die Idee, einem der weltweit bekanntesten Opfer des Holocaust an ihrer letzten bekannten Adresse einen Gedenkstein zu widmen.

Ein Jahr ist das inzwischen her, und jetzt glänzen vor dem Wohnhaus der Familie Frank in der Amsterdamer Merwedeplein 37 vier Stolpersteine im Straßenplaster: für Anne, ihre Schwester Margot, Mutter Edith und Vater Otto. „Es ist einfach wunderbar, dass wir es geschafft haben“, sagt Lehrerin Rahn. Bei der feierlichen Verlegung war nicht nur Stolperstein-Initiator Gunter Demnig aus Deutschland angereist, sondern auch die Hamburger Schüler.

Die Stolpersteine in der Merwedeplein 37 in Amsterdam
Die Stolpersteine in der Merwedeplein 37 in Amsterdam © HA | Ines Rahn

An 500 Orten in Deutschland und in vielen anderen Städten Europas erinnern inzwischen die 96 mal 96 Zentimeter großen Messingtafeln an Opfer des Holocaust. Insgesamt wurden schon mehr als 50.000 Steine verlegt. Dass gerade Anne Frank und ihre Familie in der Stadt, in der sie im Versteck ihr millionenfach gelesenes Tagebuch schrieb, bislang keinen Stolperstein hatte, liegt unter anderem daran, dass die Aktion aus Deutschland dort noch nicht so bekannt ist. „Als die Anfrage der Hamburger Schülergruppe kam, wurde das in Amsterdam sehr positiv aufgenommen“, sagt Paul de Haan.

In den Niederlanden sind Stolpersteine nicht so bekannt

Der Wahl-Berliner mit niederländischen Wurzeln hat den Kontakt zu den Behörden hergestellt und die notwendigen Genehmigungen eingeholt. Besonders auch die Anne-Frank-Stiftung habe den Plan sehr begrüßt, sagt de Haan, der seit drei Jahren ehrenamtlich die Stolperstein-Verlegung in den Niederlanden managt. Inzwischen gibt es 210 der Gedenktafeln in Amsterdam. Und die Anfragen nehmen zu. Insgesamt starben in den Niederlanden 107.000 Juden durch die Nationalsozialisten, davon allein 60.000 aus Amsterdam.

Schüler haben Taschengeld gespendet

Die Hamburger Schüler haben ein wichtiges Zeichen gesetzt. Sie haben die notwendigen Daten zusammengesucht. Und sie haben Geld gesammelt. Einige, wie der 14-jährige Andreas, haben auch ihr Taschengeld gespendet, um die 540 Euro für Stolpersteine zusammenzubekommen. „Ich finde, dass sich an Anne Frank viele Menschen erinnern sollten“, sagt er.

Einblicke in die Merwedeplein in Amsterdam

Zwei Mal waren sie während der Projektzeit in Annes Heimatstadt und folgten den Spuren des Mädchens, die zwei Jahre mit ihrer Familie in einem Hinterhaus versteckt lebte und nach einem Verrat ins Konzentrationslager Bergen-Belsen, hundert Kilometer von Hamburg entfernt, gebracht wurde. Dort waren sie und ihre Schwester vor 70 Jahren, im März 1945 gestorben. Nur wenig älter als die Schüler der Gretel-Bergmann- Schule.