Nach dem Bürgerentscheid gegen größere Windkraftanlagen in Bergedorf sieht die CDU den SPD-Senat nun in der Verantwortung: Der Wille der Bewohner des Stadtteils müsse ohne „Wenn und Aber“ umgesetzt werden.

Hamburg. Im Streit um die Windkraftanlagen in Bergedorf hat die CDU den SPD-Senat zu einem schnellen Handeln aufgefordert. „Wir erwarten, dass auch der Senat sagt, dass er diesen Volksentscheid akzeptiert“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten in der Bürgerschaft, Dietrich Wersich, am Freitag im Rathaus. Es sei Zeit für ein klares politisches Statement, „übrigens wie auch beim Volksentscheid zum Netzrückkauf“. Mit einem entsprechend in die Bürgerschaft eingebrachten Antrag will die CDU-Fraktion den Druck auf den Senat erhöhen: „Wir wollen wissen, ob man den Bürgerentscheid respektiert oder aushebelt“, sagte Wersich.

Bei dem Bürgerentscheid hatten sich die Bergedorfer im Juli mehrheitlich gegen größere Windkraftanlagen in ihrem Bezirk ausgesprochen. Außerdem wehren sie sich dagegen, dass für neue Anlagen ein aus ihrer Sicht zu geringer Abstand zu Wohnhäusern ermöglicht werden soll. 67 Prozent folgten damit einer Vorlage der Bürgerinitiative. Nur 33 Prozent stimmten für die von SPD, Grünen, Linken und Piraten beschlossene Vorlage der Bezirksversammlung. Von den etwas mehr als 95.000 Abstimmungsberechtigten beteiligten sich knapp 28.000.

Das Ergebnis ist nicht rechtlich bindend. Es geht als Empfehlung an die Umweltbehörde. Die Bürgerschaft kann sich noch darüber hinwegsetzen. Ende August hatte die SPD bekannt gegeben, dass eine dazu geplante Expertenanhörung im Umweltausschuss auf Herbst verschoben wird. Der Senat wolle sich mehr Zeit für eine Prüfung nehmen, sagte Fraktionschef Andreas Dressel damals. "Wir klopfen noch einmal Punkt für Punkt ab und setzen uns sehr ernsthaft mit allen Bedenken aus Bergedorf auseinander." Von einem Einlenken wollte Dressel selbst nicht sprechen. Es gehe vielmehr ums "Zuhören und Berücksichtigen". Es stehe nämlich außer Frage, dass "Hamburg seinen Beitrag zur Energiewende leisten" müsse. Dressel zufolge sind Tragfähigkeit und Rechtssicherheit das Ziel.

Die Opposition hatte das Aussetzen der Anhörung begrüßt, "vor allem, da die Ankündigung das Durchbügeln der Flächennutzungsplanänderung ohne Rücksicht auf die bürgerliche Wehr der Bergedorfer vorsah", sagte die umweltpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Birgit Stöver, vor einem Monat. Wer die Energiewende erfolgreich umsetzen wolle, könne sie nicht gegen die Anwohner durchsetzen.

Dennis Gladiator, CDU-Wahlkreisabgeordneter aus Bergedorf, sagte am Freitag: „In Bergedorf stehen schon seit vielen Jahren 27 Windkraftanlagen.“ Das zeige die Einsatzbereitschaft der Bürger, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Allerdings müsse der Ausbau der Windenergie mit Augenmaß erfolgen. „Die berechtigten Interessen der betroffenen Anwohner müssen respektiert und die Kulturlandschaft erhalten werden. Deshalb muss der Bürgerentscheid ohne Wenn und Aber umgesetzt werden“, sagte Gladiator. Der CDU-Abgeordnete geht davon aus, dass die SPD-Fraktion dem Antrag zustimmt - nachdem Olaf Scholz (SPD) jüngst erklärt hatte, ein „großer Anhänger der Volksgesetzgebung zu sein und was beschlossen sei, müsse auch umgesetzt werden“. Da nehme er den Ersten Bürgermeister beim Wort, sagte Gladiator.

Teil des CDU-Antrages ist zudem, den geplanten Energie-Campus der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Bergedorf zu ermöglichen. Die CDU bietet laut Wersich ihre Unterstützung an, um dafür geeignete Standorte für die geplanten großen Windkraftanlagen zu finden. „Wir brauchen eine exzellente Wissenschaft und gute Köpfe, damit Hamburg die Chance hat, sich als führender Forschungs- und Entwicklungsstandort zu etablieren“, sagte der CDU-Fraktionschef. Deshalb müsse der Senat zügig Ersatzstandorte für die bis zu 180 Meter hohen Windkraftanlagen prüfen und realisieren. „Es darf bei der Suche nach Alternativflächen für Windkraftanlagen keine Denkverbote geben. Zudem brauchen wir bei diesem Zukunftsthema eine engere Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn“, sagte Wersich. Deshalb erneuere er den Vorschlag, einen Masterplan Windenergie in der Metropolregion abzuschließen.

Als Folge des Bürgerentscheides verwies die Umweltbehörde am Freitag indes auf die Änderungen des Flächennutzungsplans in Neuengamme, die bis 7. Oktober in der Behörde, im Amt für Landes- und Landschaftsplanung, öffentlich ausliegen. Die Behörde habe die Bedenken der Bürgerinitiative nochmals detailliert geprüft, sagte Sprecher Volker Dumann dem Abendblatt. Komme der neue Flächennutzungsplan zustande, rückten die dort geplanten sechs Windkraftanlagen noch weiter von den Häusern an der Straße Kiebitzdeich ab. Zudem „liegen die Behörde und die Bürgerinitiative bei sechs von inhaltlichen acht Punkten ganz nah beieinander“, sagte Dumann.

Der Senat hatte beschlossen, die Windenergie in Hamburg auf eine Nennleistung von mindestens 100 Megawatt auszubauen. Dies solle vor allem durch den Abbau alter und den Neubau leistungsstärkerer Windenergieanlagen (Repowering) ermöglicht werden. Die Behörde setzt Dumann zufolge diesen Auftrag um und hat die Flächensuche nach zusätzlichen Standorten für Windenergieanlagen in ganz Hamburg durchgeführt.