Bergedorf. Ihr Mut, sich in unserer Zeitung zu “outen“, führte zum Erfolg: Leser haben der obdachlosen 26-jährigen Nicole Brzesinsky umgehend eine Bleibe zur Verfügung gestellt. Ab April kann sie dann eine eigene Wohnung in Wentorf beziehen.
Ihr Mut hat sich gelohnt. Nachdem Nicole Brzesinsky ihr Schicksal als Wohnungslose in unserer Zeitung am 13. November öffentlich machte, hat sich für sie das Blatt gewendet: Die 26-Jährige kann nach 16 monaten Obdachlosigkeit nun sofort ein Zimmer im Haus eines Bergedorfer Ehepaares beziehen. Von Mitte April 2013 gibt es dann endlich auch die erträumte eigene Wohnung – 44 Quadratmeter im Dachgeschoss der ehemaligen „Offiziersblöcke“ in Wentorf.
„Das ist mehr als ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Das ist fast wie im Traum“, jubelte die junge Frau, nachdem Vermieter Heinz Flügge den Mietvertrag zunächst per Handschlag besiegelte. „Wir müssen jetzt noch einige Formalien klären. Aber dem Einzug steht nichts mehr im Weg“, sagt der 56-jährige Altengammer, der in Wentorf zwei Mietblöcke mit jeweils fünf kleinen Wohnungen besitzt. „Als ich von Frau Brzesinkys Schicksal in der Zeitung gelesen habe, musste ich einfach meine Hilfe anbieten. Schon beim erste Treffen habe ich gespürt, dass sie unverschuldet in die Wohnungslosigkeit abgerutscht ist und gut in die Gemeinschaft meiner Mieter passt.“
Nicole Brzesinsky hatte sich im Juli 2011 von ihrem Ehemann getrennt und war aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. „Es ging einfach nicht mehr. Aber ich hätte nie geglaubt, dass ich deshalb auf der Straße landen würde“, erinnert sich die Hartz-IV-Empfängerin, die heute dabei ist, ihren Hauptschulabschluss nachzumachen. „Ich habe ständig Wohnungsangebote studiert, war jede Woche mehrfach bei Besichtigungen. Aber es hagelte nur Absagen, wenn überhaupt Antworten kamen. Dabei übernimmt für mich das Job-Center die Wohnungskosen. Für einen Vermieter ist das doch sicheres Geld.“
16 Monate musste sie deshalb bei Freundinnen oder auch in der kleinen Wohnung ihrer Mutter in Lohbrügge unterkriechen. Nie wusste sie, ob sie am nächsten Tag noch ein Dach über dem Kopf haben würde. Manche Nacht schlief sie in einem Treppenhaus. „Den zweiten Winter hätte ich so kaum noch überstanden. Vor allem nicht den Hauptschulabschluss geschafft“, ist sie sich sicher.
Dass das jetzt anders ist, liegt zunächst an einem engagierten Bergedorfer Ehepaar, das ungenannt bleiben will. „Dort kann ich bis zum April ein Zimmer beziehen – und intensiv für meinen Abschluss im Frühjahr lernen“, sagt Nicole Brzesinsky. „Ich will mein Leben wieder in den Griff kriegen, endlich ohne Hartz IV auskommen und eigenes Geld verdienen. Das ist meine Chance. Und die werde ich nutzen.“
Darin wird sie übrigens auch von der aktuellen Mieterin ihrer künftigen Wentorfer Wohnung bestärkt. Die 82-jährige Seniorin hat die junge Frau sofort in ihr Herz geschlossen. „Ich verlasse meine Wohnung zwar ungern. Aber ich komme die Treppen bis in den zweiten Stock kaum noch hoch.“ Im April zieht sie deshalb ein paar Straße weiter in eine Erdgeschoss-Wohnung.
Mit Nicole Brzesinsky hat die alte Dame bereits erste Pläne für die Wohnungsübergabe geschmiedet. So lässt sie Möbelstücke zurück und auch den besonders gepflegten Teppich in allen Räumen. „Es passt einfach perfekt zusammen. Auch wenn ich es noch gar nicht glauben kann“, sagt die 26-Jährige. „Gestern habe ich mich noch gefürchtet, zwischen irgendwelchen Männern in einer Obdachlosenunterkunft zu landen. Und jetzt ziehe ich im April in ein kleines Schmuckstück. Ich muss erst noch realisieren, dass der Albtraum zu Ende ist.“