Bergedorf. Viele Menschen in Bergedorf suchen eine Wohnung, finden aber keine bezahlbare Bleibe. Die Statistik weist derzeit 430 „unversorgte Haushalte mit Dringlichkeitsschein“ aus. Hinter jedem Einzelfall steckt eine dramatische Geschichte - wie die der 26-jährigen Nicole Brzesinsky.

Nicole Brzesinsky hat Angst vor dem kommenden Winter: „Ich weiß nicht, ob ich jede Nacht einen Platz zum Schlafen finde“, sagt die 26-Jährige. „Vielleicht wird es manchmal ein Treppenhaus sein. Oder ich muss in eine Obdachlosen-Unterkunft des Winternotprogramms gehen – obwohl mir das mit den vielen Männern da gar nicht geheuer ist.“

Wer die junge Frau trifft, mag nicht glauben, dass sie zu den sogenannten Wohnungslosen gehört – mitten in Bergedorf. Sie hat ein zurückhaltendes Auftreten, ist freundlich, gepflegt und durchaus schlagfertig. Doch wenn die Sprache auf ihre aktuelle Situation kommt, schießen ihr Tränen in die Augen: „Vor 16 Monaten habe ich mich von meinem Ehemann getrennt. Seither bin ich auf Wohnungssuche. Jede Woche mindestens zwei Objekte, auch bei der städtischen Saga/GWG und einigen Wohnungs-Genossenschaften. Aber es hagelt nur Absagen, wenn die Vermieter überhaupt reagieren“, sagt die junge Frau leise. „Jetzt kommt schon der zweite Winter. Es ist so frustrierend. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte.“

Für sie bedeutet das, sich jeden Tag neu um ein Asyl für die Nacht kümmern zu müssen. Manchmal nimmt eine Freundin sie auch für mehrere Tage auf. Doch anschließend steht Nicole Brzesinsky mit ihrer kleiner Reise- und der großen Umhängetasche voll Habseligkeiten wieder auf der Straße. Obwohl sie sogar einen Dringlichkeitsschein vom Bezirksamt vorweisen kann und die Miete komplett vom Job-Center übernommen werden würde – bis 327 Euro kalt plus Nebenkosten.

Ihr Fall ist Alltag in der Metropole Hamburg. Und längst auch in Bergedorf. Die Zahl der ausgesellten Dringlichkeitsscheine für Menschen, die dringend eine (neue) Wohnung brauchen, wächst auch an der Bille jedes Jahr um gut zehn Prozent. Tatsächlich fündig werden längst nicht alle: Die Statistik weist für Bergedorf derzeit 430 „unversorgte Haushalte mit Dringlichkeitsschein“ aus – gut Hundert mehr als 2010 mit „nur“ 314.

Für den Mieterverein zu Hamburg sind diese Dramen nur eine Seite der Medaille: „Trotz groß angelegtem Wohnungsbauprogramm explodieren auch in Bergedorf die Mieten. Sie liegen derzeit zwischen neun und elf Euro netto kalt bei Erstvermietung im Neubau“, rechnet Vorsitzender Dr. Eckard Pahlke vor. „Das bedeutet für einen Durchschnittsverdiener, dass mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommens jeden Monat nur für das Wohnen draufgehen.“

In diesen Dimensionen mag Nicole Brzesinsky gar nicht denken. Sie wäre froh, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben – gerade jetzt, wo sie ihren Hauptschulabschluss nachholt: „Ende November ist Zwischenprüfung, 2013 dann Abschluss. Ich will das unbedingt schaffen. Aber ohne festes Zuhause ist das ein Riesenproblem. Ich kann kaum in Ruhe lernen.“

Wer ihr helfen will: Wohnungsangebote unter Stichwort „Brzesinsky“ an unsere Redaktion unter bergedorf@bergedorfer-zeitung.de.