Bergedorf. Ein Großaufgebot von Polizei und Feuerwehr verhinderte in der Nacht zu Dienstag in letzter Sekunde ein Drama: 39 Menschen waren durch die Brandstiftung an einem Mehrgenerationen-Haus in Lebensgefahr.

Ein lautes Krachen riss um 0.14 Uhr alle Bewohner aus dem Schlaf: Direkt neben dem Haupteingang des frisch bezogenen Mehrgenerationen-Hauses an der Ecke Brookdamm/Holtenklinker Straße brannte in der Nacht zu Dienstag plötzlich der hölzerne Müllverschlag. Bis zu sechs Meter schlugen die Flammen an der Fassade hoch. Eine dramatische Situation, weil viele der älteren Bewohner der Anlage auf den Rollstuhl angewiesen oder blind sind.

Trotzdem gelang es einem Teil der Bewohner, sich ins Freie zu retten. 19 Menschen schnitten die Hitze und vor allem der dichte Rauch aber den Fluchtweg ab. Sie blieben in ihren Wohnungen und mussten von der Feuerwehr mit Fluchthauben aus dem Gebäude gerettet werden.

Besonders dramatisch wurde die Lage für den 82-jährigen Senior, der Mieter der Wohnung im ersten Stock direkt über dem Feuer ist. Zum Glück hatte er in dieser Nacht seinen 20-jährigen Enkel als Übernachtungsgast einquartiert. Beide trauten ihren Augen nicht, als sie zur Balkontür hinaus schauten: Die Flammen schlugen über das Geländer, hatten längst die Außendämmung der Fassade erfasst und entzündeten den Fensterrahmen. Bevor die Fensterscheiben unter der Hitze barsten, retteten sich Enkel und Großvater im Schlafanzug durch das Treppenhaus nach draußen. Ein Polizei-Oberkommissar, der zu den ersten Helfern vor Ort zählte, zog sich selbst eine leichte Rauchgasvergiftung zu, weil er Bewohner aus dem Haus holte.

Insgesamt zehn Menschen, darunter zwei Kinder, mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden. Alle hatten Rauchgas eingeatmet, konnten die Kliniken aber gestern wieder verlassen. Die Mieter der drei Wohnungen in den Etagen direkt über dem Müllverschlag wurden von der Polizei zunächst in einem Hotel untergebracht. Mit Ausnahme des 82-Jährigen konnten alle gestern wieder zurück in die Anlage. Seine Wohnung ist zerstört und muss komplett renoviert werden.

Beim Anblick des Hauses wirkt es wie ein Wunder, dass die Folgen nicht weit dramatischer sind. Denn die Dämmung der Fassade ist über dem verkohlten Müll-Verschlag bis in sechs Meter Höhe geschmolzen. Das für den Putz darüber gelegte, offenbar nicht brennbare Netz, hängt wie Spinnenweben über dem nackten Mauerwerk.

Unter den Bewohnern geht die Angst um: „Wer tut so was?“, fragt Gerhard Schal. Der 65-Jährige wohnt erst seit einer Woche in der Anlage. An einen gezielten Anschlag glaubt er zwar nicht. „Aber der Verschlag hat die Täter nicht gerade abgeschreckt. Er hatte kein Schloss und war seit Tagen mit Müll vollgestopft. Es gab schon kein Durchkommen mehr zu den Containern.“

Tatsächlich geht die Polizei von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Die Täter müssen vermutlich kurz vor Mitternacht zugeschlagen haben. Entdeckt wurde das Feuer aber erst etwa 20 Minuten später, als die Flammen aus dem Holzverschlag schlugen. Die Brandstifter hat keiner der Zeugen gesehen.

Die Schadenshöhe steht noch nicht fest, dürfte aber wegen der umfangreichen Renovierungen 100.000 Euro deutlich überschreiten. Unklar ist, ob der Müll-Verschlag an gleicher Stelle wieder aufgebaut wird.