Die ertrunkene 14-Jährige wurde erst nach Stunden auf dem Grund des Allermöher Sees entdeckt. DLRG braucht für Arbeit Geld und Helfer.
Hamburg. Hunderte sonnenhungrige Badegäste tummelten sich an diesem verhängnisvollen Pfingstmontagabend am Ufer des Allermöher Sees. Nur wenige Menschen registrierten inmitten dieses Getümmels, dass sich ein Unglück ereignet hatte. Erst als ein Rettungswagen mit Blaulicht an der Uferwiese hielt und sich ein Notarzt seinen Weg durch die Menschenmenge bahnte, ahnten viele, dass etwas Schreckliches passiert sein musste.
Ein 42-Jähriger hatte eine 15-Jährige bereits aus dem Baggersee gezogen, versuchte das Mädchen mit Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung zurück ins Leben zu holen. Für dessen Freundin gab es keine Rettung mehr - sie war ertrunken.
+++ Badeseen mit und ohne Aufsicht +++
+++ 14-jähriges Mädchen im Allermöher See ertrunken +++
Gegen 18.10 Uhr hatte der Mann eine leblose Person im Wasser treiben sehen und war daraufhin sofort zu ihr geschwommen, wie Polizeisprecherin Karina Sadowsky erklärte. Es ist seinem schnellen Handeln zu verdanken, dass die 15-Jährige nicht starb, auch wenn noch nicht sicher ist, dass sie das Unglück überleben wird. Sie hat bei dem Badeunfall so schwere Verletzungen erlitten, dass sie von den Ärzten der Intensivstation des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) in ein künstliches Koma versetzt werden musste.
Während die 15-jährige Nina das Glück hatte, rechtzeitig entdeckt zu werden, kam für ihre Freundin Karin jede Hilfe zu spät. Weitere sechs Stunden sollte es dauern, bis der Leichnam der 14-jährigen Gesamtschülerin aus Bergedorf-West auf dem Grund des Sees entdeckt wurde. Dass es ein zweites Opfer geben musste, darauf sollen die Einsatzkräfte erst Stunden nach der Rettung der 15-Jährigen gestoßen sein. Bei den Bemühungen, das Mädchen zu identifizieren - was sich an dem Feiertag als schwierig herausstellen sollte -, sei herausgekommen, dass es nicht allein am See war, sagte die Polizeisprecherin. Erst über Klassenkameraden und später über eine Lehrerin habe man Kontakt zu den Eltern der 15-Jährigen bekommen können. Diese hätten den entscheidenden Hinweis auf das zweite Mädchen gegeben. Wenig später wurden die persönlichen Sachen beider Mädchen am Ufer entdeckt.
Erst gegen 22 Uhr lief die Großfahndung nach der 14-Jährigen an. Polizisten der Bereitschaftspolizei und Beamte mit Spürhunden suchten das Ufer und das Wohnviertel der 14-Jährigen am Friedrich-Frank-Bogen ab. Im und auf dem See waren die Feuerwehr und die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) mit Tauchern und einem Sonarboot im Einsatz. Eine Viertelstunde vor Mitternacht gab es keine Hoffnung mehr: Ein Taucher entdeckte den leblosen Körper der Jugendlichen 3,5 Meter tief auf dem Grund des Sees, knapp 80 Meter vom Ufer entfernt.
Die Frage, ob auch sie hätte gerettet werden können, wenn die 15-Jährige schneller hätte identifiziert werden können, blieb gestern unbeantwortet. Wie das Abendblatt erfuhr, sollen Streifenbeamte bereits bei dem ersten Einsatz von Augenzeugen auf ein zweites Mädchen hingewiesen worden sein.
Wie es zu dem Badeunfall kam, ist unklar. Die 14-Jährige konnte nicht schwimmen, glauben die Ermittler. Sie war noch vollständig bekleidet, als sie von Tauchern gefunden wurde. Möglich ist, dass den Jugendlichen dies im Baggersee zum Verhängnis wurde: Der 1984 bei der Entstehung des Neubaugebiets Bergedorf-West geschaffene See wird in Ufernähe nur langsam tiefer, allerdings folgt nach mehreren Metern eine Abrisskante, hinter der der Grund fast senkrecht in die Tiefe läuft. Sie könnten im seichten Wasser gebadet, sich zu weit hinausgewagt haben, bis sie keinen Boden mehr unter den Füßen hatten. Ob sie Alkohol getrunken hatten und sich überschätzten, wird untersucht.
Obwohl in den vergangenen Jahren bereits mehrere Menschen im äußerst beliebten Allermöher See ertrunken sind, gibt es dort keine DLRG-Aufsicht. Dem Verein fehle es neben Spenden und finanziellen Mitteln leider an Freiwilligen, "um mehr Naturgewässer bewachen zu können", sagte Andreas Aholt, Sprecher des Bezirksamtes Bergedorf. Dort, wo sie eingesetzt würden, leisteten die DLRG-Kräfte gute Arbeit. "Dieser tragische Fall hat wieder einmal gezeigt, dass die Rettungskräfte mehr Unterstützung benötigen."
Aholt sprach damit dem Chef der Hamburger DLRG, Heiko Mählmann, aus dem Herzen: Nur mit den Spenden und den Beiträgen der knapp 21 000 Mitglieder und Förderer ausgestattet, komme die Gesellschaft an ihre Grenzen. Ein Rettungsposten am Allermöher See sei bislang aus eigenen Mitteln nicht finanzierbar gewesen, sagte Mählmann, er sieht den Bezirk in der Pflicht. Erst vor wenigen Wochen habe die DLRG die Bezirksspitze darüber informiert, dass sich die Lebensretter eine Station in einem am Allermöher See geplanten Kiosk wünschten - als Ersatz für die Station am Eichbaumsee, in dem wegen Algenwuchses nicht mehr gebadet werden dürfe, sagte Mählmann. Dies habe der Bezirk aber abgelehnt.