Hamburg. Hamburg kauft Grundstücke am Allermöher Deich, um Hochwasser regulieren zu können. Bürgerinitiative kämpft gegen Abriss.
Es scheint, als würde die Zeit an der Dove Elbe in Allermöhe stillstehen. Wassersportler paddeln gemächlich über das rund 18 Kilometer lange Gewässer, das seit 1952 mit der Tatenberger Schleuse vom Tidestrom der Elbe getrennt ist. Auf den Wiesen sonnen sich Gänse, darüber schwirrt ein blauer Eisvogel. Seit es Ebbe und Flut nicht mehr gibt, ist hier ein einzigartiger Lebensraum entstanden.
In der Nähe der rund 400 Jahre alten Allermöher Dreieinigkeitskirche steht Dirk Barthel vor seinem Haus, Allermöher Deich 95, und spricht Worte, die jäh einen Schatten auf diese sommerliche Idylle werfen: „Die Abrisspläne kommen aus heiterem Himmel. Niemand wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass unsere Häuser in der zweiten Deichlinie nur geduldet sind.“
Die Hochwasserschutz-Pläne des Hamburger Senats und der von ihm favorisierte Wiederanschluss der Dove Elbe an die Tide-Elbe wirbeln das beschauliche Leben in dieser Region jetzt kräftig durcheinander. Während sich bereits die Bürgerinitiative „Dove-Elbe-retten“ dagegen wehrt, dass Ebbe und Flut durch die Öffnung zum Hauptstrom zurückkehren, droht dem Senat Streit mit weiteren Bürgern.
Hauseigentümer fürchten um den Wert ihrer Immobilie
Es sind Hauseigentümer wie Dirk Barthel, die um den Wert ihrer Immobilie fürchten, die Enteignung und schließlich den Abriss des Gebäudes. „Direkt in der Umgebung meines Hauses sind circa zehn Häuser betroffen“, sagt er. Sie alle stehen in der zweiten Deichlinie, auf dem Deichgrund. Es gehe aber um alle Binnendeiche an der Dove und Gose Elbe. Das dürften dann mehrere Hundert Häuser und Gewerbeimmobilien sein, schätzt Barthel, der sein Haus seit mehr als 30 Jahren besitzt.
Aus wirtschaftlichen Gründen, erzählt er weiter, wollte er es nun an eine Rostocker Investment- und Immobiliengesellschaft verkaufen, die umfangreiche Sanierungsmaßnahmen plante. Doch plötzlich teilte ihm der Notar mit, dass aus dem Verkauf nichts werde. Die Stadt habe von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Das war für ihn umso überraschender, weil es in den vergangenen drei Jahrzehnten nie Anzeichen dafür gegeben habe, dass an der zweiten Deichlinie irgendetwas für den Hochwasserschutz getan werde solle.
Dirk Barthel kritisiert, dass es vor dem Start dieser Maßnahmen kein Planfeststellungsverfahren gegeben habe – und hat für seine Bürgerinitiative bereits die ersten Mitstreiter gefunden. Wenn er sein Haus nunmehr an die Stadt verkaufen wird, dürfte er einen weitaus geringeren Preis als auf dem freien Immobilienmarkt erzielen. „In jedem Fall sind jetzt alle Investitionen in den Erhalt der meist mehr als 100 Jahre alten Häuser obsolet“, ärgert er sich.
Stadt reagiert auf den Rat von Experten
Auf Abendblatt-Anfrage bestätigte ein Sprecher der Umweltbehörde, dass derzeit „drei Verfahren zum Vorkaufsrecht für den Hochwasserschutz am Allermöher Deich“ laufen. Die Nutzung der zweiten Deichlinie für das Flutmanagement werde sich allerdings über viele Jahrzehnte hinziehen. „In den kommenden 100 Jahren nutzt die Stadt aber das ihr gesetzlich zustehende Instrument des Vorkaufsrechts konsequent, um die erforderlichen Flächen zur Sicherstellung des Hochwasserschutzes nach Deichordnung auch an der zweiten Deichlinie gewährleisten zu können“, heißt es in der Stellungnahme der Behörde.
Die Stadt reagiert mit diesen Plänen auf den Rat von Experten. So hat die Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Binnenhochwasserschutz unter Berücksichtigung von Ökologie und Ökonomie“ die Folgen des Klimawandels für die Dove Elbe mit ihren Zuflüssen Bille und Gose untersucht und unter anderem die „Schaffung von Speichervolumen im Vorland“ als wirksamste Variante empfohlen.
Hauseigentümer fordern Rechtssicherheit
Dennis Gladiator, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, betrachtet die Pläne des rot-grünen Senats mit Skepsis. „Es ist zu befürchten, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausübt, um damit Fakten für die Öffnung der Dove Elbe zu schaffen“, sagte der Bergedorfer dem Abendblatt. Absicht, Art und Weise seien völlig inakzeptabel. „Wir lehnen die Öffnung der Dove Elbe weiter entschieden ab und fordern einen sofortigen Ausstieg aus den vorbereitenden Untersuchungen. Die Überlegungen sind absurd und gefährlich, und deshalb müssen sie sofort beendet werden.“ Verständnis für die Maßnahmen des Senats zeigte Stephan Meyns, FDP-Fraktionsvize in der Bezirksversammlung Bergedorf. „Wir sprechen uns klar für einen hochwertigen Hochwasserschutz aus und befürworten alle Schritte in diese Richtung.“
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Hauseigentümer Barthel will mit weiteren Bürgern in der nächsten Zeit klare Kante zeigen: „Wir wollen Rechtssicherheit zum Bestandsschutz der Immobilien im Deichgrund der Binnendeiche. Es gibt keinen Anlass, hier abzureißen.“