Berlin. Stellvertretender Abendblatt-Chefredakteur begleitet Polizeieinheit 16 Monate lang. Jury lobt „langen Atem“ und „hochspannende Dokumentation“

Vielfach heißt es, der Respekt vor der Polizei schwinde. Und dass viele Hamburgerinnen und Hamburger in der Polizei nur die Verkörperung eines Staates sähen, den sie ablehnten. Aber stimmt das auch? Und wenn ja, was macht das mit den Polizistinnen und Polizisten? Das wollte das Hamburger Abendblatt in einem Langzeitprojekt – am Ende wurden es 16 Monate – herausfinden.

Daraus ist eine große Serie entstanden, die Anfang des Jahres im Abendblatt erschienen ist. Für dieses Projekt ist Stephan Steinlein, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, am Montagabend in Berlin mit dem Deutschen Lokaljournalistenpreis (Platz zwei) ausgezeichnet worden.

Platz eins ging an acht Journalisten des Berliner „Tagesspiegel“. Sie hatten die Daten zu Unterrichtsversorgung und Lehrerzahlen an 588 Berliner Schulen gesammelt, verglichen und mit Hintergründen, Analysen und Reportagen ergänzt – und so die Ausstattung der Schulen vergleichbar gemacht. Die Jury des Konrad-Adenauer-Preises würdigte: „Die Serie ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie man Daten und Fakten nutzt, um Geschichten zu erzählen.“

Langzeitprojekt des Hamburger Abendblatts ausgezeichnet: „Hochspannende Dokumentation“

Die Jury vergab den Zweiten Preis an Abendblatt-Reporter Stephan Steinlein für dessen Langzeitprojekt über die Polizisten der Dienstgruppe A am Polizeikommissariat 38 in Rahlstedt. Die Jury erkannte darin eine „hochspannende Dokumentation darüber, was die Polizistinnen und Polizisten tagtäglich auf der Straße erleben und was das bei ihnen auslöst“. Sie lobte „sowohl den langen Atem als auch das Vermögen des Reporters, das nötige Vertrauensverhältnis zu den Polizeibeamten aufzubauen“.

„Mit seinem langen Atem bei der Recherche, seinen tiefgründigen Texten, den hintergründigen Interviews und seinem einordnenden Kommentar hat das Hamburger Abendblatt nicht nur seinen Lesern besten Lokaljournalismus geboten.“

Jury des Deutschen Lokaljournalistenpreises
zur Abendblatt-Serie des stellvertretenden Chefredakteurs Stephan Steinlein

Steinlein hatte monatelang die A-Schicht begleitet, ist Streife mitgefahren, hat zugehört, beobachtet – ohne zunächst darüber zu schreiben. Mit der Zeit öffneten sich die etwa 20 Polizisten der Schicht und sprachen neben der Begeisterung für ihren Job auch über die psychischen Belastungen nach außergewöhnlichen Einsätzen wie dem Mord an einer jungen Frau mit mehr als 100 Messerstichen. Begleitet wurde Stephan Steinlein vom Abendblatt-Fotografen Michael Rauhe.

Jury zu Hamburger Abendblatt-Serie: tiefgründige Texte, hintergründige Interviews

„Mit seinem langen Atem bei der Recherche, seinen tiefgründigen Texten, den hintergründigen Interviews und seinem einordnenden Kommentar hat das Hamburger Abendblatt nicht nur seinen Lesern besten Lokaljournalismus geboten, Reporter Stephan Steinlein hat mit seiner Serie auch die Jury des Deutschen Lokaljournalistenpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung überzeugt“, heißt es in der Begründung.

Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert und die Jury-Vorsitzende Jana Klameth würdigten die Preisträger, zu denen auch die „Landshuter Zeitung“ (Platz 3) und Elena Everding vom „Göttinger Tageblatt“ (Volontärspreis) gehören. Um den „Oscar für Lokaljournalisten“ des Jahres 2023 hatten sich 297 Teams und einzelne Journalisten beworben.

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Die Festrede hielt der Berliner Bürgermeister und Finanzsenator, Stefan Evers. Er betonte, dass die Informationsflut immer weiter zunehme. Viele Menschen würden aus dem Blick verlieren, was vor der eigenen Haustüre passiere. Das zu zeigen, sei eine zentrale Rolle des Lokaljournalisten. Denn: „Unsere Demokratie wächst vom Lokalen.“ Lokaljournalisten seien „Anwälte des Bürgers“ und stärkten damit auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dafür brauche es gutes journalistisches Handwerk, das alle vier Preisträger unter Beweis gestellt hätten. HA