Altstadt. Das Mahnmal St. Nikolai bietet nun Gespräche für Zeitzeugen – und will Erinnerungsstücke an den Feuersturm sammeln. Lesung am Donnerstag.
Es ist ein einzigartiges Museum in Hamburg: Es finanziert den Betrieb aus eigenen Mitteln, nur 40 Prozent der Besucher kommen aus dem Inland, die Mehrheit reist aus dem Ausland an. Und es rührt an schwierige Erinnerungen, die unter den Trümmern des alten Hamburgs begraben liegen – die Erinnerung an den Hamburger Feuersturm. Das Mahnmal St. Nikolai erzählt in der erhaltenden Krypta von den Verheerungen des Krieges im Allgemeinen und den Zerstörungen der Stadt in der Operation Gomorrha im Besonderen.
Nun wird das Angebot des Mahnmals an der Willy-Brandt-Straße 60 ausgeweitet. Das Erinnerungswerk Hamburger Feuersturm des Psychoanalytikers Ulrich Lamparter wird in das Museum integriert. Er erforscht seit Jahren die Folgen des Feuersturms für die Menschen. Den Beginn machte eine Serie im Hamburger Abendblatt 2003, woraufhin er 60 Zeitzeugen traf. Inzwischen ist seine Arbeit mit den Zeitzeugen auf 250 Interviews angewachsen, sie dokumentiert verstörende Erinnerungen an die Nächte, als Feuer vom Himmel fiel. In den vier Angriffswellen der Operation Gomorrha starben im Juli 1943 zwischen 35.000 und 40.000 Hamburger.
Operation Gomorrha: Erinnerung an den Feuersturm – ein Angebot an alle Hamburger
„Wir wollen unsere Arbeit fortführen und zu einem breiten und kontinuierlichen Angebot für die Hamburger Bevölkerung entwickeln“, sagt Lamparter. Betroffene, Angehörige oder Menschen, die sich mit dem Thema beschäftigen, wird ein Gespräch mit einem fachkundigen Psychotherapeuten angeboten. Im Mahnmal St. Nikolai können Interessierte einen Termin bekommen. Das Museum ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Zugleich sollen die persönlichen Erinnerungen Teil eines kollektiven Gedächtnisses werden, Interessierte können bislang das Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg zur Recherche nutzen. Künftig sollen die Interviews digital abrufbar werden. „Wir wollen einen neuen Impuls für unsere Erinnerungsarbeit setzen“, sagt Nele Maya Fahnenbruck aus der Geschäftsführung des Förderkreises Mahnmal St. Nikolai e.V.
„Viele Flüchtlinge nehmen das Mahnmal als Ort ihrer eigenen Erfahrung wahr“
Gerade durch die Rückkehr des Krieges nach Europa ist der Ort aktueller, als uns lieb sein kann. „Viele Besucher bringen das Mahnmal mit ihren eigenen Kriegs- und Fluchtgeschichten in Verbindung“, so Fahnenbruck. So habe das Museum durch den Krieg an Relevanz und Wichtigkeit noch gewonnen.
Die Gedenkstätte lebt vom Engagement vieler. Die Stadt und die Kirche St. Nikolai am Klosterstern stellen das Gebäude zur Verfügung, der Vorstand arbeitet ehrenamtlich. Neben der Dauerausstellung gibt es immer auch wieder besondere Schauen: Gerade zeigt das Mahnmal „Fotografie und Kriegsberichterstattung im Warschauer Aufstand 1944“ auf dem Platz des ehemaligen Kirchenschiffes.
Operation Gomorrha: Erinnerung an Opfer der Bombenangriffe im Kontext des Vernichtungskrieges
Das Mahnmal versteht sich als Ort, der Gegenwart mit Vergangenheit und Zukunft verbindet, und will an die Opfer der Bombenangriffe im Kontext des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges erinnern. Lamparter weist darauf hin, dass die letzten Zeitzeugen während des Krieges noch Kinder gewesen seien und inzwischen hochbetagt sind. Die psychischen Folgen der Angriffe hätten heute viele Mediziner nicht mehr präsent. „Es ist wichtig, das Thema wachzuhalten“, sagt er. Und er verspricht: „Ich mache weiter. Ich ziehe mich nicht zurück.“
Die Kooperation wird Anfang August im zeitlichen Umfeld des 81. Jahrestages beginnen. „Neben den Gesprächen sind wir auch an Gegenständen und Erinnerungsstücken, Photos und Briefen aus der Zeit interessiert, die im Mahnmal archiviert werden sollen“, sagt Lamparter. Zugleich geht es darum, auch die Ausstellung bekannter zu machen: „Viele Hamburger kennen den Ort nicht – auch Verdrängung, Verleugnung und Abwehr können dabei eine Rolle spielen“, sagt Hauptpastor Martin Vetter.
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Um das zu ändern, erinnert das Mahnmal mit Veranstaltungen an die verheerenden Bombennächte vor 81 Jahren: Am 25. Juli, um 19 Uhr, stehen die Erinnerungen der Familie Remé im Mittelpunkt: Erik Schäffler, Michael Batz und Mignon Remé lesen aus Briefen von der Ostfront und Tagebuchschilderungen über die Verwüstung nach dem Feuersturm. Ebenso geht es um die Erinnerungen von Wilhelm Remé, Pastor an der Eilbeker Kirche und Vorstand der bekennenden Kirche.
Kontakt: Förderkreis Mahnmal St. Nikolai e.V., Willy-Brandt-Straße 60, 20457 Hamburg, Telefon: 040/468 98 04 0, E-Mail: info@mahnmal-st-nikolai.de