Ein 22-Jähriger verletzte die transsexuelle Frau so schwer, dass sie arbeitsunfähig ist. Am Dienstag begann der Prozess.

  • Brutaler Angriff auf der Reeperbahn hat dramatische Folgen für das Opfer
  • Einstige Dragqueen kann nicht mehr arbeiten
  • Prozess in Hamburg hat am Dienstag begonnen

Hamburg. Mit gefalteten Händen sitzt Samia S. vor der Richterin. Vor anderthalb Jahren begeisterte die transsexuelle Frau noch mit Auftritten als Dragqueen und Travestiekünstlerin, zuletzt im „ZDF-Fernsehgarten“. Doch seit dem „Vorfall“, wie es die Zeugin und Nebenklägerin am Dienstag nennt, sei nichts mehr, wie es mal war. Sie könne kein normales Leben führen, sei arbeitsunfähig. „Ich bin schwer traumatisiert, leide unter Schwindel, Orientierungs- und Koordinationsproblemen“, sagt die 35-Jährige mit tränenerstickter Stimme vor dem Jugendschöffengericht.

 Am 17. Juli 2021 soll Timo F. (22, Name geändert) sie mit einem Faustschlag ins Gesicht niedergestreckt haben, nach einer verbalen Auseinandersetzung auf der Reeperbahn. Samia S. fiel mit dem Hinterkopf auf den Asphalt, wurde bewusstlos und erlitt einen Schädelbruch. Die Staatsanwaltschaft wirft F. außerdem vor, sich an einem Angriff auf einen Mann in Billstedt beteiligt zu haben, bei dem auch ein Messer zum Einsatz gekommen sei. Zu den Vorwürfen äußern will sich der 22-Jährige nicht. Er werde sich „schweigend verteidigen“, sagt sein Verteidiger.

Reeperbahn: Transfrau schildert Folgen des brutalen Angriffs

42 Übergriffe gegen Angehörige der LGBTIQ+-Community haben die Behörden 2021 erfasst – einer davon war der Angriff auf Samia S. Sie erinnere sich überhaupt nicht an das Geschehen in jener warmen Julinacht, sagt die Zeugin. Sie sei auf der Intensivstation aufgewacht, wo ihr eine Polizistin von dem Angriff vor einem Schnellrestaurant auf dem Kiez berichtete. Sie habe den Tathergang zudem mithilfe eines Videos vom Vorfall und Aktenteilen rekonstruiert.

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Für sie gehe daraus hervor, dass jemand sie zunächst „transfeindlich“ beleidigt habe. Dann sei ein kleines Gerangel zu sehen – und der Schlag. Verteidiger Christian Lange hält – das Bildmaterial im Blick – indes noch eine andere Variante für denkbar: dass die Transfrau provoziert habe. Samia D. weist das zurück: „Ich habe mich geschützt“, sagt sie.

Eine Passantin, die am Dienstag als Zeugin aussagt, war dabei, als der Streit eskalierte. Die Geschädigte habe sich offenbar von einer Gruppe junger Männer re­spektlos behandelt gefühlt, so die 22-Jährige. Vor dem Gesicht eines der Männer habe sie darauf mit der Hand „herumgestikuliert“. Dann sei es zu einer Schubserei gekommen, aus der Gruppe sei so etwas wie „Geh weg!“ zu hören gewesen. Ein anderer Mann habe die Transfrau geschlagen.

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Der Prozessauftakt am Dienstag stößt auf ein enormes Medienecho. Nur einen Tag nach der Attacke, vom Krankenhausbett aus hatte Samia S. ihren Fall auf Facebook öffentlich gemacht – um der „Community“ zu helfen, dass Taten wie diese nicht weiter verschwiegen werden, etwa aus falscher Scham, wie sie sagt. Es gebe auch immer mehr solcher Übergriffe. Sie akzeptiere keine Opferrolle, „nur weil ich bin, was ich bin“. Bis vor fünf Jahren habe sie als Homosexueller gelebt. Völlig pro­blemfrei. Als Transfrau sei sie indes häufig verbal angefeindet, aber wenigstens nie geschlagen worden. Der Prozess geht weiter.