Hamburg. Die Fährreederei verliert Personal an Betriebe im Hafen, die deutlich mehr zahlen. Bringt ein dickes Gehaltsplus jetzt die Wende?

  • Immer häufiger kommt es zu Ausfällen bei den Fähren der Hadag. Der Grund dafür ist fehlendes Personal.
  • Viele Angestellte würden zur Konkurrenz wechseln – vor allem wegen des Gehalts

In der Woche vor Ostern war es besonders schlimm: Allein am Gründonnerstag entfielen auf der Fährlinie 62 zwischen Finkenwerder und den St. Pauli Landungsbrücken sieben Fahrten pro Richtung. Für die Finkenwerder, für die „der Dampfer“ das ist, was für andere Hamburger U- oder S-Bahn sind, besonders ärgerlich.

Hadag-Problem: „Betriebsstörung“ bedeutet eigentlich „kein Personal“

Aber auch auf den für Hafenarbeiter wichtigen Fährlinien 72 und 73 gab es massive Ausfälle. Wer am Gründonnerstag zweite Schicht auf Steinwerder hatte, konnte froh sein, wenn er mit dem Auto gekommen war. Ansonsten verzögerte sich der Start ins lange Wochenende: Alle Abendfahrten ab Arningstraße waren gestrichen.

„Betriebsstörung“ hieß es auf dem Hadag-Twitter-Kanal. Insider wissen, was das heißt: kein Personal. Der Hadag kommen die Schiffsführer abhanden. Die Konkurrenz wirbt sie ab – und hat es leicht. Auch in den letzten Tagen fielen wieder einzelne Fahrten aus.

„So schlimm habe ich das noch nie erlebt“, sagt die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Schittek. Die Ärztin aus Cranz mit Praxis in Blankenese hat nicht nur politisch ein Interesse am reibungslosen Fährverkehr und schaut der Hadag deshalb sehr genau auf die Finger. „Betriebsstörung“ bedeutet in der Regel, dass die Hadag die Fähre nicht besetzen kann. Ihr laufen die Schiffsführer davon!“

Fachkräftemangel im Hafen: Private Konkurrenz wirbt Hadag-Schiffsführer ab

Schiffsführer mit Hafenpatent sind im ganzen Hafen rar und gefragt. Die Hadag hat vor einigen Jahren eine Ausbildungsoffensive gestartet, um altersbedingte Abgänge auszugleichen. Mit Abwerbung durch die Konkurrenz hat sie allerdings nicht gerechnet.

„Wir stellen in der Regel fünf bis sechs Auszubildende in jedem Jahr ein“, sagt der Geschäftsführer der Hadag, Tobias Haack. „Leider bilden nicht alle Hafenrundfahrtsbetriebe aus. Insbesondere einige große Anbieter von Hafenrundfahrten bilden so gut wie kein eigenes Personal aus, sondern werben ausgelernte Schiffsführer bei Wettbewerbern ab. Das wurde auch durch eine starke Anhebung der Gehälter in diesen Betrieben gemacht. Leider haben hauptsächlich deshalb in den letzten Wochen viele Schiffsführer die Hadag verlassen.“

Zehn Schiffer verließen die Fährreederei bis jetzt – 2022 waren es 13 insgesamt

Zehn Schiffer verließen die Fährreederei in den ersten Monaten des Jahres. 2022 waren es über das ganze Jahr 13. Laut Hadag-Betriebsrat Stefan Singh können derzeit zwölf Stellen nicht besetzt werden. Das Geld ist dabei nur ein Beweggrund der Schipper, bei der Hadag abzumustern. „Es sind auch die Arbeitszeiten“, sagt Singh.

„Wir stellen den öffentlichen Nahverkehr auf dem Wasser sicher, und das bedeutet für einige Schiffsführer einen Dienstbeginn zwischen vier und fünf Uhr morgens; für andere ein Schichtende nach Mitternacht. Bei den Touristenreedereien sind die Zeiten angenehmer. Wenn dann noch monatlich 1000 Euro brutto mehr gezahlt werden als bei uns und auch noch eine Trinkgeldbeteiligung dazukommt, lockt das viele.“

Drei Jahre Ausbildung – die Eigengewächse verlassen die Hadag

Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Schiffsführer. Dazu kommt noch das Hafenpatent, das bei der Hafenbehörde HPA abzulegen ist und für das die Schipper in der Regel noch einmal ein halbes Jahr brauchen. Die HPA, die Hadag, einige Festmacher und andere Hafenbetriebe bieten die Ausbildung an.

Viele andere, darunter die meisten Rundfahrreedereien, bilden nicht aus, sondern bedienen sich aus dem Personal der Ausbildungsbetriebe. Bei der Hafengewerkschaft Ver.di sieht man das kritisch: „Wir bringen seit Jahrzehnten eine Ausbildungsumlage ins Gespräch, aber gerade die Unternehmen, die sich hier einen schlanken Fuß machen, wollen sich nicht darauf einlassen“, sagt Ver.di-Pressesprecherin Anja Keuchel.

Bürgerschaftsabgeordnete fordert mehr Gehalt für Hadag-Schipper

Gudrun Schittek hat Verständnis für die Probleme der Hadag, fordert aber einen anderen Umgang damit: „Wenn das so ist, muss die Hadag beim Gehalt, den Arbeitsbedingungen und bei der Ausbildung nachlegen“, sagt sie. „Und die Shuttledienste zu den Musicals oder zu Airbus dürfen keinen Vorrang vor dem allgemeinen Linienverkehr haben.“

Hadag-Chef Tobias Haack bestreitet, dass der Linienverkehr mehr unter dem Schiffsführermangel leidet, als die Shuttledienste: „Falls es zu personalbedingten Fahrtausfällen kommt, gehen wir nach Möglichkeit nach Prioritäten vor. So kann zum Beispiel als Alternative zur Linie 75 der Alte Elbtunnel genutzt werden, sodass ein Ausfall für den Fahrgast vergleichsweise wenig Unannehmlichkeiten verursacht. Auf der Linie 68 zu Airbus fahren wir bei Engpässen gegebenenfalls statt mit drei nur mit zwei Schiffen. Wegen der kurzen Überfahrtdauer von Teufelsbrück sind die Auswirkungen für Fahrgäste deshalb auch vergleichsweise gering“, sagt er.

„Die Hadag hatte in den letzten vier Jahren im Bereich Schiffsführer Personal aufgebaut. Wir haben während der Pandemie den Betrieb aufrechterhalten und Mitarbeiter gehalten. Private Anbieter füllen jetzt die Lücken wieder auf, die bei ihnen durch Entlassungen und Abgänge während der Pandemie entstanden sind. Wir befinden uns zurzeit in Tarifverhandlungen, und es ist uns bewusst, dass eine Anpassung der Gehälter bei der Hadag erfolgen muss.“

Gehaltsplus bei der Hadag soll über dem Hochbahn-Tarifabschluss liegen

Dass bei der Hadag immer noch verhandelt wird, ist ungewöhnlich. Üblicherweise übernimmt die Reederei den Tarifabschluss der Hamburger Hochbahn AG, ihres Mutterkonzerns. Dort hat man sich vor Kurzem auf 11,7 Prozent Steigerung bei einer Laufzeit von eineinhalb Jahren geeinigt.

Für viele andere öffentliche Arbeitgeber scheint dies unvorstellbar hoch. Für die Hadag-Schiffer reicht es anscheinend nicht. „Deshalb haben wir uns dem Hochbahn-Abschluss nicht angeschlossen“, sagt Stefan Singh. „Wenn sich die Bezahlung nicht dramatisch verbessert, werden uns wohl noch mehr Schiffer verlassen.“