Hamburg. Truppführer Philipp wollte mit seinem Team einen Brand im Stubbenhof löschen. Dort trafen sie auf rund 50 Randalierer.

Der 33 Jahre alte Philipp war in der Silvesternacht Truppführer bei dem Feuerwehreinsatz der Wehr Hausbruch im Stubbenhof. Seinen Nachnamen möchte er nicht lesen. Aus Sorge, dass das „Problemklientel“ aus der Gegend auf Rache sinnt. Schon vor dem Löscheinsatz im Stubbenhof hatten er und seine fünf Kameraden der Feuerwehr Hamburg aus diesem Grund ihre Namensschilder von der Uniform genommen. Die eingesetzten Feuerwehrleute, die meisten unter 30 Jahre alt, kommen alle aus der Gegend. Im Abendblatt schildert Philipp den Einsatz.

Silvester in Hamburg 2022: Stubbenhof berüchtigt bei Polizei und Feuerwehr

„Wir waren alle zu Hause und nicht am Feuerwehrhaus, als nach Mitternacht der Einsatz kam, dass es im Albershof brennt“, erzählt er. Kurz darauf sitzen er und seine Mitstreiter schon im Feuerwehrfahrzeug. „Wir sind schon auf dem Weg zu diesem Einsatzort aus dem Bereich Stubbenhof beschossen worden“, sagt er.

Nach dem kurzen Löscheinsatz im Albershof treten sie den Rückweg an. „Schon da sind wir aus Sicherheitsgründen nicht mehr am Stubbenhof vorbeigefahren, sondern haben einen Umweg über die Straßen Lange Strippen und Striepenweg genommen, um sicher zurück zum Feuerwehrgerätehaus zu kommen.“

Kaum ist das Einsatzfahrzeug vor dem Feuerwehrhaus, die Mannschaft noch nicht einmal ausgestiegen, kommt der nächste Einsatz rein. Er lautet „Stubbenhof 13 FEUK brennt Müllcontainer“. „Wir wussten gleich, dass das anstrengend wird“, sagt Philipp. Die Adresse Stubbenhof ist bei Polizei und Feuerwehr berüchtigt.

Auch in den vergangenen Jahren waren Einsatzkräfte bei vergleichbaren Einsätzen Böllerbewurf ausgesetzt gewesen. In der Regel dominieren dort junge Männer mit Migrationshintergrund die Szene. Viele von ihnen hatten schon in der Vergangenheit auch Schreckschusswaffen dabei, aus denen sie sich gegenseitig und andere zufällig in der Nähe befindliche Menschen mit Signalmunition oder Vogelschreck beschossen. So hat es Feuerwehrmann Philipp beobachtet.

Auf die Einsatzkräfte wurde mit Schreckschusswaffen geschossen

Als das Feuerwehrfahrzeug um 0.49 Uhr zunächst in die Neuwiedenthaler Straße einbiegt, „fliegen schon die ersten Feuerwerkskörper über die Straße“, sagt Philipp. „Als wir dann am Stubbenhof waren, kamen noch von Schreckschusswaffen abgefeuerte Geschosse dazu“, so der 33-Jährige weiter. „Wir sind gar nicht in den Stubbenhof eingebogen, sondern haben gleich die Flucht ergriffen.“

Das Feuerwehrfahrzeug fährt weiter bis zum etwa 400 Meter Rewe-Markt in der Neuwiedenthaler Straße. Dort stellt es der Fahrer in Fahrtrichtung Stubbenhof auf und wartet auf die Polizei, die über Funk zu Hilfe gerufen worden ist. Die erscheint aber zunächst nur mit einem Peterwagen, der auch noch mit einem einzelnen Beamten besetzt ist. „Dabei hatte ich gleich mitgeteilt, dass die Polizei mit einem größeren Aufgebot anrücken muss“, so Philipp.

Die Einschätzung des Feuerwehrmanns bekommt der Polizeibeamte jetzt am eigenen Leib zu spüren: Auch sein Peterwagen wird sofort unter Beschuss genommen. Auch er biegt nicht in den Stubbenhof ein, sondern ergreift die Flucht. Kurz darauf steht er bei der Feuerwehr in Höhe eines Rewe-Marktes.

Nun sollt eigentlich die Bereitschaftspolizei anrücken. Doch die muss erst von nördlich der Elbe kommen. Grund: Stärkere Polizeikräfte, die sich bereits im Süden versammelt haben, müssen sich am Harburger Ring ebenfalls mit Randalierern auseinandersetzen. So vergeht nach Philipps Schätzung „eine halbe bis Dreiviertelstunde“, bis die Bereitschaftspolizei da ist.

Feuerwehrmann Philipp sah Angriffe auf Busse und Einsatzfahrzeuge

Es bleibt viel Zeit, um das Treiben aus der Ferne zu beobachten. „Es waren mindestens 50 Personen, die aus dem Bereich Stubbenhof auf Fahrzeuge geschossen haben“, so der Feuerwehrmann. Besonders intensiv hätten die Krawallmacher die Einsatzfahrzeuge und Busse der Hochbahn ins Visier genommen.

Endlich, gegen 1.30 Uhr, trifft die Bereitschaftspolizei ein. „Wir hatten einen Treffpunkt vereinbart. Dort haben sie sich ausgerüstet und sind dann zum Stubbenhof gefahren“, so Philipp. Die Feuerwehrleute warten ab. Vorher rückt die Bereitschaftspolizei in die Sackgasse Stubbenhof ein. Das geht schnell. Die Randalierer haben sich beim Anblick der gut ausgerüsteten Beamte fluchtartig in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Dann sichern die Beamten die Eingänge zu den Wohnblocks. Nach etwa fünf Minuten bekommt die Feuerwehr über Funk die Nachricht: Der Stubbenhof sei jetzt „sicher“.

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Matthias Iken ist stellvertetender Chefredakteur des Abendblatts.
Von Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Abendblatts

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Von der Alarmierung bis zum Einsatz der Polizisten ist fast eine Stunde vergangen. „Wir hatten am Nachmittag einen Einsatz, bei dem es um eine Verqualmung in einer Wohnung ging, in der sich eine bettlägerige Person befand“, sagt Philipp. „Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn so ein Szenario der Einsatzgrund im Stubbenhof gewesen wäre.“

Philipp Kollegen bekamen Polizeischutz auf dem Weg zum Feuerwehrgerätehaus

Noch brennt indes der große Müllcontainer, der in einer Müllbox steht. „Der hat tatsächlich noch gebrannt, als wir angekommen sind“, so Philipp. Auch hier sind die Löscharbeiten eine Sache von wenigen Minuten. Dann wird das Löschgerät eingepackt. Die Feuerwehrleute steigen wieder in ihr Fahrzeug. „Wir sind dann auch nicht mehr beschossen oder mit Böllern beworfen worden“, sagt Philipp.

Dank des Polizeischutzes fahren alle Feuerwehrleute unverletzt zurück zum Feuerwehrgerätehaus am Rehrstieg. „Alle sind unverletzt geblieben. Wir haben dann noch das Fahrzeug auf Schaden untersucht, aber auch da nichts festgestellt“, sagt der Feuerwehrmann.

Auch am kommenden Silvester wird die Wehr Hausbruch im Einsatz sein. Dann geht es sicher auch wieder in den Stubbenhof. „Der Stubbenhof“, sagt Philipp, „war eigentlich jedes Jahr als Einsatzort dabei.“