Hamburg. Was kann Hamburg tun, damit aus einem Starkregenereignis keine Katastrophe wird? Eine Klimaphysikerin will Antworten finden.
Bei Starkregen, wenn in sehr kurzer Zeit eine bestimmte Regenmenge überschritten wird, können in Städten lokale Überschwemmungen drohen. Dies hängt aber nicht nur von der Menge ab, sondern auch davon, wie aufnahmefähig der Boden ist: Ist dieser versiegelt? Gibt es Pflanzen, die den Abfluss an der Oberfläche verzögern? Gibt es Höhenunterschiede und wenn ja, wo läuft das Wasser zusammen? Außerdem spielt das Fassungsvermögen der Kanalisation eine Rolle.
Ob aus einem Starkregenereignis ein Notfall oder gar eine Katastrophe wird, hängt aber auch von gesellschaftlichen Faktoren ab. Zum Beispiel davon, wie gut Bürger über Risiken informiert sind und ihre Grundstücke dementsprechend umgestalten. Durch gezieltes Regenwassermanagement lässt sich ein zu schneller Abfluss an der Oberfläche verhindern.
Klimarisiken werden aus ganzheitlicher Perspektive untersucht
Damit Rückhalteflächen geschaffen und Böden entsiegelt werden können, müssen politische Entscheidungen fallen – auch solche, die auf eine generelle Neugestaltung des öffentlichen Raums zielen. Zum Beispiel indem wir uns mit dem Wasser arrangieren und diesem generell mehr Raum in der Stadt geben.
Im Exzellenzcluster für Klimaforschung „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) der Universität Hamburg untersuchen wir Klimarisiken nicht nur aus Sicht der Meteorologie, sondern aus ganzheitlicher Perspektive, zum Beispiel für Hamburg. Gemeinsam mit den Beteiligten prüfen wir, wie nachhaltig Anpassungsmaßnahmen sind, aber auch wie aufwendig und wie akzeptabel. Wie wahrscheinlich ist es, dass die jeweiligen Maßnahmen umgesetzt werden? Wie hoch ist die Bereitschaft, kann und will die Stadt sich diese leisten?
Gesellschaftliches Handeln lässt sich nicht berechnen
Das ist knifflig. Denn anders als in der Physik lässt sich gesellschaftliches Handeln nicht exakt berechnen und in ein Computermodell integrieren. So haben Starkniederschläge in der Metropolregion überproportional zugenommen. Das führt aber nicht automatisch dazu, dass mehr Flächen entsiegelt oder Speicherbecken eingerichtet werden, die die Wassermassen auffangen können.
Solche Entscheidungen hängen eher davon ab, ob die finanziellen Mittel bereitgestellt werden, wie viel Zeit ein Umbau benötigt und wie hoch der Druck auf die Politik ist. Der entsteht zum Beispiel, wenn Schäden sich häufen und immer teurer ausfallen, wissenschaftliche Erkenntnisse hinzukommen oder besser aufgeklärt wird.
Wie wirkt das System als Ganzes zusammen?
Mit meinen Kollegen erarbeite ich deshalb gerade ein sogenanntes konzeptionelles Modell der Stadt. Damit lassen sich Ursachen und Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten bildlich darstellen und mögliche Rückkopplungen erkennen. Denn tatsächlich geht es weniger um einzelne Phänomene als vielmehr darum, wie das System als Ganzes zusammenwirkt – ob und inwieweit sich Prozesse gegenseitig verstärken, vermindern oder aufheben.
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Solche speziellen Analysen lassen sich nur im Team bewerkstelligen. Jede und jeder von uns ist dabei Profi auf einem bestimmten Gebiet: Hydrologie, Bodenkunde, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften, Stadtplanung, Ökonomie, Meteorologie. Unser gemeinsames Ziel: herausfinden, welches die entscheidenden Hebel sind, um eine nachhaltige Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen.
Alle Akteure müssen sich beteiligen
Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass es notwendig ist, sich auf effektive Hebelpunkte zu konzentrieren, die vielleicht weniger offensichtlich sind, dafür aber auf systemweite Veränderungen abzielen. Es hat sich herausgestellt, dass die Komplexität der Klimaanpassung nur durch eine Beteiligung aller Akteure – Wasserwirtschaft, Stadtplanung, Politik und Bürger/-innen – erfolgreich angegangen werden kann. Der sogenannte Ansatz der wassersensiblen Stadtentwicklung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.