Hamburg. Nirgendwo sonst in Hamburg gibt es so viel Kriminalität. Woran das liegt – und warum schnelle Besserung der Zahlen nicht in Sicht ist.
- Der Hauptbahnhof ist der Kriminalitäts-Brennpunkt Hamburg
- Nirgendwo sonst in der Stadt gibt es so viel Kriminalität
- Und die Zahl der Straftaten steigt weiter
Die Zahl der Straftaten rund um den Hamburger Hauptbahnhof ist höher als im Jahr vor der Pandemie. Insgesamt ist die Kriminalität in der Innenstadt, zu der Teile St. Georgs, der Bereich an der Binnenalster, das Rathaus und die angrenzenden Einkaufsstraßen gehören, um etwa fünf Prozent im Vergleich zu 2019 gestiegen.
Nirgends in Hamburg ballt sich Kriminalität so auf einen kleinen Bereich wie im „Ortsteil 114“, wie der westliche Teil St. Georgs offiziell heißt und der den Hauptbahnhof, den Hansaplatz, den ZOB und die Drogenhilfeeinrichtung Drob Inn umfasst. Dort gibt es eigentlich alle Brennpunkte, die dieser Stadtteil zu bieten hat. In den vergangenen vier Jahren wurden jährlich rund neun Prozent aller in Hamburg von der Polizei festgestellten Straftaten in St. Georg verübt. Nirgends, auch nicht auf St. Pauli, dem zweiten Kriminalitätsbrennpunkt in Hamburg, wird diese hohe Zahl an Taten auch nur annähernd erreicht.
Polizei Hamburg: Hauptbahnhof und Umfeld "Brennpunkt der Kriminalität"
„Der Hauptbahnhof und sein Umfeld in Richtung St. Georg ist seit Jahrzehnten ein Brennpunkt der Kriminalität“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Das Milieu ist geprägt von einem hohen Anteil an Problemklientel, oft im Zusammenhang mit Drogen, Alkohol und Obdachlosigkeit. Dazu kommen zahlreiche Einrichtungen, wie das Drop Inn, die einerseits diesen Menschen eine Hilfe sein sollen, andererseits aber eine Ballung noch forcieren.“
Die Polizei könne ohnehin nur die Symptome bekämpfen. „Jedem muss aber klar sein, dass ein verstärkter Einsatz dort zu Lasten anderer Kriminalitätsbekämpfungsbereiche und anderer Stadtteile geht“, so Jungfer. „Dabei sind wir bereits jetzt durch die vielen Bewachungsmaßnahmen rund um Konsulate und die anderen gefährdeten Einrichtungen personell sehr gefordert.“
Auffallend ist, dass viele Straftaten, gerade wenn es um Raub oder Körperverletzung geht, in dieser Szene verübt werden. „Da geht es um die gewaltsame Wegnahme von einer Dose Bier, die, wenn sie der Polizei bekannt wird, erst einmal eine Raubstraftat darstellt“, so ein Beamter. „Wir werden deshalb nicht nur bei der klassischen Dunkelfeldkriminalität, wie Drogendelikten, sondern auch bei Delikten wie Raub oder Körperverletzung, mit einen Anstieg der Fallzahlen rechnen müssen“, sagt Jungfer. Dies sei die Folge einer intensiveren Überwachung.
Kriminalität: Taschendiebstähle steigen um 24 Prozent
Hoch ist auch die Steigerung beim Taschendiebstahl: Hier ging die Zahl der Fälle von 1547 in den ersten neun Monaten 2021 auf 1922 Fälle im gleichen Zeitraum dieses Jahres hoch. Das entspricht einer Steigerung von über 24 Prozent. Hier ist auch in hohem Maß der Hauptbahnhof selbst betroffen. Der Grund waren die günstigen Tatgelegenheiten. Durch das 9-Euro-Ticket hatte es in diesem Jahr einen deutlichen Anstieg bei den Nutzern des Nahverkehrs gegeben. Das damit verbundene Gedränge war für Taschendiebe geradezu ideal.
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So sind auch immer vermehrt „normale Bürger“ und Reisende das Opfer von Straftaten in dem Bereich geworden. Das gilt auch im Fall der „an/aus Kfz-Kriminalität“, wohinter sich in der Regel Autoaufbrüche verbergen. 454 solcher Taten wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres allein in dem dem Ortsteil 114 zugehörigen Bereich St. Georgs verübt. Das sind 128 mehr als im gleichen Zeitraum 2019, dem letzten Vor-Corona-Jahr.
Polizei Hamburg: Beschaffungskriminalität am Hauptbahnhof steigt
Hier handelt es sich offenbar zu einem großen Teil um Beschaffungskriminalität, also um Straften, die begangen werden, um Geld für Drogen zu bekommen. Das zeigen auch Erkenntnisse der Polizei. Meistens kamen aus den aufgebrochenen Fahrzeugen Geldbörsen oder Handys weg, die leichtsinnigerweise dort aufbewahrt wurden.
Die Zusammensetzung der „Problemszene“ ist für die Polizei schwer zu erfassen, da darüber bei den Sicherheitsbehörden keine Statistiken geführt werden. Man habe aber „rund um den Hauptbahnhof bis zum ZOB“ eine „spürbare Zunahme“ von Obdachlosen registriert, was in anderen Bereichen der Innenstadt nicht so sei. Mittlerweile seien aber bereits einige dieser Szene zugehörigen Personen durch das Winternotprogramm von der Straße verschwunden.