Hamburg. Für Kuriere und Geschäfte ein Vorteil: Rot-Grün will reguläre Parkplätze umnutzen. Das aber stößt nicht nur auf Zustimmung.

SPD und Grüne wollen gegen eine der größten Verkehrsbehinderungen in der Stadt vorgehen: die Zweite-Reihe-Parker. Weil sie keine regulären Parkplätze finden, halten Zusteller, Paketdienste oder Lieferwagen oft auf regulären Fahrstreifen und sorgen dadurch für Staus.

Um dieses Problem abzumildern, sollen in Hamburg nun deutlich mehr Liefer- und Ladezonen vor Geschäften, Handwerksbetrieben und Gewerbeunternehmen eingerichtet werden – auch und besonders in Gebieten des Anwohnerparkens. Das fordern die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen in einem Bürgerschaftsantrag, der dem Abendblatt vorliegt.

Anwohnerparken in Hamburg: Auch hier dürften Parkplätze wegfallen

Danach sollen „vermehrt Liefer- und Ladezonen mit eingeschränktem und wo anwendbar absolutem Halteverbot insbesondere in Bewohnerparkgebieten, vor Geschäften, Handwerksbetrieben und Gewerbeunternehmen mit Ladebedarfen“ ausgewiesen werden.

Dafür soll „das Antragsverfahren optimiert und bekannter gemacht“ werden, sodass Firmen solche Zonen vor ihren Geschäften „einfach und schnell beantragen können und zügig eine Entscheidung erhalten“.

Ladezonen könnte farblich markiert werden

Damit solche Ladezonen nicht von anderen Verkehrsteilnehmern zugeparkt werden, sollen sie eine farbliche Markierung erhalten – und die Kontrollen sollen deutlich verstärkt werden. Prüfen lassen wollen die Koalitionspartner auch die Ausstattung einiger Zonen mit E-Ladesäulen. Wo es sinnvoll sei, solle die Nutzung emissionsfreien Fahrzeugen vorbehalten werden. Privatfahrzeuge dürften auf den Flächen lediglich nachts parken.

Bei alldem machen SPD und Grüne in ihrem Antrag deutlich, dass für die geplanten Lieferzonen keine neuen Flächen ausgewiesen werden sollen. Stattdessen sollen „bestehende, versiegelte Verkehrs­flächen, wie zum Beispiel Parkplätze im öffentlichen Raum“ dafür genutzt werden. Diese werden dann also für den privaten Autoverkehr tagsüber wegfallen.

Verkehr Hamburg: Lieferanten, Kuriere und Gewerbe haben Anteil von 35 Prozent

Der Liefer- und Gewerbeverkehr habe mit rund „35 Prozent Anteil am Stadtverkehr eine große Wichtigkeit für die Funktionsfähigkeit der Stadt“, betonen SPD und Grüne in ihrem Antrag. „Um eine reibungslose Abwicklung zu ermöglichen, sollte er wo möglich und sinnvoll Priorität im Parkraum erhalten.“

Was Firmen, Lieferdienste und Handwerker freuen dürfte, könnte betroffene Anwohner ärgern. Denn für die neuen Ladezonen sollen also bisher reguläre Parkplätze umgewandelt werden. Die gehen zumindest tagsüber dann dem privaten Autoverkehr verloren. Nachts sollen sie auch für Private nutzbar bleiben.

Unfälle: Wenn Lieferanten falsch parken wird es für alle gefährlich

„Für unseren Wirtschaftsstandort ist es wichtig, dass Waren und Dienstleistungen möglichst reibungslos zur Kundschaft gelangen“, sagte Grünen-Verkehrspolitikerin Eva Botzenhart dem Abendblatt. „Mangelt es jedoch an Liefer- und Lade­zonen, stellen Gewerbetreibende und Dienstleister ihr Fahrzeug häufig in zweiter Reihe oder auf Gehwegen ab.“

Das werde oft für Fußgänger und Radfahrer gefährlich und führe zu Rückstaus, so Botzenhart. „Deshalb setzen wir uns für mehr Liefer- und Ladezonen in Hamburg ein, die einheitlich und wiedererkennbar gestaltet sind.“ Der Fokus liege auf „Zonen vor Geschäften, Handwerks- und Gewerbeunternehmen sowie auf Orte, die für Paketlieferdienste wichtig sind“.

„Liefer- und Gewerbeverkehr unerlässlich für das Funktionieren der Stadt“

SPD-Verkehrspolitiker Ole Thorben Buschhüter betonte, der Liefer- und Gewerbeverkehr sei „unerlässlich dafür, dass die Stadt funktioniert“. Die Fahrerinnen und Fahrer der immer öfter emissionsfreien Lieferfahrzeuge seien „besonders darauf angewiesen, am Lieferort Platz für ihr großes Fahrzeug vorzufinden“, so Buschhüter.

„Wenn das nicht gelingt, sind Konflikte programmiert: die Blockade des fließenden Verkehrs auf Straßen oder Fuß- und Radwegen oder von Parkplätzen ist das Ergebnis.“ Deshalb setze sich Rot-Grün dafür ein, dass mehr Liefer- und Ladezonen in Hamburg ausgewiesen würden, so Buschhüter.

„Das Antragsverfahren dafür soll verschlankt sowie die Erkennbarkeit der Zonen erleichtert werden.“ Zudem soll nach dem Antrag auch dafür gesorgt werden, „dass bei Sanierung, Um- und Neubauten von Straßen Liefer- und Ladezonen berücksichtigt“ würden.

Emissionsfreie Fahrzeuge und Lastenräder sollen Vorrang bekommen

Bei alldem will Rot-Grün auch hier den Klimaschutz fördern – etwa dadurch, dass emissionsfreie Fahrzeuge und auch Lastenräder Vorrang auf manchen Liefer- und Ladezonen bekommen sollen. „Lastenfahrräder gewährleisten einen emissionsfreien, fast lautlosen und flexiblen Transport, der in Quartieren mit gemischter Wohn- und Gewerbenutzung seine Vorteile voll entfaltet“, heißt es in dem rot-grünen Antrag. „Dieser klimafreundliche Wirtschaftsverkehr ist daher auch bei der Gestaltung des Straßenraums zu beachten, um dessen weitere Verbreitung zu fördern.“

Der Antrag steht am 1. März auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Bis Ende Juni 2024 solle der Senat über die Umsetzung der Pläne berichten.

Kritik an Ausweitung der Lieferzonen aus Handwerk und Gewerkschaft

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die Einrichtung weiterer Liefer- und Ladezonen nicht für zielführend, um das Problem des Parkens in zweiter Reihe zu bekämpfen, da Lieferfahrzeuge überwiegend Privathaushalte ansteuerten und von Lieferzonen vor Geschäften nicht profitierten. Darüber hinaus gelte: "Die Einführung diverser Ladezonen wird den ohnehin schon zu geringen Parkraum weiter minimieren. Geschäftsleute, die Ladezonen beantragt haben, werden sich vermehrt an die Polizei wenden, um in den Zonen abschleppen zu lassen", die aber sei schon jetzt überfordert, so GdP-Vize Lars Osburg.

Auch die Handwerkskammer kritisiert den Vorstoß. Präsident Hjalmar Stemmann sagt: "Montage- und Werkstattwagen sind keine reinen Lieferfahrzeuge, sondern rollende Arbeitsstätten – sie werden für die gesamte Dauer eines Auftrags am Einsatzort gebraucht. Das Handwerk benötigt Serviceparkplätze in allen Bewohnerparkzonen." Er fordert "keine tageszeitlichen Zufahrtsbeschränkungen für Arbeiten im Quartier, dafür Errichtung von Serviceparkplätzen für das Handwerk sowie ein einheitliches Parkgenehmigungsverfahren für alle Hamburger Sonderparkzonen, inklusive Innenstadtbereich".

Auch die CDU kritisiert den rot-grünen Vorstoß

Für die CDU ist die Einführung der Lieferzonen in Bewohnerparkgebieten "ein weiterer Schritt von SPD und Grünen zur Verdrängung des Autoverkehrs in Hamburg", sagt Fraktionsvorsitzender Dennis Thering. Er plädiert für neuen Parkraum durch unterirdische Quartiersgaragen: "Dadurch entsteht auch oberirdisch neuer Freiraum für die wichtigen Wirtschaftsverkehre."