Hamburg. Mit ihren ersten beiden Vorlesebüchern bringt die Autorin Elisa Eckartsberg Kindern auch „unerwünschte“ Gefühle nah. Über das Konzept.

„Wut, wofür bist du denn gut?“, das fragte sich nicht nur Elisa Eckartsberg. Das fragen sich landläufig sicher recht viele andere Eltern, deren Kinder sich wutentbrannt und sichtlich übermannt von Gefühlen auf Böden von Supermärkten, U-Bahn-Stationen oder Gehwegen wälzen.

Nach den Gründen zu fragen liefert zwar keine – für Erwachsene befriedigende, weil logische Begründung, dafür aber die Chance, sich besser in die Lebenswirklichkeit der Kleinsten einzufühlen. Also: Das Fahrradschloss geht in der morgendlichen Kälte plötzlich nicht mehr so leicht auf, wie sonst. Das Honigbrot schmeckt ungewohnt, weil Brot oder Honig nicht identisch sind mit den den Lebensmitteln des Vortags. Oder: Der Schuh drückt, die Schwester guckt zu lange rüber, Mama kauft die megacoole Raumstation zum Zusammenbauen nicht.

Familie: Gefühlsausbrüche gehören zum Alltag mit Kindern

Wenn eines in diesen Situationen sicher und identisch ist, dann, dass sie kommt: Die Wut. Gewaltig, laut und manchmal bleibt sie richtig lang. Eckartsberg, Mutter zweier Söhne, Junis, 8, und Niek, 11, aus Schnelsen, erlebte Ähnliches: „Also ich kenne das selbst von meinen Kindern, da war aber schon das falsch geschnittene Brot dann fatal. Es sollte nicht diagonal, sondern gerade geschnitten werden. Hinter so einem Wutausbruch, da kann aber auch ein unerfülltes Bedürfnis stecken.“

Oft, da bahnte sich das regelrecht an. „Irgendwie wurden ganz viele Sachen nicht gesehen oder mir wurde klar, dass ich als Mutter im Alltagsstress die Stimmung vielleicht auch gar nicht wahrgenommen hatte.“ Oder auch: Sind alle Grundbedürfnisse erfüllt? Hat das Kind vielleicht auch Hunger, Durst, zu wenig Umarmungen und Nähe? „Auch das kann ein Auslöser sein“, so Eckartsberg.

 „Ich hatte gar keinen Zugang mehr zu meinen Gefühlen"

Die Illustratorin und Grafikdesignerin dachte von Beginn ihrer Mutterschaft vor elf Jahren viel nach über Gefühle. Die ihrer Kinder, die eigenen. Forschte, wie sie selbst früher behandelt wurde in emotionalen Tsunami-Momenten. Sprach mit Freunden die an Panikattacken und anderen psychischen Problemen leiden über „gute“ und „schlechte“ Gefühle. Über das Zulassen und Verdrängen. „Was für Konditionierungen und Glaubenssätze haben sich da geprägt über die Zeit?“, fragte sie sich.

Denn: Trotz gesunder Jungs, Haus und „Bilderbuch“-Leben war sie nicht adäquat glücklich. „Ich hatte gar keinen Zugang mehr zu meinen Gefühlen. Und die Bedürfnisse unter dem Gefühl, die waren eigentlich für mich wie zugeschüttet. Ich konnte es nicht mehr zuordnen. Was ist das? Ist es jetzt Trauer? Ist es Wut? Daraus stellte sich bei mir eine scheinbar grundlose, grundlegende Unzufriedenheit ein. Und warum bist du zum Teufel so unzufrieden?“, fragte sie sich.

Die Gefühle bekommen in ihren Büchern ein Aussehen

Aus diesen Gedanken, gepaart mit dem schon lange gehegten Wunsch, ein Kinderbuch zu machen, setzte sie sich an den Schreibtisch und gab ihren Gefühlen ein Aussehen. Sie zeichnete sie. Elisa Eckartsbergs Wut sieht beispielsweise ein bisschen aus wie ein auf den Hinterbeinen stehender Mops, tiefrot, zottelig, die Augen von Hautfalten etwas überlappt, mit Knubbelnase, spitzen schmalen Ohren und einer gedrehten Antenne auf dem Schädelchen. In ihrer Vorstellung kommt die Angst wiederum größer daher, graugrün ist das Wesen mit Eckzahn und weißem Bauch und roter Nase. Auch sie hat eine Antenne mit Signalleuchte auf dem Kopf. Damit sie auch mitkriegt, wann sie angefragt wird.

Zu sehen sind diese und weitere Gefühle in den ersten beiden Büchern der schreibenden Grafikerin, die „Du bist also meine Angst“ und „Wut, wofür bist du denn gut?“ heißen. Gewidmet ihren Söhnen, nach denen sie auch gleich ihren Verlag benannte, den Juniek Verlag, in welchem sie die beiden Bände und folgende verlegt. Sie plädiert dafür, Kindern zu helfen, ihre Gefühle zu spüren, sie zu sehen, wahrzunehmen.

Kinder lernen, wie sich Gefühle anfühlen

Sie kennen zu lernen, von allen Seiten. Man können die Kinder fragen, wie sie ihre Freude, Wut, Trauer oder Angst malen würden. So und mit der Lektüre nähere man sich. „Und genau dann geht das Kind auf die Reise und tritt in den Dialog und die Angst erzählt dem Kind, warum es auch unangenehm ist. Also es drückt ja auch auf die Lunge, der Atem wird flacher und das Herz klopft - weil die Angst auch sagt, du würdest mich ja sonst nicht spüren, wenn ich nichts machen würde, also würdest du mich wahrscheinlich auch total übergehen.“

In den Büchern erklären sich die Gefühle, holen die Kleinsten in ihren Lebenswirklichkeiten ab: die Angst, die unter dem Bett lauert im dunklen Schlafzimmer, die aber im Gegenzug dafür sorgt, dass man sich doch traut, vom Drei-Meter-Brett im Schwimmband zu springen. Die starke Wut ist nicht nur durch ihre zerstörerische Seite bekannt, sondern offenbart auch Schutzschild-Qualitäten und zeigt Grenzen an.

Familie: Gefühle erläutern Daseins-Berechtigung kindgerecht

Mit der Personalisierung der Gefühle macht Eckartberg den Dialog zwischen Kind oder Leser und Emotion möglich. Eckartsberg personalisiert die Gefühle: Warum sie da sind, warum sie nützlich sind, was sie eigentlich ausdrücken wollen. Wie ein Perpetuum mobile der Seele.

„Die Angst erklärt quasi als Botschafter, warum sie auch sehr nützlich ist. Denn wenn wir keine Angst hätten, würden wir übermütig und würden, wie in dem Buch beschrieben, auch vielleicht auf das Gerüst auf dem Spielplatz klettern, ohne uns festzuhalten“, so die Verlegerin, Herausgeberin, Autorin, Mutter und Kreative. Die neben vielen Empfindungen noch mehr in sich trägt: Ideen für weitere Bücher und Spiele. Natürlich über Gefühle.