Hamburg. Nachdem es zunächst hieß, für einen Angriff sächsischer Beamter gebe es keine Zeugen, rudert die Polizei Hamburg teilweise zurück.
Die Hamburger Polizei hat am Dienstag eingeräumt, dass es doch zumindest indirekte Zeugen des jetzt gerichtlich anerkannten brutalen Übergriffs sächsischer Polizeibeamter beim G-20-Gipfel in Hamburg auf ein junges Paar gegeben hat. Zugleich übte eine Hamburger Polizeisprecherin deutliche Kritik an ihren Kollegen aus Sachsen.
Hintergrund: In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 2017 hatten Polizeibeamte aus Sachsen laut Darstellung der Anwälte der Klägerin eine Frau am Holstenglacis vom Fahrrad gerissen, diese über die Straße geschleift, ihr dabei den Arm gebrochen und den Rücken verletzt und sie auf einer Verkehrsinsel zurückgelassen.
G20 in Hamburg: Erster Fall von Polizeigewalt "anerkannt"
Den um Hilfe rufenden Lebensgefährten drängten die Beamten demnach ab und schlugen ihn. Die Polizei hat dies nun per „Anerkenntnis“ vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, ohne Details zu bestätigen. Dies ist damit der erste Fall, in dem gerichtlich festgestellt wurde, was der damalige Bürgermeister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch ausgeschlossen hatte: ein rechtswidriger Übergriff von Polizeibeamten.
Nach Darstellung von Polizeisprecherin Sandra Levgrün ereignete sich der Vorfall während eines Schichtwechsels, bei dem die sächsischen Beamten ihre Kollegen aus Niedersachsen an einem Kontrollpunkt ablösten. Die niedersächsischen Polizisten hätten in der Nähe noch gewartet und ein Fahrrad fliegen sehen und einen Schrei gehört. Dies hätten sie auch in einem Verfahren der Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) der Polizei angegeben. Den genauen Ablauf der Ereignisse hätten sie aber nicht verfolgt, so Levgrün.
Polizei Hamburg kritisiert sächsische Kollegen: "Bärendienst erwiesen"
Am Montag hatte die Polizei zunächst mitgeteilt, von weiteren Zeugen außer den Betroffenen sei ihr nichts bekannt. Aus dem Abendblatt vorliegenden Schreiben des Verwaltungsgerichts geht jedoch hervor, dass niedersächsische Polizisten befragt wurden und auch Angaben machten.
Unklar ist, warum die sächsischen Polizisten von dem gravierenden Vorfall kein Protokoll erstellten. Dies entspreche nicht dem „polizeilichen Standard“, sagte die Hamburger Polizeisprecherin Levgrün. Damit hätten die sächsischen Beamten „allen einen Bärendienst erwiesen“. Der Verzicht auf die Anfertigung eines Protokolls erwecke bei Außenstehenden den Eindruck, dass es hier nicht rechtmäßig zugegangen sei. Am Ende habe man aber nicht im Detail aufklären können, was genau geschehen sei, so Levgrün. „Die Polizei hat während des Verfahrens immer ein Aufklärungsinteresse gehabt.“
G20 in Hamburg: Nur zwei weitere Verfahren wegen möglicher Polizeigewalt
Die Staatsanwaltschaft bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, dass die DIE in diesem Fall in ihrem Auftrag ermittelt und auch niedersächsische Beamte befragt habe. Das Strafverfahren sei schließlich aber eingestellt worden, da kein Täter ermittelt werden konnte.
„Unabhängig wird der Vorgang aber noch – wie alle anderen entsprechenden Verfahren auch – von der Generalstaatsanwaltschaft überprüft werden“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering, dem Abendblatt. Derzeit liefen noch zwei staatsanwaltschaftliche Verfahren im Zusammenhang mit möglichen polizeilichen Übergriffen beim G-20-Gipfel.