Hamburg. Klimabeirat des Senats und Naturschutzverbände kritisieren den CO2-Ausstoß bei Bauprojekten in Hamburg. Was sie fordern.

Niedermoorböden und Röhrichte, Hochstaudenflure und Gewässer, in denen seltene Tiere wie der streng geschützte Moorfrosch leben – der Bau und der Betrieb der nur zehn Kilometer langen Autobahn A 26 Ost würde nach Angaben der Naturschutzbunds Nabu den Verlust von etwa 40 Hektar Biotopflächen bedeuten.

Verloren gingen der größte Schlafplatz des seltenen Bergpiepers sowie der größte Rastplatz für Zwergtaucher im Hamburger Raum. Durch Lage und Verlauf der Autobahn greife das Vorhaben zudem in die Biotopverbundfunktion von Süderelbe und Süderelberaum ein und erschwere es Tier- und Pflanzenarten, sich dort zu bewegen und auszubreiten.

A26 Ost: Nabu und Klimabeirat üben Kritik an Bau

Der Nabu stellt sich aber nicht nur wegen der Zerstörung der Natur gegen den Bau der A 26 Ost. Ebenso wie der Klimabeirat, der gerade eine genaue CO2-Bilanzierung für das geplante Infrastrukturprojekt fordert, kritisiert auch der Naturschutzbund den Bau, den der Nabu-Vorsitzende Malte Siegert für „klimapolitisch völlig irrsinnig“ hält. Neben der Versiegelung wertvoller, kohlenstoffbindender Moorbereiche und der Produktion klimabelastenden Verkehrs würden für die Autobahn, die 50 Meter hoch aufgeständert werden müsse und dann so hoch sei wie die Köhlbrandbrücke, Unmengen an klimaschädlichem CO2 produziert.

„Die Gesamtbilanz des Vorhabens ist so verheerend, dass man kaum glauben mag, der selbst ernannte Klimavorreiter Hamburg würde so ein klimaschädliches Projekt überhaupt noch umsetzen wollen“, so Siegert.

Kaum Einsparungen und Priorisierungen

Dass in der Hamburger Politik angesichts steigender Pkw-Anmeldungen, des Flächenverbrauchs für Wohnen und Verkehrsinfrastruktur und der produzierten grauen Energie beim Bauen kaum eine echte Einsparung und keine Priorisierung zu erkennen sei, lasse ihn befürchten, „dass wir beim Klimaschutz in Hamburg krachend scheitern, obwohl sich alle für ihre Klimaschutzbemühungen auf die Schulter klopfen“. Da helfe es auch nicht, „mal eben medienträchtig einen Hektar Wald zu pflanzen“, denn das sei „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Die rasante Inanspruchnahme des CO2-Budgets könne man nicht ausgleichen, wenn gleichzeitig für die A 26 kohlenstoffspeichernde Moor- oder Grünfläche geopfert würden. Zudem verzichte der Senat bei Großprojekten wie dem Bau der Autobahn, aber auch der U 5, der Tunnelverbindung zwischen Hauptbahnhof und Altona oder den großen Stadtentwicklungsgebieten Fischbeker Reethen und Oberbillwerder auf eine Klimabilanz – „Politik und Verwaltung dürfen aber nicht mehr alte Planungen umsetzen, als gäbe es kein Morgen“, fordert Naturschützer Malte Siegert. „Sie müssen endlich lernen, auch mal zu verzichten, zu bilanzieren, zu priorisieren und zu recyceln“.

BUND fordert Umstellung der CO-Berechnung

Graue Energie sei „der blinde Fleck der Hamburger CO2-Bilanz“, sagt auch Lucas Schäfer vom BUND Hamburg. Die bei der Produktion von Zement entstehenden gewaltigen Mengen des Klimagases CO2 müsse in die Bilanz jeglicher Baumaßnahmen eingerechnet werden. „Selbst bei Projekten, die der Mobilitätswende dienen, wie etwa der Bau der U-Bahn-Linie 5, braucht es Jahrzehnte, bis der Nutzen für das Klima die baubedingte Klimabelastung überwiegt“, so Schäfer.

Für den Hamburger Klimaplan fordere der BUND deshalb die „konsequente Umstellung der CO2-Berechnung auf das Verursacherprinzip“. Die CO2-Emissionen müssten dort bilanziert werden, wo sie verursacht werden. „Das bedeute für Baumaßnahmen in Hamburg, dass sämtliche Emissionen der Herstellung von Zement auch hier angerechnet werden und nicht etwa in Baden-Württemberg, wo ein Großteil des Zements erzeugt wird.“

BUND: Bau der U  5 nur bei Verzicht auf A  26 möglich

Der Hamburger Klimaplan sehe vor, dass die Emissionen im Jahre 2030 gegenüber 2017 um 7,1 Millionen Tonnen CO2 niedriger sein sollen. Allein für die 25 Kilometer lange, überwiegend unterirdische Strecke der geplanten U 5 würden aber 10,7 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich verbraucht. Diese riesige Menge müsse bei der Aufstellung des neuen Hamburger Klimaplans berücksichtigt und kompensiert werden – und zwar innerhalb desselben Sektors: im Verkehr. Der Bau der U 5 könnte demnach einzig durch den Verzicht auf Neubauprojekte ähnlicher Größenordnung, ermöglicht werden. Etwa den Bau der A 26 Ost.

„Treibhausgasemissionen von Großprojekten müssen umfassend ermittelt werden, sonst lässt sich keine vernünftige Entscheidung treffen“, sagt Jörg Knieling, stellvertretender Vorsitzender des Klimabeirats Hamburg und Professor an der HafenCity Universität Hamburg. „Strenge Klimaschutzziele festlegen und ohne klimabezogene Informationen einfach so weiterbauen wie bisher, das kann nicht funktionieren.“

Klimaschutz: Senat will sich bisher nicht äußern

Der Klimabeirat empfehle dem Hamburger Senat daher dringend, sich bei der neuen Bundesregierung dafür stark zu machen, dass die Regelungslücke geschlossen wird. „Dies ist für einen konsequenten Klimaschutz wichtig. Bei Hamburger Projekten sollte es schon jetzt zum Standard werden, die Graue Energie und die Treibhausgasemissionen, die damit verbunden sind, zu ermitteln.“

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Im Rathaus will man sich nicht näher zu den Forderungen äußern. „Der Senat hat das Papier zur Kenntnis genommen, aber sich bisher nicht im Einzelnen damit befasst“, so ein Sprecher. „Der Erste Bürgermeister hat darauf hingewiesen, dass er nicht alle Forderungen des Klimabeirats teilt, zum Beispiel das Ziel, den Wohnungsbau zu halbieren.“ Nach dieser im Dezember 2021 erhobenen Forderung hatte Tschentscher betont, Ziel bleibe, Nachfrage und Angebot auf dem Wohnungsmarkt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.