Hamburg. Wohnungsbauer und Stadt streiten über Anteil der Sozialwohnungen und Sonderwünsche der Bezirke. Verhandlung dauert schon halbes Jahr.
Das neue Bündnis für das Wohnen steht auch nach gut sechs Monaten Verhandlungen noch nicht. Am Einigungswillen zweifelt keiner, aber es hakt es gleich an mehreren Stellen. Die Zahl von 10.000 genehmigten Wohnungen pro Jahr wollen die Vertragsparteien Stadt Hamburg und Wohnungswirtschaft zwar halten. Aber die Unternehmen hadern mit der Rolle der Bezirke und dem Erbbaurecht, das die Stadt für die Vergabe der Grundstücke durchsetzen will.
„Wer eine Immobilie nur im Wege des Erbbaurechts nutzen kann, erhält von den Banken schlechtere Finanzierungskonditionen und kann dann weniger Wohnungen bauen“, sagt Andreas Breitner, Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der 392 Unternehmen vertritt. Die Wohnungswirtschaft will auch die Bezirke „stärker einbinden“ als bisher. Insbesondere will sie nicht mit nachträglichen Sonderwünschen konfrontiert werden.
Streit um Anteil der Sozialwohnungen
Der VNW will beim sogenannten Drittelmix bleiben und nicht im Baugenehmigungsverfahren von besonderen Projekten im Bezirk plötzlich mit politischen Beschlüssen konfrontiert werden, die 50 statt 30 Prozent Sozialwohnungen fordern. Im letzten Bündnis sollten grundsätzlich 3000 von 10.000 Wohnungen Sozialwohnungen sein.
Die „stärkere Einbindung“ soll die Bezirke im Vorwege darauf festlegen. In den Verhandlungen für das ausgelaufene Bündnis von 2016 waren sie nur durch den Bergedorfer Bezirksamtsleiter vertreten. Jetzt sollen möglichst alle sieben Amtschefs ihr Ok zum Vertrag geben, um spätere Sonderwünsche zu verhindern. Dazu können auch individuell erlassene Gestaltungsvorschriften gehören, die Bauvorhaben verteuern.
Klimaschutz als Kostentreiber
Verstärkte Maßnahmen des Klimaschutzes oder die von der Stadt bevorzugten Klinkerfassaden sind Kostentreiber, die laut VNW das soziale Ziel günstiger Mieten unterlaufen. Der Senat müsse den Zielkonflikt auflösen. „Wer will, dass Hamburg eine Stadt bleibt, in der auch Menschen mit weniger Einkommen leben können, der muss um das Bündnis für Wohnen ringen, sagt Breitner. „Wir tun das.“
Lesen Sie auch:
- Jenfeld macht mobil gegen Nachverdichtung mit Hochhäusern
- Neue Mietwohnungen für acht Euro in Wandsbek
- Dieser Hamburger Bezirk ist bei Familien besonders beliebt
Eine soziale Komponente, die der Stadt langfristig Einfluss auf Mieten und Wohnungsmarkt sichert, ließe sich auch anders bewerkstelligen als mit Erbpachtgrundstücken und einem höheren Sozialwohnungsanteil, argumentieren die Wohnungsbauer. Vorkaufsrechte und Städtebauliche Verträge auch über Mieten wären die bessere Alternativen.
Behörde sieht Grspräche im Zeitplan
Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) sprach von „vielen Einzelthemen und Akteuren, deren Anliegen in den Verhandlungen berücksichtigt werden müssen. Vor diesem Hintergrund befinden sich die Gespräche in einem angemessenen Zeitplan. Vieles kann nicht einfach fortgeschrieben, sondern muss neu aufbereitet werden.“ Die Wohnungswirtschaft erwartet eine Einigung im Frühjahr.
Schwieriger geworden sind die Verhandlungen auch, weil seit Beginn des Bündnisses 2011 und mittlerweile 75.000 neu gebauten Wohnungen in Hamburg die einfach zu bebauenden Grundstücke zur Neige gehen.
Fast nur Problem-Grundstücke für Bebauung übrig
Übrig bleiben strittige Areale mit umtriebiger Nachbarschaft oder schwierigen Rahmenbedingungen wie hohem Grundwasserspiegel, problematischer Zuwegung, zu schützenden Nachbarbauten etc. Oder es gibt geeignete Flächen, die aber wegen ihres unzureichenden Baurechts nicht schnell nutzbar gemacht werden können. Auch müssten zunehmend Privateigentümer angesprochen und überzeugt werden, ihre Grundstücke nach zu verdichten und damit intensiver zu nutzen.
Doch dafür fehlen finanzielle Anreize für weniger betuchte Zinshausbesitzer und Fachpersonal, das veraltete Bebauungspläne auf Wohnungsbau bürstet.
Fachkräftemangel in den Bauämtern
„Der Stadt gehen die Baurechtler aus“, sagt Sven Hielscher, CDU-Fraktionschef im Bezirk Altona. Das trifft nicht nur die Stadtplanungsabteilungen und Bauämter der sieben Bezirke, sondern auch die Rechtsaufsicht der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW). „Der Bebauungsplan ‚Bahrenfeld 68‘ zum Beispiel liegt zur rechtlichen Prüfung seit einem Jahr in der Behörde“, sagt Hielscher. Ohne das Okay der BSW kann er nicht Gesetz werden. Er liegt quasi auf Eis.
Einen weiteren Streitpunkt bildet im Anschluss an das Bündnis für Wohnen der „Vertrag für Hamburg“, in dem der Senat die Bezirke auf die Zahlen der jährlich zu erbringenden Baugenehmigungen verpflichtet. Er werde „neu verhandelt“, hieß es aus der BSW. Nähere Angaben machte sie nicht. Die Prämie, die die Bezirke für jede genehmigte Wohneinheit bekommen, liegt bei derzeit 250 Euro. Dafür muss aber der Bezirk die Genehmigung eigentlich auch selbst erteilt haben. Es gibt jedoch immer mehr zentral gesteuerte Projekte, bei denen der Senat das Sagen hat.
Die Hafencity, Altonas Neue Mitte, Diebsteich, der A7-Deckel, die Science City in Bahrenfeld, die an der Luruper Hauptstraße auch Wohnungsbau realisieren soll, sind sogenannte „Vorbehaltsgebiete“. In ihnen erteilt die BSW die Baugenehmigung. Gibt es dann trotzdem Geld für den Bezirk? Bisher wurde es so gehandhabt. Aber diese Praxis „belohnt“ den Bezirk für eine nicht erbrachte Leistung und nimmt ihm zugleich das Mitspracherecht. „Das ist natürlich nicht in unserem Sinne“, sagt Hielscher.