Hamburg. Nicole Fischer arbeitete 25 Jahre lang für Musikbands und Komiker. Nun packt die 50-Jährige in den Messehallen mit an.

In ihrem normalen Leben hat sie es mit etwas exzentrischeren Menschen zu tun, mit den Männern der Band Rammstein zum Beispiel. In diesen Zeiten aber kümmert sich Nicole „Nic“ Fischer vor allem um ältere Menschen. Die 50-Jährige geht sonst mit Rammstein und dem Comedy-Star Luke Mockride­ auf Tour, ist für deren Merchandising zuständig. Jetzt hat sie es mit Impfstoff statt mit T-Shirts zu tun. Als Cluster-Controllerin ist sie im Hamburger Impfzentrum in den Messehallen für den reibungslosen Ablauf der Impfungen mit zuständig.

Sie ist auffällig, ob sie will oder nicht. Das liegt an ihren vielen Tätowierungen an den Armen und Händen. Diese bemerken auch die alten Menschen, die derzeit ins Impfzentrum kommen, um sich ihre erste oder zweite Corona-Schutzimpfung abzuholen. Dann fragen manche neugierig, wer das Gesicht auf ihrem Unterarm sei? „Das ist mein Mann, und viele sage dann, er sieht aus wie Jesus“, sagt Nic Fischer und lacht. Sie mag Menschen, egal ob Konzertbesucher oder Senioren. Sie hat Spaß am Umgang mit ihnen. „Die Menschen hier sind wunderbar, lieb und verständnisvoll.“

Geregelter Tagesablauf durch die Arbeit im Impfzentrum

Nic Fischer ist froh, dass sie nach Monaten des Nichtstuns einen geregelten Tagesablauf hat und täglich von 7 bis 15 Uhr im Impfzentrum arbeitet. Sie organisiert den Ablauf der Impfungen, ist Ansprechpartnerin für alle möglichen Probleme. „Organisieren, Dinge im Hinterkopf behalten und gleichzeitig etwas anderes tun, das liegt mir“, sagt sie. Das ist auch ihr Job, wenn sie zu Nicht-Corona-Zeiten etwa mit Rammstein auf Deutschland- und Europatour ist. Seit 25 Jahren schon ist das ihr Leben. Mit Rammstein war sie in Norwegen, Finnland, überall in Europa.

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Doch seit März war sie lange Zeit arbeitslos. Von einem Tag auf den anderen ging es in die pandemiebedingte Zwangspause. „Von 100 auf null, das war hart“, sagt sie. Statt im Tourbus, einem sogenannten Nightliner, und in Hotels an bis zu 200 Tagen im Jahr zu sein, war sie plötzlich sesshaft, ist seitdem mit ihrem Ehemann in ihrer Wohnung in der Schanze. „Am Anfang war es nett, mal Zeit zu haben, ich konnte in Ruhe Fenster putzen, und ich war auch zuversichtlich, dass bald wieder Normalität herrscht. Der Sommer war auch noch okay, den konnte ich genießen, aber jetzt in diesem Grau, im Winter nichts zu tun zu haben wäre furchtbar.“

Kein Geld vom Staat, Arbeitslosengeld II lohnt sich nicht

Nic Fischer ist eine, die durchs Raster gefallen ist. Als Soloselbstständige hat sie kaum Geld vom Staat bekommen. „Ich wurde vergessen. Am Anfang gab es Geld von der Stadt Hamburg, dann noch Hilfen im November und Dezember, vom Bund steht mir nichts zu, da ich keine Fixkosten habe. Mir bliebe nur das Arbeitslosengeld II.“ Weil sie verheiratet ist, lohnt sich auch das nicht. Außerdem ist still sitzen und abwarten nichts für sie. „Ich bin ein Arbeitstier.“ Sie hat seit März versucht, Arbeit zu finden, auch ehrenamtlich. Ohne Erfolg. Um etwas Sinnvolles zu tun, hat sie sich zwei Obdachlose gesucht und im Schanzenpark  gefunden. Ihnen hilft sie mit kleinen Dingen wie warmem Wasser zum Teekochen am Morgen, mit Schlafsäcken und Essen. Sie ist eine, die sich gern um andere kümmert und ihre Hilfe anbietet.

Schließlich suchte das Impfzentrum weitere Mitarbeiter. Sie bewarb sich, wurde genommen, obwohl sie für den Job überqualifiziert ist. Egal, Hauptsache Arbeit, Hauptsache etwas Sinnvolles machen und wieder Geld verdienen. Flexibel genug ist Nic Fischer. „Ich kann mich schnell auf Menschen einstellen.“ Sie ist ein echter Teamworker, und genau darauf kommt es im Impfzentrum auch an. Im ersten Leben, sagt sie, habe sie eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin gemacht, wollte studieren und ist dann in der Musikbranche gelandet. Die Musik, privat gern Punkrock und Gitarrenmusik, das Tourleben – dafür schlägt ihr Herz.

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An eine schnelle Rückkehr in den alten Job glaubt sie nicht

Jetzt aber ist sie seit Anfang Januar mit Leidenschaft im Impfzentrum bei der Sache. Fünf Leute gehören zu ihrem Team. Und Kollegen aus der Luke-Mockridge-Truppe haben hier auch einen Job gefunden. Damit ist ein Stück Familie bei ihr. Denn als solche fühlen sich die Menschen aus der Musik- und Eventbranche häufig. „Menschen sind mein Ding. Vor dem Computer zu sitzen wäre es nicht“, sagt sie. Dass sie, die sonst durchs Land tourt und kaum zu Hause ist, sich über einen geregelten Tagesablauf freut, hätte sie nie gedacht. Darüber muss sie lachen. Aber Corona macht so vieles möglich, ändert einiges. 

Ihr Vertrag im Impfzentrum läuft bis Ende Mai. Dass es dann schon mit der geplanten Rammstein-Tour weitergeht, glaubt sie nicht. „Wir aus der Eventbranche waren die Ersten im Lockdown und werden die Letzten sein, die wieder arbeiten dürfen.“