Hamburg. Der Rückbau des Kraftwerks ist bereits weit fortgeschritten. Nach dem Vorstoß von Michael Westhagemann geht die Diskussion weiter.

 Eigentlich ist das Aus für Moorburg längst beschlossene Sache. Anstelle des im Juli 2021 stillgelegten Hamburger Steinkohlekraftwerks soll künftig eine Elektrolyse-Anlage mithilfe von Wind- und Solarstrom „grünen“ Wasserstoff erzeugen – zumindest galt das als Konsens im Senat. Auch der parteilose Wirtschaftssenator Michael Westhagemann war als Verfechter dieser Energiequelle bekannt und erklärte noch im Juni: „Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist grüner Wasserstoff eine zentrale Zukunftstechnologie.“

Deshalb sorgt der 64-Jährige mit seinen jüngsten Überlegungen für Irritationen. „Spätestens, wenn wir feststellen, dass russisches Erdgas längerfristig nicht mehr fließt, würde ich auch nach Moorburg schauen“, sagte Westhagemann der „Welt am Sonntag“. Dann sei eine Reaktivierung des Kraftwerks denkbar. „Denn unsere Industrie braucht zwingend sehr viel Energie, Erdgas wie auch Strom.“

Kohlekraftwerk Moorburg: Neustart zuvor kein Thema im Senat

Gasbefeuerte Anlagen, etwa zur Erzeugung von Prozesswärme in der Industrie, ließen sich teilweise auf den Betrieb mit Strom umrüsten. „Das ergibt aber nur dann Sinn, wenn die Stromversorgung sichergestellt ist“, so Westhagemann. Dieser Vorstoß soll zuvor kein Thema im Senat gewesen sein; Westhagemann hat sich wohl auch nicht mit Peter Tschentscher (SPD) abgesprochen. Der Bürgermeister hatte vor Kurzem im Abendblatt-Interview erklärt, ein Neustart sei „derzeit nicht erforderlich“.

Er habe mehrfach beim Bund nachgefragt. „Die Antwort lautete: Ein Wiederanfahren von Moorburg verbessert die Netzsituation nicht. Dass zusätzlich Gaskraftwerke in Betrieb genommen werden müssen, um das Netz zu stabilisieren, soll vor allem ein Problem in Süddeutschland sein“, so Tschentscher. „Im Norden ist die Versorgung mit Strom besser, aber wir haben technisch nicht die Möglichkeit, damit das Netz im Süden zu stabilisieren.“

Moorburg-Rückbau weit fortgeschritten

Dieser Einschätzung sei nichts hinzuzufügen, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Sonntag. Zudem habe das Bundeswirtschaftsministerium festgestellt, dass der Moorburg-Rückbau so weit fortgeschritten ist, dass eine Wiederinbetriebnahme nicht möglich sei. Betreiber Vattenfall hatte am 15. Juli mitgeteilt, auch das jüngst verabschiedete Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz ändere nichts daran, dass Moorburg als Kohlekraftwerk nicht mehr betrieben werden dürfe.

„Wir produzieren genug Strom und müssen diesen sogar abregeln, wenn zu viel davon durch Windkraft entsteht“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Eine Reaktivierung von Moorburg würde technisch und wegen hoher Kosten einem Neubau gleichkommen. Im Übrigen sei die geplante Wasserstoff-Produktion als Zukunftsprojekt „unverzichtbar“.

"Reaktivierung würde keinen Sinn machen"

In die gleiche Kerbe schlug SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. „Statt sich immer wieder destruktive Gedanken über Moorburg als erneutem Kohlekraftwerk zu machen, sollten wir Moorburg als Wasserstoffstandort zügig entwickeln.“ Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen. Es gebe einen „koalitionsintern abgestimmten Konsens in dieser Frage, der Herr Westhagemann eigentlich auch bewusst sein müsste“, so Lorenzen. „Sowohl ökonomisch als auch ökologisch würde eine Reaktivierung keinen Sinn machen.“

Unterstützung für Westhagemanns Überlegungen kam von der CDU. „Wir plädieren weiterhin für eine Reaktivierung des Kraftwerkes Moorburg, genauso wie für eine Laufzeitverlängerung der drei bestehenden Kernkraftwerke in Deutschland“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Westhagemanns Aussagen zeigten allerdings „die große Zerrissenheit des rot-grünen Senats“. Das lasse für Hamburgs Zukunft „nicht Gutes erahnen“.

Kohlekraftwerk Moorburg: Zuspruch aus der Wirtschaft

Der Wirtschaftssenator hatte seinen Vorstoß damit begründet, ihn erreiche aus der Wirtschaft der Wunsch, das Kraftwerk zumindest übergangsweise wieder ans Netz zu bringen. Der Unternehmensverband UVNord sprang Westhagemann am Sonntag bei. „Aus Sicht der Hamburger Wirtschaft sollte man in der aktuellen Situation nichts unversucht lassen und ausschließen, wenn es um die Versorgungssicherheit der Unternehmen und insbesondere der Industrie geht“, sagt UVNord-Hauptgeschäftsführer Michael Thomas Fröhlich.

„Wer frühzeitig ausschließt, kann später schnell in Erklärungsnot kommen. Daher sollten die Voraussetzungen und Möglichkeiten für ein Wiederanfahren ernsthaft und ergebnisoffen geprüft werden.“