Hamburg. Trotz der zunehmend unsicheren Energieversorgung soll das Kohlekraftwerk in Hamburgs Süden nicht wieder ans Netz gehen.
Trotz der zunehmend unsicheren Energieversorgung und der Diskussionen um ein Embargo von russischem Öl, Gas und Kohle hält der Energieversorger Vattenfall am Abriss seines Kohlekraftwerks in Moorburg fest.
„Wir arbeiten seit neun Monaten am Rückbau. Auch destruktiv. Ein Großteil des Personals ist abgezogen. Deshalb wäre es sehr schwierig, das Kraftwerk wieder in Betrieb zu nehmen“, sagte Philipp Kather vom Technischen Anlagemanagement in einem Vortrag beim Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden. Vattenfall bemühe sich bereits intensiv darum, Kraftwerks-Komponenten zu verkaufen.
Energiewende: „Moorburg wird nicht wieder ans Netz gehen"
Auch die Rechtslage spricht dagegen, das im Januar 2021 vom Netz genommene Kraftwerk wiederzubeleben: Es bestehe ein Verbrennungsverbot, so Kather. Sein Fazit: „Moorburg wird nach aktueller Lage nicht wieder ans Netz gehen.“ Als Ingenieur blute ihm das Herz. Schließlich gehöre das erst 2015 in Betrieb gegangene Kraftwerk „noch immer zu den besten der Welt“. Zumindest vor Beginn des Rückbaus. Während seiner gut fünfjährigen Betriebszeit hatte es überwiegend russische Kohle verbrannt.
Nun steht das Kraftwerk den Plänen der Stadt im Wege, den Standort in Richtung einer zukunftsfähigen Energiewirtschaft weiterzuentwickeln. Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) wirbt für diese „Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaftsweise“. Er betont: „Mit Blick auf diese Transformation und die zukünftige Versorgung der Hamburger Industrie mit grünem Wasserstoff unterstützt die Wirtschaftsbehörde auch weiterhin die Umnutzung eines Teils des Kraftwerksgeländes Moorburg für den Aufbau eines skalierbaren (in der Größe variablen, d. Red.) Großelektrolyseurs.“
Elektrolyse in Moorburg geplant
Erst am 22. März hatte der parteilose Senator zusammen mit Umweltstaatsrat Michael Pollmann (Grüne) den Startschuss für den Aufbau einer solchen, mit Strom aus erneuerbaren Energien betriebenen Elektrolyseanlage in Moorburg gegeben.
Die Basis bildet eine Machbarkeitsstudie zur Nachnutzung des Industriestandorts: Diese hält eine Elektrolyse zur Produktion von grünem Wasserstoff mit einer Kapazität von bis zu 500 Megawatt wirtschaftlich und technisch für realistisch. Dazu könnten Teile der bestehenden Kraftwerksinfrastruktur weitergenutzt werden.
2025 könnte der Bau beginnnen
Das Elektrolysekonsortium Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH), zu dem sich Shell, Mitsubishi und die Hamburger Energiewerke zusammengeschlossen haben, will in Kooperation mit Vattenfall die „neue Energiezukunft“ in die Tat umsetzen. Derzeit läuft ein Antrag im Rahmen des IPCEI-Förderprogramms der EU. Sollte HGHH den Zuschlag bekommen, könnte 2025 in Moorburg mit dem Bau des Elektrolyseurs begonnen werden. Das müsste parallel zum Rückbau der Kraftwerksgebäude geschehen. Nach ursprünglicher Planung sollen sie von 2024 bis 2028 komplett, also bis zur „grünen Wiese“, beseitigt werden.
Wie der Vattenfall-Konzern hält es auch der für die Energieversorgung zuständige Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) für nahezu ausgeschlossen, das stillgelegte Kraftwerk Moorburg wegen der kriegsbedingten Energiekrise wieder in Betrieb zu nehmen. Das sei aus technischer Sicht nur sehr schwer möglich.
Außerdem seien die dort geplanten energiepolitischen Zukunftsprojekte unverzichtbar, so Kerstan: „Diese Planungen unterliegen strengen Zeitschienen. Wenn der Bund die Reaktivierung von Moorburg für erforderlich hielte, würden wir uns dem nicht verschließen – das erscheint uns aber sehr unwahrscheinlich. Zumal wir bei Steinkohle ähnlich abhängig von Russland sind wie bei Erdgas.“
Energiewende: Mammutaufgabe für Vattenfall
Schon beim Blick auf die riesige Anlage am Ufer der Süderelbe wird deutlich: Der Abriss des Kohlekraftwerks, dessen Bauzeit länger dauerte als die Betriebszeit, stellt für Vattenfall eine Mammutaufgabe dar. Etwa 325.000 Kubikmeter Beton seien dort verbaut worden, sagt Philipp Kather vom Technischen Anlagenmanagement in Moorburg. Hinzu kommen 66.000 Tonnen Bewehrungsstahl in den Gebäuden und rund 100.000 Tonnen Stahl in der Anlagentechnik. Ebenfalls imposant: Im gesamten Komplex sind 3500 Kilometer Elektroleitungen verlegt.
Seit Mitte 2021 arbeiten die Kraftwerkstechniker daran, ihre Anlage abzubauen. Zunächst wurden alle Gefahrenstoffe entfernt wie Öle, Fette und andere wassergefährdende Substanzen. „Wir planen, Ende 2023 so weit zu sein, die Gebäude rückbauen zu lassen“, so Kather. Zunächst war geplant, dass 2028 eine sprichwörtliche grüne Wiese für ein neues Industrieprojekt zur Verfügung steht.
Energiewende: Abriss und Neubau zugleich
Die Stadt setzt sich dafür ein, dass schon in den Jahren 2025/26 eine Großanlage zur Produktion von grünem Wasserstoff gebaut und möglichst 2026 in Betrieb genommen wird. „Wir werden also das Kraftwerk abreißen, während zeitgleich eine neue Anlage errichtet wird“, sagte Kather in einer Diskussionsrunde zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Hamburg.
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Dort wurde auch erörtert, ob es möglich ist, die Kaianlage zu einem Terminal für Flüssiggastanker umzubauen. Das hielten mehrere Diskussionsteilnehmer angesichts der vorhandenen Gasleitungen für sinnvoll. „Wir sind aktuell am Planen“, sagte Oliver Henry Koch von der Gasnetz Hamburg GmbH, „und befassen uns mit der Frage, wie der Anschluss an die Infrastruktur an Land herzustellen ist.“ Allerdings würde ein LNG-Terminal den Kraftwerksabriss noch komplizierter machen – ebenso wie der zeitgleiche Autobahnbau (A 26-Ost) in der Nachbarschaft des Kraftwerks.