Die Abendblatt-Serie für alle, die Hamburg schon gut kennen, aber immer wieder neu oder anders entdecken wollen. Teil 3.
Nachtasyl, Garage
Unter dem Dach des Thalia Theaters liegt die Theaterbar Nachtasyl.
Hier erzählen Schauspieler Geschichten von sich und der Welt auf
ungewöhnliche Art. Ein bisschen Talk- oder Gameshow, Kino, oder
Konzert, Lesung oder Tanzbar entstehen so. Das Nachtasyl ist
Aufführungsort, Theaterbar und Club. Hier findet der „Revolver Club“
statt, mit Indie-Musik, Reihen, die „Rum & Wodka“ oder „Blind
Date“ heißen. Oder das „Actor’s Studio“, in dem Ensemblemitglieder
über ihre Motive und Meister, ihr Handwerk und ihre Haltungen
plaudern, darüber, was sie bewegt und prägt. So kann man einmal
hinter die Kulissen blicken. In der Garage, in der Studiobühne und
im Ballsaal sitzen Sie nur wenige Meter von den Schauspielern
entfernt und können jedes Detail auf der Bühne verfolgen – z. B.
bei modernen Klassikern wie Joyce und Kafka oder bei
experimentellen Regieprojekten internationaler Künstler. Bühnenhits
wie „Tschick“, „Amerika“ oder „Fuck your ego!“, die vom Aufbruch
und Erwachsenwerden, von Liebe und der Suche nach dem Glück
erzählen, von Auswandererschicksalen werden hier gespielt. „3000
Euro“ handelt vom Rand der Gesellschaft. „Besuch bei Mr. Green“ ist
eine Komödie über den Zusammenprall unterschiedlicher
Lebensmodelle, Religionen, Generationen. Mit dem Projekt „
Srebrenica“ kann man eine herausragende Geschichtsstunde über die
Morde und das politische Geschehen in Bosnien erleben. Die Garage
in der Gaußstraße soll ein Kreativort für ungewöhnliche und junge
künstlerische Initiativen sein. Und die Zuschauer sitzen bei allem,
was hier gezeigt wird, ganz nah dran.
www.thalia-theater.de
Kabarettfest
Ob Gerhard Polt, Mathias Richling oder Hagen Rether, im Mai sind
traditionell Deutschlands bekannteste Kabarettisten mit ihren
neuesten Programmen beim „Kabarett-Festival“ im St. Pauli Theater
zu Gast. Der junge Martin Zingsheim hat im Sturm die
Kleinkunstszene erobert und ist vielfach ausgezeichnet worden. Er
zeigt seine rasante Ein- Mann-Show. Horst Schroth ist dabei mit dem
Alt-68er- Lehrer, der „Null Fehler“ macht, Herr Holm zeigt „
Klassiker aus 25 Jahren“. Seit 30 Jahren gibt es das „
Kabarett-Festival“ jetzt in Hamburg. Hier sind viele Kabarettisten
groß geworden. In diesem Jahr, da das St. Pauli Theater vor einem
großen Umbau steht, darf es sogar mal mehr Musik als Kabarett
geben: Conchita Wurst tritt auf. Ganz großes Theater!
St-Pauli-Theater.de
Schauspielhaus
FAQ-Room“ (angelehnt an „frequently asked questions“ – „häufig
gestellte Fragen“) heißt eine Reihe, bei der sich das
Schauspielhaus mit politischen, philosophischen und
gesellschaftlichen Themen beschäftigt. Für die Zuschauer gibt es da
viele Anregungen und reichlich Diskussionsstoff. Es werden Texte
präsentiert wie „Geächtet“ (zur Frage des Rassismus), „Unterwerfung“
(zur Frage, ob sich Europa islamisiert) oder „Terror“, in dem der
Autor Ferdinand von Schirach fragt, ob es rechtlich und moralisch
zulässig ist, das Leben weniger Menschen zu opfern, um Tausende vor
einer Katastrophe zu bewahren. Alexander Kluge und Hannelore Hoger
unterhalten sich zum Beispiel bei einer Lesung mit Filmbeiträgen
über „Die Unverwüstlichkeit des Politischen“. Wer die Überraschung
sucht, das Unangepasste und Ungewöhnliche, wird sich in den „
FAQ-Rooms“ wie zu Hause fühlen. Alle anderen können ja mal
vorbeischauen und sich hier anregen lassen.
schauspielhaus.de, T.
248 713
Plattform
Mit Theater, Tanz und Performance, Philosophie und Musik,
Diskussionen, Präsentationen und Workshops findet jährlich das
Plattform-Festival im Ernst Deutsch Theater statt. Hier wird
Theater von und für Jugendliche gespielt. Ob Poetry-Slam oder
Song-Contest, theatrales Philosophieren oder Jugendclub, sinn- und
gewinnbringend verbringt man hier Zeit. In jedem Alter.
plattform@ernstdeutschtheater.de
Lessingtage
Zu Jahresbeginn veranstaltet das Thalia Theater jeweils die „
Lessingtage“. Man beschäftigt sich hier mit Flucht, Immigration,
neuen und alten Identitäten. Das Theater begibt sich auf die Suche
nach einer kosmopolitischen Kultur, lädt in diesem Sinne Gastspiele
ein, zeigt Vorträge und diskutiert mit den Zuschauern darüber, was
in gemeinsamer Verantwortung für das Zusammenleben entstehen kann.
Ilija Trojanow, Navid Kermani, Liao Yiwu, Auma Obama waren schon zu
Gast sowie viele, sehr ungewöhnliche Inszenierungen.
www.thalia-theater.de
Kampnagel
Kampnagel ist Deutschlands größte freie Spiel- und
Produktionsstätte und zählt zu den international bedeutendsten
Bühnen für darstellende Künste. Die ehemalige Kranfabrik wurde 1984
in einen multifunktionalen Bühnenkomplex umgebaut. Dieser hat sechs
Bühnen, ein Kino, neun Probenräume und ein Restaurant. Hier werden
neuartige Formate ausprobiert, die sich um Kunstvermittlung,
Partizipation und Interaktion in den Bereichen Tanz, Theater und
Performance bemühen. Kampnagel ist ein Labor für Ideen, kein
Kunsttempel. Kontroversen, Konzerte und Kunst entstehen hier für
Kinder und Jugendliche, bei Eigenproduktionen, Gastspielen,
Diskussionen, Ausstellungen, Installationen und Festivals. Rund 100
Premieren gibt es hier jedes Jahr, die 180.000 Besucher anlocken.
Das internationale Sommerfestival, die Tanzplattform, das Live-Art-
Festival, das Krass-Kultur Crash Festival, das Klub Katarakt
Festival für experimentelle Musik sind nur einige von ihnen. Hinzu
kommen Gastspiele, die beim Hamburger Theaterfestival, dem
Krimifestival oder dem Jazz-Festival gezeigt werden. Wer neugierig
ist und Lust hat, Künstlern zuzuschauen, die neue Wege einschlagen,
kann auf Kampnagel beinahe jeden Abend etwas Spannendes zum Hören
und Sehen finden.
Kampnagel, Jarrestraße 20,
www.kampnagel.de
Ohnsorg Studio
Natürlich kann man Kinohits wie „Soul Kitchen“ übersetzen und
hoffen, damit auch junge Menschen ins Ohnsorg zu locken. Was aber,
wenn die noch nie auch nur ein Wort Platt gehört haben? Kann nicht
passieren, wenn man es macht wie die klugen Ohnsorg-
Verantwortlichen und schon die Kleinsten ins Ohnsorg Studio lädt.
Dort gelingt es Cornelia Ehlers in feiner Mischung aus Platt- und
Hochdeutsch eine Bindung aufzubauen. Nächste Premiere: „Snick un
Waal“ nach „Die Schnecke und der Buckelwal“.
Ohnsorg Studio,
Heidi-Kabel-Platz 1, T. 35 08 03 0
Fundus für Kinder
Die Lust am Experimentieren, am Live-Theatererlebnis, steht im
Zentrum des Wandsbeker Fundus Theaters, das ausschließlich ein
Pogramm für Kinder macht. So beschäftigt sich ein Stück wie „Mehr
Licht“ in der Reihe „Forschungstheater“ mit der Frage „Warum ist
der Himmel blau?“ Das „Forschungstheater“ ist das bundesweit
einzige szenische Labor, das ganz der Forschung zwischen Kindheit,
Kunst und Wissenschaft gewidmet ist. 2012 erhielt es den
Bundespreis für kulturelle Bildung. Die Konzepte werden in viele
Länder exportiert. Aber auch Theaterstücke, die „Pippi Langstrumpf“
und „Hänschen klein“ heißen, stehen auf dem Spielplan. Das
Hamburger „Kindertheater Treffen“, das bundesweite Treffen der
freien Kinder- und Jugendtheater, all das findet im Fundus Theater
statt. Schulklassen können Geister suchen oder nach der Messbarkeit
des Glücks. Spaß macht’s in jedem Fall. T. 250 72 70,
www.fundus-theater.de
Die Expertin
Armgard Seegers ist seit 25 Jahren Redakteurin, Literatur- und
Theaterkritikern beim Hamburger Abendblatt. In dieser Zeit hat sie
mehr als 1000 Inszenierungen gesehen. Sie hat Theaterwissenschaft,
Publizistik, Germanistik und Anglistik in Berlin und Hamburg
studiert und promovierte mit einer Arbeit über „Die Komik bei Karl
Valentin“. Sie war Regie- und Dramaturgieassistentin am Deutschen
Schauspielhaus, Pressesprecherin der Kulturbehörde und übersetzt
aus dem Englischen unter anderem Filme von Woody Allen,
Theatertexte von Alan Ayckbourn und Richard Burtons Tagebücher.