Hamburg. Bei Erneuerung des Vorfeldes wurden offenbar Stoffe verwendet, die das Grundwasser gefährden könnten. Umweltbehörde reagiert.
Der Hamburger Flughafen hat bei der jahrelangen und millionenschweren Erneuerung seines Vorfeldes womöglich widerrechtlich Materialien verwendet, die das Grundwasser gefährden könnten. Dabei geht es um sogenannte Ersatzbaustoffe, in diesem Fall um Eisensilikatgestein, ein Abfallprodukt der Kupferproduktion. Diese Stoffe werden im Straßenbau, aber auch für Uferbefestigungen genutzt.
Da aber nach Einschätzung von Experten die Gefahr besteht, dass diese Materialien giftige Bestandteile ins Grundwasser abgeben, gibt es in Hamburg genaue Vorschriften, wie sie im Erdboden eingesetzt werden dürfen. Danach muss ein Mindestabstand von einem Meter zwischen Baumaterial und dem höchsten zu erwartenden Grundwasserstand im Gebiet der Nutzung gewährleistet sein.
Flughafen missachtete Mindestabstand zum Grundwasser
Diese Vorgabe ist offenbar bei der 80 Millionen Euro teuren Erneuerung des Vorfeldes auf einer Fläche von 20 Hektar teilweise missachtet worden. Das räumte der Flughafen jetzt auf Abendblatt-Anfrage ein. „Bereits im November 2020 hat der Flughafen Hamburg in Zusammenwirken mit den zuständigen Behörden eine Prüfung angestoßen, ob beim Einbau des Recycling-Materials in den Bauphasen 1 bis 5 alle Aspekte eines Merkblattes der Behörden berücksichtigt worden sind“, sagte Flughafensprecherin Janet Niemeyer. „Der dort beschriebene Abstand könnte … nicht an allen Punkten der Vorfeldfläche eingehalten worden sein.“ Das Merkblatt werde ausschließlich in Hamburg angewendet und sei keine gesetzliche Vorschrift, so Niemeyer. „Daher sind nicht alle externen Bau-Dienstleister mit der Anwendung des Merkblatts vertraut.“
Um das Grundwasser zu schützen, gibt es für Hamburg eine frei im Netz zugängliche Karte, die Gebiete mit hohem Grundwasserstand ausweist, in denen solche Baumaterialien nicht verwendet werden dürfen. Weite Teile des Flughafens fallen in einen solchen sichtbar ausgewiesenen Bereich mit hohem Grundwasserstand. In welchem Umfang die Kupferschlacke bzw. das Eisensilikatgestein verwendet wurde, konnte der Flughafen am Freitag nicht beantworten. Unklar ist auch, was das Ganze nun bedeutet – ob das Vorfeld womöglich wieder aufgerissen werden muss und wer dafür im Falle eines Falles die Kosten übernehmen würde. Denkbar sind auch Strafzahlungen für den Verstoß gegen die Vorgaben zum Schutz des Grundwassers.
Behörden schieben einander die Verantwortung zu
Die Hamburger Behörden wollen derweil offenbar nicht so gerne etwas mit dem Thema zu tun haben – und spielen sich die Verantwortung gegenseitig zu. Das Bezirksamt Nord, in dessen Gebiet der Flughafen liegt, erklärte sich für nicht zuständig. Die Wirtschaftsbehörde des parteilosen Senators Michael Westhagemann teilte zunächst mit, dass es sich um eine Sache des Unternehmens Flughafen handle – und verwies dann auf eine Prüfung durch die Umweltbehörde des grünen Umweltsenators Jens Kerstan. Deren Sprecher Jan Dube betonte dann als Erstes, dass die Planfeststellung für die Vorfelderneuerung im Jahr 2014 „in der Wirtschaftsbehörde“ durchgeführt worden sei.
„Die Umweltbehörde war bei der Baumaßnahme nicht über den Einsatz der Ersatzbaustoffe informiert und wurde erst im Dezember 2020 über den Vorgang in Kenntnis gesetzt“, so Dube weiter. „Genehmigte Ersatzbaustoffe dürfen in bestimmten Bereichen aus Umweltschutzgründen nicht zum Einsatz kommen. Dies haben Bauherr und Bauträger sicherzustellen.“
Die genaue Zusammensetzung der am Flughafen verwendeten Materialien seien der Umweltbehörde nicht bekannt. „Eine Bewertung eventueller negativer Auswirkungen auf das Grundwasser ist noch nicht möglich“, so Dube. „Aus unserer Sicht braucht es jetzt als Erstes ein deutlich erweitertes Grundwassermonitoring. Die Missachtung von Umweltrecht kann ein Bußgeldverfahren nach sich ziehen. Zunächst ermitteln wir noch den Sachverhalt und entscheiden dann über weitere Schritte.“
BUND fordert Aufklärung
Flughafensprecherin Niemeyer betonte, dass der Flughafen „bereits während der Bauphase Beprobungen des Materials, der Fläche und des Grundwassers vorgenommen“ haben. Diese hätten „keine Auffälligkeiten“ gezeigt. „Es wurden auch keine Hinweise auf eine Gefährdung oder Belastung des zu- und abfließenden Grundwassers durch die verwendeten Recycling-Baustoffe festgestellt. Der Flughafen Hamburg hat sich bereit erklärt, in Absprache mit den Behörden diese Beprobungen im Sinne eines laufenden Monitorings einstweilen vorsorglich fortzuführen.“
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert dagegen eine grundsätzliche Aufklärung. „Hamburg hat klare Vorgaben, wo Ersatzbaustoffe wie Kupferschlacke eingebaut werden dürfen und wo nicht“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. „Das Flughafengelände ist als ,ungeeignet‘ eingestuft, ein Blick auf die entsprechende Karte genügt. Da ist richtig etwas schiefgelaufen, die Sache gehört aufgeklärt. Und notfalls muss das Material wieder rausgeholt werden.“
Kupferschlacke sei immer dann problematisch, wenn das Grundwasser hoch stehe. Das sei beim Flughafen eindeutig der Fall, und im Sinne des Vorsorgeprinzips dürfe dort deshalb keine Schlacke eingebaut werden, so Braasch. „Schlackensteine können geringe Mengen an Schwermetallen abgeben, und wenn das Material über Jahrzehnte im Untergrund liegt, ist eine Belastung des Grundwassers nicht auszuschließen. Genau deshalb hat Hamburg die kritischen Bereiche ausgewiesen.“
Sanierung könnte teuer werden
Der Verweis auf Baufirmen von außerhalb Hamburgs sei seiner Meinung nach „ein billiges Ablenkungsmanöver“, so der Hamburger BUND-Chef. „Bei der Baugenehmigung und der Ausführungsplanung hätte erkannt werden müssen: kein Einbau von Kupferschlacke auf dem Gelände des Flughafens.“
Kupferschlacke sei ein extrem billiges Baumaterial und falle bei Aurubis in Massen an, so Braasch. „Sollte dies der Grund für den achtlosen Einbau auf 20 Hektar Fläche sein, könnte das schnell zum Bumerang werden und teure Sanierungskosten nach sich ziehen.“
Wissenswertes zum Hamburger Flughafen
- Der Hamburger Flughafen hat zwei Terminals und liegt nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt
- Er wurde 1911 angelegt und ist der älteste durchgängig an einem Ort betriebene Flughafen in Deutschland
- Das Gelände des Flughafens umfasst inzwischen eine Fläche von 570 Hektar
- Seit 2008 kann man mit der S-Bahn zum Flughafen fahren: Dafür wurde eine eigene Teilstrecke gebaut, die von der S1 bedient wird. Die Züge werden an der Station Ohlsdorf geteilt – ein Teil der S-Bahn fährt weiter zum Airport, der andere weiter nach Poppenbüttel
- Seit 2016 heißt der Flughaften offiziell Hamburg Airport Helmut Schmidt
- 2019 flogen 71 Fluggesellschaften von und nach Hamburg, 127 Flughäfen gehörten zum Streckennetz
- Vor dem Ausbruch des Coronavirus flogen jährlich mehr als 17 Millionen Passagiere vom Hamburger Flughafen ab oder kamen dort an
- Der IATA-Code für Hamburg lautet HAM